
Nationalfahnen von EU-Mitgliedern.
Berlin/DavosPolitiker von CDU und FDP haben Verständnis für die vom britischen Premierminister David Cameron erhobene Forderung nach einem neuen EU-Vertrag und einer darin verankerten Rückverlagerung von Rechten. „Meine schon mehrfach geäußerte Befürchtung, dass das zwanghafte Festhalten am Euro-Währungsraum in seinem heutigen Zuschnitt einen Keil zwischen Euro-Länder und Mitgliedsstaaten mit eigener Währung treibt und das friedliche Miteinander innerhalb der Union bedroht, scheint sich leider zu bestätigen“, schreibt der Haushaltsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Willsch (CDU), in einem Gastbeitrag für Handelsblatt Online.
„Dass Großbritannien nun das Ziehen der Notbremse in Betracht zieht, halte ich angesichts der andauernden Versuche der europäischen Peripheriestaaten, ihre Schulden bei europäischen Einrichtungen abzuladen, für nachvollziehbar,“ argumentiert Willsch weiter. Schließlich habe Großbritannien selbst mit übermäßigem Defizit und zu hoher Verschuldung zu kämpfen.
Viel wichtiger wäre es aus Willsch Sicht aber, dass London versuchte, die anderen Staaten wieder auf einen Kurs der Subsidiarität zu bringen - an der Seite Deutschlands. „Denn die gegenwärtige Krise ist auf einen überhasteten Integrationsschritt – die Einführung des Euro mit viel zu vielen Mitgliedstaaten unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit - zurückzuführen.“ Vierzehn Jahre nach Einführung der gemeinsamen Währung treibe Europa an allen Ecken und Enden auseinander. Daher müsse jetzt um die politische Union Europas gekämpft werden.
Als ehemalige Weltmacht ist Großbritanniens Politik noch immer auf Führung ausgelegt. London ist gewohnt, die Linie vorzugeben, statt sich mühsam auf die Suche nach Kompromissen zu begeben. Die Briten reagieren allergisch auf jegliche Vorschriften aus Brüssel.
Die Londoner City ist trotz massiven Schrumpfkurses noch immer die Lebensader der britischen Wirtschaft. Großbritannien fühlt sich von Regulierungen, die in Brüssel ersonnen wurden, aber die City treffen, regelrecht bedroht.
Auch in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik wollen sich die Briten nicht von Brüssel herein reden lassen. Eine gemeinsame EU-weite Arbeitszeitrichtlinie hat beispielsweise für heftigen Streit gesorgt.
Die Euroskeptiker unter den Briten halten die Bürokratie in Brüssel für ein wesentliches Wachstumshemmnis. Anti-Europäer in London glauben, dass Großbritannien bilaterale Handelsabkommen mit aufstrebenden Handelspartnern in aller Welt viel schneller aushandeln könne als der Block der 27. Die Euroskeptiker fordern auch, dass der Sitz des Europaparlaments in Straßburg abgeschafft wird und die Abgeordneten nur noch in Brüssel tagen.
Die britische Presse ist fast durchgehend europafeindlich und prägt das Bild der EU auf der Insel. Das hat politische Wirkung. „Ich muss meinen Kollegen in Brüssel dauernd sagen, sie sollen nicht den 'Daily Express' lesen“, zitierte mal die „Financial Times“ einen britischen Minister.
Dem Brüsseler Zentralismus müsse dabei aber „um der Vielfalt Europas und der Freiheit seiner selbstbestimmten Völker willen Einhalt geboten werden“, betonte er. „Mit der Subsidiaritätsprüfung haben wir dafür das geeignete Instrument: nur das, was auf nationaler Ebene nicht sinnvoll geregelt werden kann, darf europäischer Regelung zugänglich sein.“
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler sieht die Einheit Europas in Gefahr. „Die drohende Spaltung Europas wird durch den Abnabelungsprozess Großbritanniens besonders deutlich“, sagte Schäffler Handelsblatt Online. „Es wäre tragisch, wenn Europa nur auf die Euro-Staaten reduziert würde. Das wäre ein Europa des Zentralismus und gleichzeitig der Weg in den Superstaat.“
Um dies zu verhindern, sei Großbritannien ein wichtiges Korrektiv in der Europäischen Union. Ansonsten sei zu befürchten, dass sich die Achse Europas in Richtung der südeuropäischen Staaten unweigerlich verschiebt.
Cameron hatte am Mittwoch angekündigt, dass er mit den anderen EU-Regierungen über eine Rückholung von Zuständigkeiten verhandeln wolle. Die EU müsse "flexibler und offener" werden. Er wolle die Briten nach den Reformen in einem Referendum nach der nächsten britischen Parlamentswahl abstimmen lassen, die für 2015 geplant sind. Am Donnerstag verteidigte er in Davos seine Rede. Angesichts der Tatsache, dass die Euro-Zone sich immer weiter integrieren werde, müsse das Verhältnis mit den Nicht-Euro-Ländern in der EU geklärt werden, sagte er. "Wir wollen diese Debatte führen. Das ist notwendig für ganz Europa."
Die Beziehung zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ist keine einfache. Premierminister David Cameron verstärkt das auch in seiner Rede zur Europapolitik. Schon bevor Cameron zuletzt wiederholt drohte, politische Befugnisse aus Brüssel zurück nach London zu holen, setzte die britische Regierung wiederholt Sonderregeln für die Insel durch – und steht somit immer wieder mit einem Fuß außerhalb der EU.
Da Großbritannien zwar viel in den EU-Haushalt einzahlte, aber kaum von den milliardenschweren Agrarhilfen profitierte, forderte die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher 1984: „I want my money back!“ - „Ich will mein Geld zurück.“
Die „Eiserne Lady“ setzte eine Rabatt-Regelung für ihr Land durch, nach der Großbritannien 66 Prozent seines Nettobeitrags an die EU zurückerhält. Der Rabatt besteht bis heute, obwohl er immer wieder den Unmut anderer EU-Länder erregt, da sie nun den britischen Anteil mittragen müssen. Doch abgeschafft werden kann die Regel nur, wenn auch London zustimmt.
Wer von Deutschland nach Frankreich, Österreich oder in die Niederlande reist, muss dafür seinen Pass nicht vorzeigen. Großbritannien-Urlauber sollten den Ausweis jedoch dabei haben: Die Briten haben sich nicht dem Schengen-Abkommen angeschlossen, das den EU-Bürgern Reisefreiheit von Italien bis Norwegen und von Portugal bis Polen garantiert.
In der Eurokrise ist die an ihrer Pfund-Währung festhaltende britische Insel ein gutes Stück weiter von der Kern-EU weggedriftet. Mit Sorge wurden in London die mühseligen Arbeiten an der Euro-Rettung beobachtet, zudem fürchtete die britische Regierung Folgen für den Finanzstandort London durch strengere Banken-Regulierung oder eine Finanztransaktionssteuer.
Doch wirklich für Empörung in der EU sorgte, dass sich Großbritannien vor rund einem Jahr dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin nicht anschloss.
Seit der EU-Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 in Kraft getreten ist, kann Großbritannien wählen, an welchen Gesetzen im Bereich Inneres und Justiz es sich beteiligt. Kürzlich hat die britische Regierung angekündigt, sich auch aus der gesamten Gesetzgebung des Politikfelds zu verabschieden, die bereits vor dem Lissabonvertrag verabschiedet wurde. Das betrifft rund 130 Gesetze.
Das Recht auf einen solchen „Opt Out“ genannten Ausstieg hatte sich London durch eine Sonderregelung gesichert. Im Anschluss will London für als wichtig und interessant erachtete Regelungen eine Beteiligung erneut verhandeln.
25 Kommentare zu "Koalitionspolitiker: Südländer verantwortlich für britischen Euro-Frust"
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Ich habe mir die Rede von Cameron im Orginal auf BBC angehört. Soweit es die EU betrifft sicherlich die beste Rede seit Jahren. Dieser Moloch von EU-Technokraten muss gestoppt und die Geldmittel müssen gekürzt werden. Diese ganze Umverteilungsmachinerie dient doch nur zur Legimitation des ganzen Apperates.
Frage dazu:
Wenn GB aussteigt, wer übernimmt dann die fehlenen Nettozahlungen? Wieder doch nur Deutschland!
Wir sollten uns endlich mit den "Nordländern", jedoch ohne Frankreich zusammentun. Freundschaft hin, Freundschaft her. Solange F keine Reformen zustande bringt, ist es einfach nicht der richtige Partner für uns.
Mittlerweile kann man GB verstehen, aber wir sind in der EU Gefangen weil es im Grundgesetz Steht. Dei Südländer haben Ihre Probleme selbst geschaffen und möchten auch so weiter machen wir sollten Sei abspaltten dann kann Herr Soros sich mit seinem Hadge Fonds darum Bemühen dann können Sie ihre Schulden bei Ihm und seinen Sönen abladen die ja jetzt da Schäbige und mit verantwortliche geschäft betreiben. Ichbin immer noch für eien Spaltung Nord und Süd. Ausserdem sollten dei Südlichen Bürger erstmal Ihre Politiker verantwortlich machen die den Mist auch Wissentlich verzapft haben auf die Finger Klopfen udn Enteignen um die Schulden zurück zu Zahlen. Ausserdem kann nicht alles nur von Brüssel aus Gesteuert werden das macht die Menschen unsicher udn Mistrauisch
So lange die Eurokraten keine europäische Armee auf die Beine gestellt bekommen, wird es mit dem ganzen Rest auch nicht werden.
Eine solche Rede wie Cameron kann Frau Merkel nicht halten. Dazu ist sie durch ihre politisch aktive Zeit in der DDR zu geprägt. Da nützt es auch nichts, wenn die Gauckbehörde keine Auskunft geben darf wie sie Havemann bespitzelte und auf welchen FDJ-Feiern in Neuhardenberg sie war.
Politiker die Camerons Rede negativ beurteilen, haben seine Gedanken offensichtlich weder gehört noch gelesen. Dabei ist die Übersetzung in der NZZ sehr gut. Es ist logisch, daß eine traditionelle Demokratie die ausgeprägten diktatorischen Züge der EU ablehnt. Auch wenn es den selbstherrlichen Anordnern aus Brüssel nicht passt. Die EU hat leider keine demokratischen Elemente. Nur demokratische Namen wie "ein EU-Parlament". Das wird zwar sehr gut bezahlt, hat aber überhaupt nichts zu sagen. Entscheidungen werden von den Brüsseler Kommissaren getroffen. Und diese werden berufen (aber nicht vom Volk) und bestehen meist aus Politikern die von ihrem Land aus guten Gründen ausgesondert wurden.
BRAVO. Ganz richtig
das galt "KeinerkannwiederSchreiner", damit es nicht zu Missverständnissen kommt
Tabletten noch nicht genommen ???
@Fortunio: Stimme Ihnen zu!
Es ist aber noch etwas zu Monti zu ergänzen:
Zitat: "Monti warnte die britische Regierung vor einer Erpressung der EU-Partner."
Dies ist doch wohl die größte Unverschämtheit seit langem. Griechenland, Italien, Spanien und Luxemburg haben die Schutzgelderpressung als Methode der Politik in Europa eingeführt. Merkel, Schäuble, Steinbrück, Trittin und andere Schwachmaten haben sich höchst willfährig erpressen lassen.
Und jetzt kommt dieser Vertreter eines korrupten Pleitestaates daher und will ausgerechnet Herrn Cameron, der sich zu Recht gegen diese zukunfts- und bürgerfeindliche Plünderungsunion wehrt, Erpressung vorwerfen, weil er Klartext redet und ENDLICH mal eine Grenze gegen diesen Schuldensozialismus zieht? Was glaubt dieser Monti eigentlich, wer er ist?
Es wird Zeit, dass endlich auch deutsche Politiker klar sagen: bis hierhin und nicht weiter. Cameron ist derjenige, der versucht, Europa als Zukunftsprojekt zu retten. Er hat jede Unterstützung verdient, insbesondere von Deutschland.
Schluss mit dem weiteren Ausbau der Plünderungs-Union! Weg mit dem Euro und zurück zur Eigenverantwortlichkeit der Staaten.
Cameron hat in vielen Punkten einfach Recht.
Es würde schon helfen, wenn einer die europäischen Verträge Seite für Seite laut vorlesen und auf deren Einhaltung durch JEDES Mitglied bestehen würde.
Dann können die Politkommissare aus der Kommission, die aufstehen und laut den Bruch fordern gefeuert werden.
O-Ton Handelsblatt
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Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa:
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Sind Ihnen die Unabhängigkeitsbestrebungen in Schottland, Wales und Nordirland entgangen?
Oder gehören Ihreserachtens die britischen Inseln nicht zu Europa?
???