ANZEIGE
Sämtliche Inhalte auf dieser Seite sind ein Angebot von McKinsey. Für den Inhalt ist nicht das Handelsblatt verantwortlich.
Champs-Elysées in Paris

Städte in der ganzen Welt geben im Zuge der Corona-Krise Fußgängern und Radfahrern mehr Platz. Dann könnte es öfter aussehen wie hier an einem der seit 2015 jährlichen Car-Free-Days in Paris.

(Foto: Adobe Stock)

Was kommt nach Covid-19? Der beschleunigte Wandel der Mobilität

Während sich die Folgen der Pandemie zeigen, müssen sich die Akteure in Transport und Mobilität auf eine neue Welt einstellen – mit unbekannten Herausforderungen.
22.05.2020 - 10:07 Uhr Kommentieren

Der Wandel kam schneller und umfassender als es die Verkehrsplaner je ahnten. „Velorution“, so nennen die Brüsseler Bürger das, was seit dem 11. Mai für drei Monate in der belgischen Hauptstadt umgesetzt wird, wenn die Ausgangsbeschränkungen wegen des Coronavirus gelockert werden. Dann sollen im sogenannten inneren Ring die Straßen für Fußgänger frei gegeben werden und Autos dürfen mit maximal 20 Stundenkilometer entlangrollen.

Das geschieht auch, damit sich Passanten mit ausreichend Abstand bewegen können. Brüssel ist nicht allein. Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg existieren inzwischen 18 temporäre Spielstraßen, um Kindern mehr Raum zu geben. In Bogota wurden 76 Kilometer an neuen Radwegen ausgewiesen, New York City schließt Straßen ebenso wie das kalifornische Oakland, in dem 10 Prozent der Straßen für Autos gesperrt wurden. Für den Moment sieht die Welt vielerorts schlagartig anders aus und mit ihr die Mobilität.

Aber bleibt das so? Timo Möllers Antwort darauf ist ein differenziertes Jein mit zahlreichen Details. Möller ist Leiter des Centers for Future Mobility (MCFM) bei der Unternehmensberatung McKinsey. Autonomes Fahren, Elektrifizierung, Shared Mobility, Vernetzung, das sind die Themen, die das MCFM beleuchtet und die Konsequenzen für die Industrie beschreibt – und die weitere Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 und die weltweiten Folgen der Einschränkungen des öffentlichen Lebens betreffen für jeden sichtbar die Mobilität.

Dennoch warnt Möller davor, plakativ von einer neuen Mobilität zu sprechen, die mit der jetzigen und der einst erwarteten wenig bis gar nichts zu tun hat. „Wir müssen genau trennen zwischen dem, was in den kommenden zwölf bis 18 Monaten geschieht und was in der Phase bis 2030 passiert“, sagt Möller, der zusammen mit Partnern und Experten von McKinsey die Mobilität der Zukunft nach der Pandemie in dem Report „Wie verändert Covid-19 die Mobilität?“ ausführlich beschrieben hat.

Die Parameter, die es zu berücksichtigen gilt, sind mannigfaltig. Sie verändern sich in einem noch höheren Tempo als bereits zuvor. Und sie unterliegen einer politischen wie gesellschaftlichen Entwicklung, die Einzellösungen von Regionen und Nationen hervorbringen. „Wir lernen jeden Tag in dieser Pandemie dazu. Aber einige Entwicklungen verfestigen sich und es wird klarer, welche Faktoren entscheidend sind.“, sagt Möller. Klar ist: Die Folgen der Pandemie und ihrer Eindämmung werden einen langanhaltenden Effekt auf die Mobilität haben, da sie das Verhalten der Konsumenten, staatliche Regularien oder Technologien verändern werden.

Harte Einschnitte und Rückgänge

Wie in vorigen Krisen werden sich Menschen in Erwartung von rückläufigen Einkünften bei Ausgaben zurückhalten. Sie werden Investitionen in ein neues Auto in eine – ungewisse – Zukunft verschieben. Der Berechnung der Autoren der Studie von McKinsey zufolge könnten die Ausgaben der Privathaushalte weltweit zwischen 40 und 50 Prozent zurückgehen. Das entspräche einem Rückgang des globalen Bruttosozialprodukts um rund 10 Prozent – mit einer Kettenreaktion an Umsatzrückgängen in zweiter und dritter Reihe.

In der Mobilität ist der offensichtlichste und zeitnahe Effekt ein Rückgang der Verkaufszahlen für PKW. Mindestens 7,5 Millionen Fahrzeuge werden, so die Berechnung der Autoren, im Jahr 2020 weniger produziert. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Krise waren 90 Prozent der Produktionsstätten in China, Europa und Nordamerika stillgelegt. „Das ist der Stand, den wir heute kennen“, sagt Möller. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich im Falle einer Verschärfung der Infektionsrate und erneuten schlagartigen Verbreitung des Virus erneut zu massiven Beeinträchtigungen für die Automobilindustrie komme.

Es sieht wenig besser aus im öffentlichen Nahverkehr und den Transportunternehmen. Die Nutzung ist in großen Städten weltweit zwischen 70 und 90 Prozent zurückgegangen. Die Anbieter müssen sich mit neuen Anforderungen an Hygeniestandards auseinandersetzen, die die Kapazitäten beeinträchtigen.

Einige Start-ups in der Mobilitäts-Branche haben von Regierungen Unterstützungen erhalten, aber eine dünne Kapitaldecke wird ihren Preis fordern. „Gerade im Bereich Shared Mobility wird sich die lang erwartete Konsolidierung beschleunigen“, sagt Möller.

Mobilität wird zum Flickenteppich
Seite 12Alles auf einer Seite anzeigen