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Marktausblick Keine Normalisierung an der Zinsfront

Der jüngste Anstieg der Rendite bei deutschen Staatsanleihen hat bei einigen für Verunsicherung gesorgt. Endlich Normalisierung bei den Zinsen? Eher unwahrscheinlich, betrachtet man die makroökonomischen Rahmenbedingungen.
24.06.2015 - 10:33 Uhr Kommentieren
Der Renditeanstieg bei deutschen Staatanleihen verunsichert die Käufer. Quelle: dpa

Der Renditeanstieg bei deutschen Staatanleihen verunsichert die Käufer.

(Foto: dpa)

Der jüngste Anstieg der Rendite bei deutschen Staatsanleihen hat bei einigen für Verunsicherung gesorgt. Endlich Normalisierung bei den Zinsen? Eher unwahrscheinlich, betrachtet man die makroökonomischen Rahmenbedingungen.

Ob sich die Europäische Zentralbank die Folgen des im März 2015 gestarteten Staatsanleihen-Kaufprogramms so vorgestellt hatte? Zunächst ließen kurzzeitig Diskussionen über eine Angebotsknappheit die Renditen für 10-jährige Bundesanleihen auf nur noch fünf Basispunkte (0,05 Prozent) fallen. Im Anschluss kam es jedoch zu einem heftigen Zinsanstieg, der die Renditen um das 20-fache auf zeitweise über ein Prozent steigen ließ – obwohl die EZB konsequent als Käufer auftrat.
Handelt es sich bei dem rasanten Renditeanstieg nun um die schon häufig proklamierte Zinswende? Für eine Antwort muss man zunächst etwas Ursachenforschung betreiben. Der vorangegangene Renditerutsch in Richtung der Nullmarke – und unterhalb des 10-jährigen Laufzeitensegments sogar in den negativen Bereich – lässt sich mit fundamentalen Bewertungskriterien schon lange nicht mehr erklären.


Strategische Langfristanleger hielten sich wegen der geringen Renditechancen erkennbar zurück. Spekulativ orientierte Markteilnehmer griffen hingegen zu in der Hoffnung, sie kurze Zeit später mit kleinem Gewinn an die EZB weiterzureichen. Dieses Kalkül ging letztlich nicht auf. Angesichts extrem niedriger Renditen machten schon minimale Kursrückgänge die Transaktion zu einem Verlustgeschäft. Die resultierenden Verkäufe, um Verluste zu begrenzen, wurden überwiegend über den Future-Markt abgewickelt. Sie sorgten für einen beschleunigten Kursverfall, der erneute Stop-Loss-Orders nach sich zog. Währenddessen blieb die Umsatztätigkeit im Kassamarkt gering.


Ob sich nach diesem im Wesentlichen technisch bedingten Kursverfall der Kursrutsch bei Bundesanleihen fortsetzt, hängt vor allem vom weiteren Vorgehen der EZB ab. Spekulationen darüber, das Staatsanleihen-Kaufprogramm könne vorzeitig enden, halten wir angesichts der bislang nur moderaten Konjunkturerholung in der Eurozone für deutlich verfrüht. Dies gilt umso mehr, als die Rückkehr der Inflationsrate in den positiven Bereich vor allem einer Erholung des Ölpreises geschuldet war.

Stefan Schilbe, Chefvolkswirt Deutschland, HSBC Quelle: HSBC
Stefan Schilbe

Stefan Schilbe, Chefvolkswirt Deutschland, HSBC

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Eine nachhaltig höhere Teuerung in Richtung der EZB-Zielmarke von „unter, aber nahe zwei Prozent“ ist kaum realisierbar: Die Preisüberwälzungsspielräume seitens der Unternehmen sind eng limitiert und das Potential für Lohnsteigerungen infolge der hohen Arbeitslosigkeit in der Eurozone nur gering. Zudem haben sich auch die langfristigen Inflationserwartungen von ihrem Rekordtief Anfang 2015 nur geringfügig erholt, obwohl die EZB entschlossene geldpolitische Maßnahmen ergriffen hat. Von einer Normalisierung kann hier keine Rede sein.


Zu guter Letzt hat der Euro trotz der schwelenden Diskussionen über einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone zuletzt eher auf,- denn abgewertet. Der preistreibende Effekt über importierte Güter dürfte also im Trend eher etwas nachlassen. Aus all diesen genannten Gründen dürfte die EZB ihr Kaufprogramm mindestens bis September 2016 fortführen; an Zinserhöhungen ist vor 2017 nicht zu denken. Auch wenn das Zinstief wohl hinter uns liegt, vom aktuellen Niveau aus ist das Potential für einen nochmaligen Renditeanstieg limitiert.

Autor: Stefan Schilbe, Chefvolkswirt Deutschland, HSBC