
Banken und Sparkassen macht Sorgen, dass der beratende Verbraucherschutz in Zukunft auch Finanzwächter stellen soll.
BerlinBanken und Sparkassen warnen vor Interessenskonflikten der geplanten Finanzmarktwächter, die den Verbraucherschutz von Kleinanlegern und Versicherungsnehmern verbessern sollen. Der Branchenverband Deutsche Kreditwirtschaft (DK) wies in einer Stellungnahme gegenüber Reuters am Samstag darauf hin, dass Verbraucherzentralen die Finanzmarktwächter stellen und damit einen Markt kontrollieren sollen, in dem sie selbst Anbieter von Beratungsleistungen seien. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass zwischen der Kontrolle des Marktes einerseits und den Verbraucherzentralen als Interessensvertreter andererseits eine klare Trennung herrsche.
Bundesjustizminister Heiko Maas und der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, wollen in der kommenden Woche Einzelheiten der Finanzmarktwächter vorstellen. Dabei handelt es sich um Experten der Verbraucherzentralen, die wiederkehrende Missstände aufklären sollen. Dafür sollen sie unter anderem tausende von Beratungsgesprächen auswerten. Finanziert werden die Finanzmarktwächter aus Steuermitteln.
Auffälligkeiten können die Finanzmarktwächter der Aufsichtsbehörde Bafin melden, die dann Gegenmaßnahmen einleiten kann. Geplant ist, dass sich die Kontrolleure zunächst bestimmten Schwerpunkten wie Altersvorsorge, Kredite, Versicherungen und Grauer Kapitalmarkt widmen. Die Idee für die Kontrolleure ist aus der Finanzmarktkrise entstanden, als unwissenden Kleinanlegern hochriskante Finanzprodukte verkauft wurden, die sich häufig als wertlos herausstellten.
Die Bafin heißt vollständig Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. 2002 entsteht sie durch die Zusammenlegung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, den Wertpapierhandel und das Versicherungswesen. Erster Präsident: Jochen Sanio.
Die Anschläge des 11. September bringen die Mannheimer Lebensversicherung AG in Schieflage. Die Bafin erarbeitet eine Auffanglösung – später übernimmt die Protektor Lebensversicherung AG das Unternehmen.
Der Phoenix Kapitaldienst GmbH untersagt die Bafin ihre Geschäfte. Die Finanzaufsicht hatte von Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung von Treuhandgeldern in Höhe von 680 Millionen Euro erfahren.
Die Bafin muss feststellen, dass einer ihrer Beamten Geld veruntreut hat – jahrelang. Der Mitarbeiter wird später zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Schaden für die Behörde liegt bei 6,4 Millionen Euro.
Juli: Die IKB Deutsche Industriebank AG macht Probleme, im Zuge der weltweiten Finanzkrise gerät die Bank ins Trudeln. Die Bafin organisiert einen Rettungsschirm, der mehrmals erweitert wird, bevor die staatliche KfW ihre Anteile an die Lone-Star-Gruppe überträgt.
August: Nun bekommt auch die Landesbank Sachsen Probleme, die Bafin befürchtet einen Liquiditätsengpass. Später übernimmt die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) das Institut.
Februar: Die Bafin überprüft die Hypo Real Estate (HRE). Das Institut kann nur mit Hilfe der privaten Finanzwirtschaft und erheblicher Staatsunterstützung stabilisiert werden.
Frühjahr: Die WestLB AG, die BayernLB sowie die HSH Nordbank AG beantragen beim Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung die Gewährung von Garantien.
April: Die Bafin ordnet ihre Führung neu. Nachdem bislang Präsident Sanio die Behörde allein leitete, werden ihm nun vier Exekutivdirektoren zur Seite gestellt: Sabine Lautenschläger für die Bankenaufsicht, Karl-Burkhard Caspari für die Wertpapieraufsicht, Thomas Steffen für die Versicherungsaufsicht und Michael Sell für Querschnitts- und Verwaltungsaufgaben.
Januar: Das Europäische System der Finanzaufsicht nimmt seine Arbeit auf. Auch die Bafin ist beteiligt und Mitglied in Gremien und Arbeitsgruppen. Außerdem entsendet sie Mitarbeiter in die europäischen Behörden.
Dezember: Präsident Jochen Sanio geht in den Ruhestand, Nachfolgerin wird Elke König. Im Direktorium sitzen neben König die Exekutivdirektoren Raimund Röseler für die Bankenaufsicht, Gabriele Hahn für Querschnitts- und Verwaltungsaufgaben, Felix Hufeld für die Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht und Karl-Burkhard Caspari für Wertpapieraufsicht und Asset-Management.
Große Aufgabe: Die 2300 Bafin-Mitarbeiter kontrollieren 1880 Banken, 680 Finanzdienstleister, 600 Versicherer, 30 Pensionsfonds, 5900 inländische Fonds und 77 Kapitalanlagegesellschaften. Allerdings wird die Bafin im Zuge der Europäischen Bankenunion Anfang 2016 ihre Zuständigkeit für deutsche Großbanken verlieren.
Die Kreditwirtschaft fordert auch ein Mitspracherecht bei der Konzeption der Finanzmarktwächter. „Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Marktwächter seine Aufgaben praxisbezogen und neutral wahrnehmen kann“, heißt es in der Stellungnahme. Auch bei einzelnen Untersuchungen sollten Branchenvertreter einbezogen werden.
Skeptisch sind auch Versicherungsanbieter. Die Verbraucherzentralen hätten durch ihre Beratungstätigkeit bereits jetzt eine Marktwächter-Funktion, erklärte der Branchenverband GDV in einer Stellungnahme für Reuters. „Wie sich ihre Rolle durch die zusätzlichen Haushaltsmittel für die Finanzmarktwächterfunktion nun verändert, bleibt abzuwarten.“
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