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Ina Karabasz vom Handelsblatt im Gespräch mit den McKinsey-Partnern Niko Mohr und Stefan Biesdorf (rechts).
(Foto: McKinsey)

Spark-Webinar „Medical Life Tech“ „Wir haben eine 42-Milliarden-Euro-Chance“

Welche Perspektiven bietet die Digitalisierung des Gesundheitswesens - und wie können Start-ups dabei helfen? Darüber diskutierte eine Expertenrunde zum Auftakt von „The Spark – Der deutsche Digitalpreis“.
22.04.2022 - 15:25 Uhr Kommentieren

Den medizinischen Fortschritt, der sich seit der Schwelle zum 20. Jahrhundert vollzogen hat, umreißt Stefan Biesdorf, Partner bei McKinsey, mit prägnanten Zahlen: Waren im Jahr 1900 noch 37 Prozent der krankheitsbedingten Todesfälle weltweit auf akute, also plötzlich eintretende und rasch verlaufende Erkrankungen zurückzuführen, waren es 2013 lediglich noch sieben Prozent. Zugleich stieg der Anteil der Todesfälle, die auf chronische Erkrankungen wie Diabetes zurückgehen, von sechs auf 66 Prozent.

Ein Beleg dafür, dass akute Erkrankungen heute wesentlich besser heilbar oder jedenfalls so behandelbar sind, dass sie in chronische Krankheitsbilder übergehen, mit denen Patienten Jahre oder gar Jahrzehnte leben können. Für diese Verschiebung der Krankheitslast von akuten zu chronischen Leiden jedoch sieht Biesdorf die Länder der Europäischen Union schlecht aufgestellt.

Denn das meiste Geld werde derzeit für Krankenhäuser ausgegeben, die vor allem für die Behandlung akuter Krankheitsbilder gut geeignet seien. „Für Prävention und die virtuelle Versorgung von Patienten über Apps und Telemedizin geben wir dagegen relativ wenig Geld aus – dabei eignen sich diese Mittel besonders gut für die Behandlung chronischer Erkrankungen“, argumentiert Biesdorf.

Medizinischer Fortschritt durch Digitalisierung könne aber nicht nur helfen, das Leid von Patienten zu mildern – die Entwicklung digitaler Lösungen im Medizin- und Gesundheitsbereich stelle auch ein vielversprechendes Geschäftsfeld für Unternehmensgründer dar. Und nicht zuletzt habe die Digitalisierung das Potenzial, die Kosten im Gesundheitswesen drastisch zu senken. „Wir haben hier eine 42-Milliarden-Euro-Chance“, sagt der Experte – auf diese Summe beziffert eine aktuelle McKinsey-Analyse mögliche Einsparungen.

Gesundheitsmarkt stark von staatlichen Regeln abhängig

Um solche Digitalisierungs-Chancen im Gesundheitswesen dreht sich das Webinar „Be inspired about Medical Life Tech“, an dem Biesdorf als einer von acht Expert:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Start-up-Szene und Politik teilnimmt. Die Kenner der Materie haben sich zum Auftakt der diesjährigen Ausgabe von „The Spark – der Deutsche Digitalpreis“ unter der Moderation von Ina Karabasz vom Handelsblatt sowie Niko Mohr von McKinsey zum virtuellen Fachgespräch versammelt.

Im Rahmen des Spark-Awards prämieren Handelsblatt und McKinsey jährlich gemeinsam innovative Start-up-Ideen. Dieses Mal im Fokus: junge Unternehmen aus dem Bereich Medical Life Tech, die sich der Transformation der Gesundheits- und Medizinbranche verschrieben haben. Die Bereiche Digital Health und E-Health sind dabei genauso relevant wie BioTech, Pharmaindustrie, Medizintechnik und medizinische Forschung.

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Der deutsche Gesundheitsmarkt sei eher träge, da er aufgrund der hohen Quote von über 90 Prozent gesetzlich versicherter Patienten stark von staatlicher Regulierung abhänge, skizziert Katharina Jünger, Gründerin der Telemedizin-App Teleclinic, die Ausgangslage für Gesundheits- und Medizin-Start-ups hierzulande. Immerhin: „Die Corona-Pandemie hat zu einer wachsenden Offenheit von Ärzten und Patienten gegenüber digitalen Gesundheits-Services geführt“, konstatiert die Unternehmerin, die im vergangenen Jahr den Female-Founder-Award im Rahmen von „The Spark“ erhielt.

Trotz solcher Offenheit werde gute Grundlagenforschung hierzulande noch viel zu selten in erfolgreiche Geschäftsmodelle überführt, so die Kritik von McKinsey-Partner Niko Mohr. Dabei sei eine funktionierende Lösung theoretisch auf die ganze Welt übertragbar, schwärmt Otto Birnbaum, Gründer des Venture-Capital-Fonds Revent, vom enormen Potenzial gerade der Medizin- und Gesundheits-Start-ups. „Denn der menschliche Körper funktioniert im Grunde überall gleich.“

Start-up-Beauftragte will Zugang zu Kapital erleichtern

Cyriac Roeding, Mitgründer des US-Unternehmens Earli zur frühen Erkennung und Behandlung von Krebs, sieht bei der Entwicklung des Venture-Capital-Ökosystems in Deutschland einen gewaltigen Schritt nach vorne – wenn die Wagniskapitalgeber für seinen Geschmack auch noch immer etwas zu risikoscheu agieren. An Vorbildern mangele es angehenden Gründern jedenfalls nicht: „Wir haben mit Unternehmen wie Teleclinic und Biontech tolle Medizinfirmen in Deutschland“, betont Roeding. Hier gelte es, anzuknüpfen. Die Gründer wie auch der deutsche Staat seien aufgerufen, die Innovationsfähigkeit des Standortes zu beweisen.

Die Expert:innen
Dr. Stefan Biesdorf ist Partner im Münchner Büro und Mitglied des Digital Office von McKinsey & Company.
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Er berät Klienten aus dem Gesundheitswesen zu IT- und Technologiethemen und leitet die europäische Healthcare Informatics Practice sowie die Digital Pharma & MedTech Group von McKinsey. Biesdorf ist Autor mehrerer Publikationen und hält regelmäßig Vorträge zum Thema digitale Gesundheit. Er hat ein Diplom in Physik von der Universität München und ist promovierter Neurowissenschaftler.

(Foto: McKinsey)
Dr. Anna Christmann ist Beauftragte für digitale Wirtschaft und Start-ups beim Wirtschaftsministerium.
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Sie ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2013 bis 2017 war sie Büroleiterin der Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg und als Grundsatzreferentin im Ministerium tätig. Davor arbeitete Christmann als Wissenschaftlerin in verschiedenen Frauennetzwerken und Mentoringprogrammen sowie am Zentrum für Demokratie der Universität Zürich.

(Foto: Deutscher Bundestag/ Inga Haar)
Thomas Grübler ist Mitgründer und CEO des Luft- und Raumfahrtunternehmens OroraTech.
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Er studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität München, war Teil zweier universitärer Raumfahrt-Forschungsprogramme und erhielt das Entrepreneurship Stipendium Manage&More des Gründungszentrums UnternehmerTUM.

(Foto: OroraTech)
Katharina Jünger gründete Teleclinic, den deutschen Marktführer im Bereich der Telemedizin.
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Die studierte Juristin erhielt im vergangenen Jahr im Rahmen des Spark-Awards den Female Founder Award von Handelsblatt und der Unternehmensberatung McKinsey & Company.

(Foto: Teleclinic)
Otto Birnbaum ist Mitgründer des Wagniskapitalfonds Revent, der in Impact-Startups investiert.
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Zuvor war er unter anderem für den Risikokapitalgeber Partech und den Kochbox-Versender HelloFresh tätig.

(Foto: Revent)
Cyriac Roeding ist ein deutsch-amerikanischer Unternehmer und Business Angel aus dem Silicon Valley.
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Er ist Mitbegründer und CEO von Earli, einem Unternehmen zur Früherkennung und Behandlung von Krebs mit Sitz in South San Francisco. Roeding ist außerdem Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender von Rewind Co, einem Unternehmen zur Umkehrung von Typ-2-Diabetes.

(Foto:  privat)
Stefan Vilsmeier ist Vorstandsvorsitzender des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab.
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Als Autodidakt in Software-Programmierung verfasste er bereits mit 17 Jahren ein Buch über 3D-Grafik und investierte den Erlös in die Unternehmensgründung. Heute ist softwaregestützte Medizintechnik von Brainlab in über 5.800 Krankenhäusern weltweit im Einsatz.

(Foto: Brainlab AG)

Anna Christmann nimmt die Herausforderung an. Die Beauftragte für digitale Wirtschaft und Start-ups beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will vor allem den Zugang zu Kapital weiter erleichtern. Sie verweist auf gerade anlaufende Initiativen wie den Deep-Tech-Future-Fonds, der Tech-Start-ups mit einer Kombination aus staatlichen Mitteln und Geld privater Investoren zum Fliegen bringen soll. In den kommenden zehn Jahren stehen ihm dafür Mittel von 1 Milliarde Euro zur Verfügung.

Doch gehe es nicht allein um die Seed-Finanzierung, erläutert Stefan Vilsmeier, Gründer des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab. „Die Herausforderung besteht heute vor allem darin, zu einem späteren Zeitpunkt Geld für die weitere Skalierung zu mobilisieren – hier sind US-Fonds stark und picken sich auch in Europa die Rosinen unter den jungen Unternehmen heraus“, so seine Beobachtung.

Regeln zum Schutz von Daten erschweren ihre Analyse

Vilsmeier, dessen Unternehmen auf computergestützte Datenanalyse setzt, um beispielsweise Strahlentherapien in der Krebsmedizin zu optimieren, ist überzeugt: „Die Medizin der Zukunft ist datengetrieben.“ Doch macht er hier zugleich eine weitere Herausforderung aus: Die Aufsicht über den Datenschutz sei in Deutschland und Europa sehr fragmentiert, die Nutzung von Daten damit unnötig erschwert.

Christmann stimmt zu: „Wir müssen hier dringend aufholen. Es ist sehr schade, dass viele Med-Tech-Start-ups mit Daten aus anderen Ländern arbeiten.“ Um die Datennutzung zu vereinfachen, sei etwa bei der elektronischen Patientenakte die im Koalitionsvertrag vorgesehene Umwandlung von einer Opt-in- in eine Opt-out-Lösung hilfreich. Soll heißen: Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, erhält eine solche digitale Akte mit seinen Gesundheitsdaten. Christmann: „Wir wollen im Gesundheitsbereich mehr Daten zur Verfügung stellen.“

Ein Bekenntnis, dass Vilsmeier gerne hört. Er lobt das deutsche Gesundheitssystem für Innovationen wie die seit kurzem mögliche Verordnung von Smartphone-Anwendungen auf Rezept, die Entwicklern von Gesundheits-Apps einen neuen Weg des Markteintritts eröffnet. „Eine Lösung, die international viel beachtet wird“, so Vilsmeier. Und ein Erfolg, der seiner Meinung nach unbedingt ausgebaut werden muss: „Wenn uns die Digitalisierung unseres Gesundheitswesens gelingt, tun sich enorme Chancen auf.“

Weitere Informationen über "The Spark – Der Deutsche Digitalpreis“ finden Sie hier.