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Internationalisierung: Türkei als Handelspartner „Die Türkei ist ein wichtiges Drehkreuz“

Das Land am Bosporus macht zurzeit fast nur Negativschlagzeilen. Warum sich Investitionen trotzdem lohnen können, verrät die Türkei-Expertin beim Sparkassen-CountryDesk Sofie Quast.
31.03.2017 - 09:00 Uhr
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(Foto: DSGV)

Frau Quast, wie steht es derzeit um die türkische Wirtschaft?
Da ergibt sich durchaus ein heterogenes Bild. Die türkische Wirtschaft wird momentan einerseits stark von politischen Unsicherheiten beeinflusst. Sei es der Syrien-Konflikt in Verbindung mit dem Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“, der langjährige Konflikt mit den Kurden und die daraus resultierenden PKK-Angriffe oder der immer autoritärer wirkende Präsident Erdogan. Darunter leidet vor allem der Tourismus. Andererseits gibt es aber auch expandierende Branchen wie die Automobilindustrie, den Maschinenbau, den Energiesektor mit den erneuerbaren Energien und den Konsumgüterbereich mit den Exportprodukten aus der Telekommunikation und Unterhaltungselektronik.

Türkei-Expertin beim Sparkassen-CountryDesk. Quelle: DSGV
Sofie Quast

Türkei-Expertin beim Sparkassen-CountryDesk.

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Also wirkt sich die Tourismusflaute gar nicht auf andere Wirtschaftszweige aus?
Weiter sinkende Touristenzahlen haben in erster Linie Auswirkungen auf die kleinen Gewerbetreibenden in den strukturschwachen Gebieten von Antalya bis Alanya. Keine Touristen bedeuten keine Verkäufe in den Schmuck- und Textilgeschäften rund um die Hotels. Auch die Lebensmittellieferanten für die Hotels verlieren ihre Aufträge. Hinzu kommen der Preisverfall für Hotelbuchungen als auch der Wertverfall der türkischen Lira.

Was bedeutet das für türkische Unternehmen?
Wegen der schwachen Lira müssen türkische Importeure ihre Waren aus dem Ausland teuer bezahlen. Außerdem ergeben sich Probleme, wenn sie Kredite in US-Dollar aufgenommen haben, ihre Einnahmen aber in türkische Lira erwirtschaften. Daher ist es möglich, dass es zu Kreditausfällen in der Türkei kommt oder auch zu verspäteten Zahlungen oder Zahlungsausfällen seitens der türkischen Importeure.

Welche Konsequenz sollten deutsche Mittelständler daraus ziehen?
Für Mittelständler, die heute ihre Waren aus der Türkei beziehen oder in die Türkei exportieren, ist es ratsam, Zahlungssicherungsinstrumente wie das Dokumentenakkreditiv oder die Bankgarantie zu nutzen. Mit einem bestätigten, unwiderruflichen Akkreditiv oder einer Bankgarantie sind sie auf der sicheren Seite. Bei längeren, vertrauten und zufriedenstellenden Geschäftsverbindungen können nach wie vor Dokumenteninkasso oder Kassa gegen Ware – also die sogenannte „offene Rechnung“ – genutzt werden.

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Wichtige Fakten über die Türkei

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Bietet die Türkei Chancen für Mittelständler, die investieren wollen?
So ist es. Die Türkei verfügt über eine sehr junge, aufgeschlossene und konsumfreudige Bevölkerung. Das Durchschnittsalter der mehr als 80 Millionen Einwohner liegt bei unter 30 Jahren. Auch die Infrastruktur ist dank der getätigten Großinvestitionen in den letzten Jahren sehr gut. Und nicht zu vergessen ist die geografische Lage: Die Türkei ist ein Drehkreuz für den Handel zwischen Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien. Das Wirtschaftswachstum 2015 lag mit vier Prozent über den Erwartungen, für 2016 und 2017 wird ebenfalls mit einem Wachstum zwischen drei und vier Prozent gerechnet.

Worauf sollten Mittelständler achten, wenn sie sich über mögliche Standorte informieren?
Von großer Bedeutung für Investoren sind die organisierten Industriezonen, die – je nach Region – mit unterschiedlichen Anreizen locken. Dazu gehören auch Steuernachlässe. Daneben gibt es noch Freihandelszonen, die von türkischen Zöllen ausgeschlossen sind. Die Türkei hat zudem verschiedene Förderprogramme aufgelegt, zu denen auch ausländische Investoren Zugang haben. Durch die Programme profitieren Unternehmen unter anderem von Steuernachlässen, Zollbefreiungen und der anteiligen Übernahme von Lohnkosten.

Welche Branchen und Regionen eignen sich besonders für Investitionen?
Branchen mit großem Potenzial sind die erneuerbaren Energien, der Maschinenbau, Zulieferungen im Automobilsektor, Haushaltsgeräte und die Krankenhausausstattung. Zu den wichtigsten Industrieregionen gehören beispielsweise der Großraum Marmaris, wo sich die Automobilindustrie angesiedelt hat, und die Region der Ägäis. Dort werden Nahrungsmittel angebaut, Textilien und Maschinen hergestellt und Erdöl gefördert. Außerdem finden wir in Zentral-, Süd- und Ostanatolien schnell wachsende Metropolen. Wo investitionswillige Mittelständler gerade Förderprogramme in Anspruch nehmen können, erfahren Sie beispielsweise bei Ihrem Sparkassen-Berater.

Und wenn die Mittelständler dann erst mal in der Türkei sind: Welche Gepflogenheiten sollten sie kennen, damit sie beim Geschäftstermin nicht ins Fettnäpfchen treten?
Viele Türken sind sehr patriotisch; sie sind stolz auf ihre Vorfahren und auf die Leistungen der modernen Gesellschaft. Die Familie ist die wichtigste soziale Einheit. Während man in den ländlichen Gegenden noch besonders stark auf Traditionen setzt, lebt man in den Großstädten allerdings schon viel liberaler. Ähnlich unterschiedlich kann der Umgang mit jungen und alten Geschäftsleuten sein, weshalb interkulturelle Trainings unbedingt zu empfehlen sind.

Gibt es Themen, die man bei Treffen lieber auslassen sollte?
Politik, Religion und Geldangelegenheiten sind absolute No-go-Themen in Geschäftsverhandlungen. Man sollte übrigens immer mit dem Chef des Unternehmens sprechen und ihn von der eigenen Kompetenz überzeugen. Entscheidungen werden in der Regel nur auf höchster Ebene von leitenden Angestellten getroffen.

Was müsste passieren, um der türkischen Wirtschaft neue Impulse zu verleihen? Und wie würden deutsche Mittelständler davon profitieren?
Je eher Konflikte mit anderen Ländern aus dem Weg geräumt sind und auch die Verfassungsdebatte beendet ist, umso stärker wird das Vertrauen in die türkische Wirtschaft zunehmen. Aus den oben genannten Gründen sollten ausländische Unternehmen aber schon heute ihre Chancen nutzen. Mithilfe unserer türkischen Kooperationspartner in Deutschland oder vor Ort kann der Mittelständler jederzeit prüfen lassen, ob sein Vorhaben umsetzbar ist. Dabei unterstützt die Sparkasse gern.


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