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Net Zero
(Foto: Adobe Stock)

Kohlendioxid-Emissionen Der goldene Weg zur schwarzen Null

Net Zero – eine Wirtschaft, deren Ausstoß von CO2 auf Null reduziert wird, ist das von der EU beschlossene Ziel. Technologie ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer Gesellschaft und Wirtschaft die klimaneutral sind. Wie das gehen kann, zeigt eine Studie.
15.04.2021 - 16:56 Uhr Kommentieren

Unterm Strich muss eine Null stehen. 2050, so hat die Europäische Union 2019 beschlossen, soll Europa klimaneutral sein, um die Erderwärmung nicht weiter anzutreiben. Etappenziel ist eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu dem Niveau von 1990, wie das Europaparlament mit Vertretern der EU-Staaten Ende April endgültig beschloss. Ein Ziel, das Kritikern der Beschlüsse zwar nicht weit genug geht, aber dennoch zu den ehrgeizigsten der Welt zählt.

Über den Weg dorthin wird intensiv und leidenschaftlich debattiert. Die Umbrüche in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind gravierend. Welche Schritte möglich und nötig sind, zeigt eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey, das dafür in zehn geographischen Regionen 75 Sektoren und 600 Initiativen zur Senkung des CO2-Ausstoßes untersucht hat: Möglich, so das Fazit der Autoren, sei das. „Der Technologieausbau kann Arbeitsplätze schaffen, die Unterstützung von Forschung und Entwicklung kann in Europa Technologieführer hervorbringen, heimische Industrien stärken und neue Exportchancen schaffen“, sagt Hauke Engel, Partner bei McKinsey in Frankfurt und einer der drei Hauptautoren der Studie „Net-Zero Europe – Decarbonization pathways and socioeconomic implications“, die über mehrere Monate erstellt wurde.

Für den Weg zu einem klimaneutralen Europa ist eine Kombination aus bereits existierenden Technologien und solchen, die erst noch entwickelt werden müssten, nötig. Einen großen Schritt könnten die Staaten bereits mit kohlenstoffarmen Technologien erreichen, die bereits heute verbreitet zum Einsatz kommen. Dazu zählen Offshore- und Onshore-Windkraft, Solar PV-Systeme, Fernwärme und Wärmepumpen, die allein bereits mehr als die Hälfte der Senkung der CO2-Emissionen bis 2030 bewirken können. Ein weiteres Drittel könne der Ausbau der Elektromobilität und die intensivere Nutzung von Solarthermie beisteuern. Letztere seien zwar technisch bereits recht ausgereift, ihnen fehle es aber noch an der nötigen Verbreitung, um ihren möglichen Beitrag zu leisten.

Neue Technologien sind essentiell beim Erreichen der Klimaziele

Bis 2030 könnten die verbleibenden zehn Prozent an Senkung hauptsächlich aus Technologien stammen, die zwar in Pilotprojekten bereits erfolgreich erprobt wurden, denen bisher aber noch die kommerziellen Einsätze fehlen.

Aber diesen Technologien, wie bspw. die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger, die Abscheidung von Kohlenstoff und dessen Speicherung, weist die Studie eine entscheidende Rolle zu, falls nicht nur die bis zum Jahr 2030 angepeilten Ziele erreicht werden sollen, sondern auch die bis 2050. Das gelte ebenso für Technologien im Entwicklungsstadien wie unter anderem für elektrische Hochöfen. In der Entwicklung neuer Technologien liegt damit auch ein weites Feld für Start-ups, die keine bestehenden Geschäftsmodelle umkrempeln müssen, sondern mit innovativen Lösungen den sich entwickelnden Markt für grünes Wachstum erobern können.

Ein Ziel, unterschiedliche Strategien

Die digitalen Lösungen können entscheidend dazu beitragen, das Ziel zur Klimaneutralität schneller zu erreichen. Das beginnt bei der Analyse der CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette, die gemessen und nachverfolgt werden können. Mit Advanced Analytics könnten laut McKinsey Offshore Windräder produktiver und kostengünstiger hergestellt und betrieben werden und so die Kosten für die gewonnene Energie senken. Konzerne wie Basf verknüpfen bereits Digitalisierung und Nachhaltigkeit, indem transparente Emissionsdaten für fast jedes einzelne der rund 45.000 Produkte aus dem Gesamtportfolio angegeben werden. SAP verfügt mit Blockchain-basierter Technologie über die Möglichkeit, Carbon Tracking innerhalb der Lieferketten für viele Anwenderunternehmen zum Standard zu machen.

Investoren fordern Bemühungen um Klimaneutralität

An einem lassen die Autoren keinen Zweifel: Es wird kein Spaziergang für Unternehmen und Politik. Den CEOs obliegt es, die Auswirkungen der Klimaziele auf ihre Geschäftsmodelle zu bewerten und entsprechend zu behandeln. „Es ist nicht leicht, das bestehende Geschäftsmodell am Laufen zu halten, während gleichzeitig ein neues entwickelt werden muss“, schreiben die Autoren. Für wenige Unternehmen, so ihre Empfehlungen, sei eine Fortsetzung des bestehenden Kurses aus vielen Gründen keine Alternative. Der Druck käme einerseits von Investoren, die ihr Engagement in Unternehmen abbauen, die sich der Erfordernis zur Senkung von Kohlendioxidemissionen nicht anpassten. Veränderte Regularien seitens der Politik können weitere Anpassungen erfordern. Am Ende könnten die Kosten für Unternehmen höher sein, falls sie Investitionen in den Umbau meiden. Unternehmen mit einer schlechten Nachhaltigkeitsbewertung werden mit höheren Kapitalkosten umgehen müssen.

Zusammengerechnet beziffern die Autoren die notwendigen jährlichen Investitionen auf fast eine Billion Euro, um dem Klimaziel gerecht zu werden. Doch Investitionen bedeutet hier nicht automatisch späterer Profit. Im Gegenteil – lediglich die Hälfte der nötigen Investitionen für einen Net-Zero-Pfad würden im derzeitigen Umfeld einen Gewinn erwirtschaften, allerdings bestehenden Wertschöpfung sichern. Für den Fall, dass trotz der entstehenden Geschäftsmodelle Lücken in der Finanzierung entstünden, könnte staatliche Unterstützung von rund fünf Billionen Euro bis 2050 nötig sein.

Die Nationen Europas würden sich im Gegenzug für den nötigen Rückzug von fossilen Brennstoffen weitgehend unabhängig machen in der Energieerzeugung. „Die ökonomische Logik: In dem Maße, wie Unternehmen Produktionssysteme für diese ausgereiften kohlenstoffarmen Technologien im industriellen Maßstab entwickeln, werden ihre Kosten sinken. Die aktuell historisch niedrigen Kapitalkosten sind für Unternehmen eine einmalige Gelegenheit, in die Erweiterung der Produktionskapazität zu investieren“, sagt Hauke Engel.

Ein Ziel, unterschiedliche Strategien

Auch wenn Europa gemeinsam handeln müsste, sind die Voraussetzungen und damit die nötigen Konsequenzen von Land zu Land unterschiedlich. Einige Länder wären als Logistikhubs schlechter geeignet, um rasch den CO2-Ausstoß zu senken, andere Länder haben dank Wirtschaftswachstums ihren Ausstoß seit 1990 drastisch erhöht und müssten deswegen umso stärker aufholen.

Fünf Sektoren beschreibt die Studie, die unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Weg zu Net-Zero hätten: Schlusslicht bildet die Schwerindustrie, die nicht nur spät den CO2-Ausstoß senken würden, sondern dabei auch am stärksten von hohen Kosten betroffen wäre. Am schnellsten wäre das Net-Zero-Ziel bei der Energieerzeugung in Europa machbar. Trotz einer Verdopplung des Strombedarfs wegen des Wegfalls fossiler Brennstoffe, würde bereits Mitte 2040 Klimaneutralität erreicht werden, wenn die nötigen Technologien inklusive Speicherung regenerativer Energien skalierbar wären.

Beim Transport wird der Wechsel vom Verbrennungsmotor zu elektrischen Antrieben und der Ausbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur das Klimaziel ermöglichen. Die Autoren rechnen jedoch mit mindestens weiteren zehn Jahren, um die Lieferketten für elektrische Fahrzeuge so aufzustellen, dass ausschließlich elektrisch betriebene Fahrzeuge verkauft werden können. Agrarwirtschaft und Gebäude sind die beiden verbleibenden Sektoren, letztere kann beim Umbau weitestgehend auf vorhandene Technik setzen.

Der Weg zur Erreichung der Klimaziele in Europa bedeutet gravierende Einschnitte, die die Wirtschaft massiv verändern. Dennoch sind die Autoren der Studie „Net-Zero Europe“ überzeugt, dass es einen weitgehend kostenneutralen Weg gibt, der massive Ungerechtigkeiten für verschiedene Gruppen verhindert.