
Das Thema Aids wird in China immer noch fast ausschließlich mit Homosexualität verbunden – und ist deswegen kaum Teil der sexuellen Aufklärung an Schulen und Universitäten.
Bei jungen Frauen führe die mangelnde sexuelle Aufklärung zu einem weiteren Problem, erklärt WHO-Vertreter Schwartländer: „Es gibt rund 13 Millionen Abtreibungen pro Jahr in China.“ Jede fünfte sexuell aktive junge Frau in China unterzieht sich der Prozedur mindestens einmal in ihrem Leben.
Mindestens ein Drittel der Chinesen benutzt zudem nach WHO-Angaben beim ersten Sex keine Verhütungsmittel. „Da sie die richtigen Informationen aber nicht bekommen, können sie gar nicht verantwortungsbewusst handeln“, sagt Schwartländer.
Laut dem Hersteller Gilead Sciences ist Truvada seit 2005 für die Therapie bereits Infizierter zugelassen. In Kombination mit anderen HIV-Medikamenten unterdrückt es die Vermehrung des Virus und gehört zu den am häufigsten verwendeten Medikamenten zur Behandlung einer HIV-Infektion. Mit der aktuellen Zulassung wird der Anwendungsbereich des Mittels auf Gesunde mit hohem Ansteckungsrisiko ausgeweitet. Fachleute sprechen von einer Prä-Expositionsprophylaxe, kurz PrEP.
Es enthält zwei Wirkstoffe, die die Virusvermehrung in den Zellen hemmen. So kann ein Einnisten des HI-Virus und damit eine Infektion verhindert werden – vorausgesetzt, die Tabletten werden regelmäßig einmal täglich eingenommen. Einer Studie zufolge wird dann eine Schutzwirkung von 86 Prozent erreicht.
Nein, es wird nur auf Rezept abgegeben. Experten sehen die PrEP als weiteren Vorsorge-Baustein insbesondere bei Männern, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben, dabei aber nicht konsequent Kondome benutzen können oder wollen.
Das ist noch unklar, da der Zulassungsinhaber die Auflage bekommen hat, Schulungsmaterialien für Ärzte und Anwender bereitzustellen. Diese müssen in Deutschland mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) abgestimmt werden. Vorschläge für die Materialien liegen bereits vor, wie ein BfArM-Sprecher mitteilte. Die Bearbeitungszeit dauere vier Wochen und verlängere sich, falls nachgebessert werden muss.
Wohl die Interessenten selbst. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Prävention nicht, wie ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes mitteilte. Die Deutsche Aids-Hilfe forderte den Hersteller bereits zu einer Preissenkung auf, um das Mittel der Risikogruppe auch zugänglich zu machen.
Doch. Bereits heute lassen sich manche aus dem Ausland ein indisches Generikum mitbringen, das monatlich etwa 60 Euro kostet. Auf solche Wege drohen Interessenten auszuweichen, falls keine Lösung für die Kosten gefunden wird, fürchten Experten. Die Gefahr: Sie werden nicht zur Einnahme und weiterer Vorbeugung beraten und fallen womöglich aus dem medizinischen Monitoring heraus, das eigentlich zur Prophylaxe gehört.
Das Medikament kann zwar vor HIV schützen, nicht aber vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. Insofern raten Experten weiter zur Kondombenutzung. Wer Truvada vorbeugend nimmt, müsste ohnehin regelmäßig zum Arzt gehen: Mindestens alle drei Monate sollte auf sexuell übertragbare Erkrankungen und HIV getestet werden.
Bei der vorbeugenden Einnahme haben Mediziner kaum Bedenken. Denn die Zielgruppe besteht vor allem aus jungen, gesunden Männern, die für eine bestimmte Zeit darauf zurückgreifen. Zu Beginn der Einnahme können etwa vorübergehend Magen-Darm-Probleme, Übelkeit und Müdigkeit auftreten. Bei langer Einnahmedauer kann sich die Nierenfunktion verschlechtern und die Knochendichte verringern.
In den Elternhäusern werde das Thema Sex so gut wie nie angesprochen. Und an öffentlichen Schulen gebe es so gut wie gar keinen Aufklärungsunterricht, sagt Xiong Jing, Direktorin vom Women's Media Monitor Network, das sich in China für geschlechtliche Gleichberechtigung in den Medien einsetzt. „Die Lehrer haben vielleicht Bedenken, dass ihre Schüler zu früh Sex haben, wenn sie mit ihnen darüber sprechen.“
Dabei gebe es vor allem im Internet jede Menge Informationen über Sex – nur eben nicht immer die richtigen oder besten, sagt Jing. So kursieren in chinesischen sozialen Netzwerken immer wieder Gerüchte, die Anti-Baby-Pille wirke nicht wirklich oder beeinflusse die Gesundheit negativ.
Jing fordert, dass Aufklärung ein Bestandteil des Schulunterrichts wird. Denn vor allem männliche Schüler würden in China mit diesem Thema fast gar nicht in Berührung kommen.