
Diskussionen beim zweiten Hackathon der Verlagsgruppe Handelsblatt: Wie können Verlage online Leser gewinnen und halten?
DüsseldorfMitten im Vortrag stockt Paul Düsberg. Eigentlich wollte er gerade erklären, wie er Nutzer überzeugen möchte, für journalistische Inhalte im Internet zu bezahlen. „Wo ist denn die zweite Belohnung?“, fragt er irritiert und schaut sich um. Etwas verschämt legt der junge Mann neben ihm das süße Teilchen zurück: „Ich wusste nicht, dass du das für den Pitch brauchst“, sagt er. Lachen hallt durch den Konferenzraum.
Konzentriertes, intensives Arbeiten traf beim zweiten „Hackathon“ von Handelsblatt und Wirtschaftswoche auf eine entspannte Atmosphäre. Unter dem Motto „Redesign the Paid Experience“ feilten mehr als 40 Journalisten, Programmierer, Marketing-Experten, Designer, Entwickler und Datenspezialisten eineinhalb Tage im Düsseldorfer Verlagsgebäude an sechs Ideen. Diese bunt gemischte Gruppe sollte Konzepte entwickeln, wie Verlage mit ihrem Angebot in der digitalen Welt künftig Geld verdienen können – eine Herausforderung für die gesamte Branche.
Die Idee der Hackathons entstand um die Jahrtausendwende in den USA, organisiert von Universitäten und Unternehmen. Beim namensgebenden „Hacken“ geht es nicht um Cyberkriminalität, sondern darum, sich einem Problem mit kreativen Lösungen zu nähern. Oft ist ein Oberthema vorgegeben.
Die Veranstaltungen dauern in der Regel mehrere Tage. Von den Teilnehmern ist daher Stehvermögen wie bei einem Marathon gefragt.
36 Stunden hatten die Teilnehmer Zeit, um gemeinsam kreativ zu sein und am Ende mit ihrer Idee die Jury zu überzeugen – am besten gleich mit einem fertigen Prototypen.
Das Ziel der ungewöhnlichen Ideenfindung in der Verlagsgruppe Handelsblatt beschrieb Sarah Glate, Managerin bei Mitveranstalter Google, den Teilnehmern so: „Der Fisch sieht manchmal das Wasser nicht. Ihr seid hier, um Turbulenzen in das Wasser zu bringen, damit man das Wasser sieht und auch fühlt.“ Dass es nicht einfach ist, aus dem angestammten Geschäft heraus neue Ideen zu entwickeln, das wissen nicht nur Verlage. Viele Unternehmen stehen vor der gleichen Herausforderung: die digitale Welt braucht neue Lösungen – und der Weg dahin ist manchmal unkonventionell.
Für Verlage heißt die Lösung „Paid Content“, wie Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart bei der Begrüßung sagte. Sprich Bezahlinhalt. Das heißt, journalistische Angebote sollen nicht mehr verschenkt, sondern kostenpflichtig werden. Die Vorreiter in diesem Bereich kommen aus dem angelsächsischen Raum. „In Deutschland sind wir drei, vier, fünf Jahre hinterher“, so Steingart. „Aber wir wollen dahin, wo die Angelsachsen auch sind. Dem dient dieser Hackathon.“
Als sich alle nach sechs Stunden zum ersten Mal untereinander ihre Ideen vorstellten, bot sich jedoch zunächst ein für einen Hackathon ungewöhnliches Bild: Kabelsalat und Computer-Nerds, die auf ihre Laptops starren, suchte man vergebens. Statt virtuell ging es erst einmal handfest zu: Die Teilnehmer schrieben ihre Einfälle auf Whiteboards oder versuchten, ihre Ideen mit Lego oder Knete zu visualisieren. Paul Düsberg hatte bei seiner Präsentation eben zwei süße Teilchen zur Hand, um sein Anreizsystem für Paid Content zu erklären.
Düsberg hat gerade ein duales Studium beim Discounter Aldi beendet. Jetzt hat er etwas freie Zeit und sich für den Hackathon der Verlagsgruppe Handelsblatt angemeldet. „Ich wollte schon immer bei so was mitmachen“, erzählt er. Mit seinen Mitstreitern im Team „Newsfittery“ will er die Informationen aus vielen – teilweise nur selten vom Leser genutzten – Apps auf einer Plattform zusammenführen.
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