Die Frage ist nun, wie der Präsidentschaftskandidat Fillon sich verhalten wird. Bislang hat er sich so gut wie überhaupt nicht zur Zusammenarbeit mit Deutschland geäußert. Europa und die Zukunft der Eurozone waren praktisch kein Thema im Vorwahlkampf. Die Franzosen, die unter dem Eindruck einer seit Jahren anhaltenden Wirtschaftsschwäche und des Terrorismus sehr an ihrem Land zweifeln, neigen derzeit zur Nabelschau.
Die klare Sympathie Fillons für Russlands autoritären Herrscher Wladimir Putin und das Jubeln der Putin-Riege über den Erfolg Fillons in der ersten Runde der Vorwahlen haben ihm in der Stichwahl nicht geschadet. Für Frankreichs europäische Partner wird es in den kommenden Monaten besonders wichtig sein zu verfolgen, wie sich die außen- und europapolitischen Vorstellungen Fillons konkretisieren.
Nach viereinhalb schwierigen Jahren mit Wirtschaftsflaute, hoher Arbeitslosigkeit und der verheerenden Terrorserie stehen die Zeichen in Frankreich auf Machtwechsel. Amtsinhaber François Hollande hängt im Umfrage-Keller und ist nach allzu freimütigen Äußerungen gegenüber Journalisten auch im eigenen Lager isoliert. Doch egal, wer für die Sozialisten letztlich ins Rennen geht: Umfragen sagen dem konservativen Kandidaten bislang gute Chancen voraus, im Mai das Ruder in Deutschlands wichtigsten EU-Partner zu übernehmen.
In der Vorwahl geht es auch darum, wie die Konservativen sich gegen Rechtspopulistin Marine Le Pen behaupten wollen. Die Front-National-Chefin kann auf den Einzug in die Stichwahl hoffen und wittert nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten Morgenluft. Während Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy mit knallharten Forderungen FN-Themen wie Identität und Sicherheit besetzt, grenzt Favorit Alain Juppé sich klarer ab. Linken Wählern fiele es damit wohl leichter, im zweiten Wahlgang für Juppé zu stimmen, um Le Pen zu verhindern. Ein Sieg der Euro-Kritikerin Le Pen würde die EU in eine tiefe Krise stürzen und könnte populistische Strömungen auch in anderen Ländern stärken. Bislang gilt das als wenig wahrscheinlich – aber auch den Sieg Trumps hatten Umfragen nicht vorhergesehen.
Nachdem seine Kandidatur klar ist, zeichnet sich das Feld der Bewerber für die Wahl 2017 bereits deutlicher ab. Auf der extremen Rechten tritt Marine Le Pen für die Front National an, auf der extremen Linken Jean-Luc Mélanchon, der auch die Unterstützung der Kommunistischen Partei hat. In der Mitte findet man Emmanuel Macron, den früheren Wirtschaftsminister von François Hollande.
Dort wird möglicherweise auch François Bayrou antreten, Vorsitzender der linksliberalen Partei Modem. Offen ist noch, wer für die Sozialisten kandidiert. Sie veranstalten erst im Januart ihre Vorwahl, um den Kandidaten zu bestimmen. Hollande hat gesagt, das sich alle dieser Prozedur unterziehen müssen, also auch er selber. Doch noch immer hat er sich nicht geäußert, ob er sich überhaupt für ein weiteres Mandat bewerben will.
Nach Daten des IMF betrug das französische BIP im vergangenen Jahr rund 2,42 Billionen US-Dollar. Im europäischen Vergleich steht das Land damit an dritter Stelle hinter Spitzenreiter Deutschland und Großbritannien. Was zunächst positiv klingt, erscheint mit Blick in die frühe Vergangenheit gar nicht mehr allzu rosig. Nur ein Jahr zuvor hatte das Bruttoinlandsprodukt noch fast 400 Milliarden US-Dollar mehr auf dem Konto – und stand damit auch vor dem Vereinigten Königreich. Vom Allzeithoch aus dem Jahr 2008 (2,94 Billionen US-Dollar) ist Frankreich ein gutes Stück entfernt.
Im „französischen Mutterland“ lebten zu Beginn des zurückliegenden Jahres 64.204.247 Menschen. Nimmt man die Überseedépartements Guadeloupe, Martinique, Französisch-Guayana, Réunion und Mayotte hinzu, kommt die französische Republik auf über 66,3 Millionen Einwohner. Einer Prognose von Eurostat zufolge wird das zweitbevölkerungsreichste Land Europas bis 2050 sehr nah an die künftigen Zahlen aus Deutschland herankommen – knapp über 74 Millionen Menschen sollen beide Staaten dann jeweils beherbergen.
Mit rund 550 km² ist Frankreich auch ohne die dazugehörigen Überseeinseln und -gebiete bereits das flächenmäßig größte Land in Europa. Dementsprechend viel Platz steht den zahlreichen Franzosen zur Verfügung, was sich auf die Bevölkerungsdichte auswirkt. Mit 117 Einwohnern pro Quadratkilometer befindet sich die Republik so nah am EU-weiten Durchschnitt (116,3) wie kein anderes europäisches Land.
Mit der Annahme einer neuen Verfassung im Oktober 1958 wurde in Frankreich die sogenannte „Fünfte Republik“ eingeführt. Beginnend mit Charles de Gaulle standen seither sieben Präsidenten an der Spitze des Staates. Seit Mitte 2012 hat François Hollande das höchste Amt inne, der nach der erfolgreichen Wahl den bis dahin amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy vorzeitig ablöste.
Die „Marseillaise“ ist seit 1795 die offizielle französische Nationalhymne. Drei Jahre zuvor wurde sie von Claude Joseph Rouget de Lisle verfasst – allerdings als Kriegserklärung an Österreich. Unter dem Titel „Chant de guerre pour l’armée du Rhin“ („Kriegslied für die Rheinarmee“) war sie dem Oberbefehlshaber und Gouverneur von Straßburg, Nikolaus von Luckner, gewidmet und ertönt bis heute in dessen Geburtsort, Cham in der Oberpflaz, täglich als Glockenspiel auf dem Marktplatz. Das Lied wurde beim Einzug in Paris von Soldaten aus Marseille gesungen, wodurch der bekannte Titel zustande kam.
Der Name der rechtsradikalen Partei Front National tauchte in der jüngsten Vergangenheit häufig in den Medien auf. Dabei konnte die Partei rund um deren Vorsitzende Marine Le Pen bereits in den 1980er Jahren erste Erfolge verbuchen – und das aus denselben Gründen wie heute. Der wirtschaftliche Pessimismus innerhalb des Landes brachte dem FN zweimal in Folge mindestens einen Sitz in der Nationalversammlung. Aus der Europawahl 2014 ging der FN mit 24,86% der Stimmen als Sieger unter den französischen Parteien hervor. Bei der Präsidentenwahl im nächsten Jahr werden Le Pen gute Ergebnisse prognostiziert – wenngleich es nicht ganz für das Amt reichen solle.
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ist nicht nur der Wahlspruch der Republik Haiti sowie der heutigen Französischen Republik, sondern auch das Motto der Französischen Revolution, die ab 1789 grundlegende Werte und Ideen der Aufklärung propagierte und umsetzte. Sie hatte signifikante gesellschaftspolitische Veränderungen auf dem ganzen Kontinent zur Folge. Die heutige französische Verfassung verweist auf die zu jener Zeit entstandene „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ und enthält sonst keinen eigenen Grundrechtekatalog.
Sein eigener Premier Manuel Valls baut inzwischen starken Druck auf, um Hollande davon abzuhalten. Er lässt keinen Zweifel mehr daran, dass er selber kandidieren will und Hollande für ungeeignet hält. Es gehe „nicht darum, ob Hollande Lust hat, zu kandidieren“, sagte er am Sonntag schroff in einem Interview. Die Bedingungen müssten stimmen, und Valls hat deutlich gemacht, dass sie seiner Ansicht nach nicht stimmen. „Das jüngste Buch des Präsidenten hat für sehr starke Verwirrung innerhalb der Linke gesorgt“, moniert Valls mit Verweis auf ein Interview-Buch Hollandes, in dem er sich auf bestürzend abschätzige Weise über befreundete Staatschefs und eigene Minister äußert sowie geheime Angriffspläne auf Syrien enthüllt.
Er selber, Valls, verkörpere dagegen ein gutes Verhältnis zur Linken und zu den Franzosen insgesamt, hält der Premier sich zugute. Hollandes Anhänger erwarten aber, dass der Präsident sich schon in den nächsten Tagen erklären wird – und antritt.
5 Kommentare zu "Frankreichs Konservative: Ex-Premier Fillon setzt sich in Vorwahl gegen Juppé durch"
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Lothar dM28.11.2016, 11:21 Uhr
"Ein vergleichbarer Kandidat für das Kanzleramt wäre in Deutschland z.Zt. (noch) nicht möglich, denn er müsste vermutlich aus der AfD kommen."
Höchstwahrscheinlich haben Sie Recht.
Warten wir ab, was sich in Frankreich tut. Gesagt wird am Anfang immer viel, "aber wichtig ist, was hinten herauskommt" (Helmut Kohl).
Gute Wahl der Konservativen, ein wertkonservativer Kandidat mit Macherqualitäten. EUR-skeptisch nicht aus Dogma, sondern aus der Erfahrung. In Frankreich wird in wohl in jedem Fall ab 2017 bürgerlich-wertkonservativ regiert.
Ein vergleichbarer Kandidat für das Kanzleramt wäre in Deutschland z.Zt. (noch) nicht möglich, denn er müsste vermutlich aus der AfD kommen.
Entlarvend übrigens auch der aktuelle Angstschweiss der linken Großkoalition in Österreich, die jetzt schon die Wähler mit Barem lockt! Ob das hilft?
Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich. http://www.handelsblatt.com/netiquette
Zum Glück besinnt sich Frankreich auf seine katholische Tradition.
Der nächste politische Sargnagel für Merkel. Das konservative Lager der patriotischen Franzosen ist mit Le Pen und jetzt François Fillon so stark, dass die Wahl in Frankreich nächstes Jahr zum Desaster für die Merkel Regierung wird. Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte bleiben Sie sachlich.