THE MISSION CONSTRUCTION - Roobeo „Handwerker beschäftigen sich meist erst mit Nachhaltigkeit, wenn die Auftraggeber das verlangen.“

Gründer von Roobeo
Michél-Philipp Maruhn hat in den vergangenen 14 Jahren verschiedene Unternehmen gegründet. Der frühere Leistungssportler (Triathlon) startete im Fitness-Bereich und wechselte vor zehn Jahren in die Bau- und Immobilienbranche.
Nachdem er sein erstes Bau-Startup, ein Bau- und Planungsunternehmen für die Region Berlin-Brandenburg, verkauft hat, entwickelte er vor vier Jahren in Berlin die Einkaufsplattform Roobeo.
In seinem Podcast „Digitalwerk” beschäftigt er sich mit der Transformation und Digitalisierung in der Bau-, Handwerks- und Immobilienbranche.
Der Podcast von Maruhn

Michél-Philipp Maruhn, bei der Digitalisierung hinkt die Baubranche anderen Branchen hinter her. Der Bau plant eher kleinteilig. Bisher gibt es zwar schon viele Architekten, die den digitalen Zwilling BIM benutzen, aber noch relativ wenig Handwerker. Was behindert die Digitalisierung nach Ihrer Einschätzung?
Zwischen dem Stand der Digitalisierung eines Handwerksbetrieb und eines Architektur- oder Planungsbüro klafft im Bau eine gewaltige Lücke.
Der Handwerksbetrieb schreibt teilweise seine Rechnungen nach wie vor in ein Word-Dokument, wandelt sie in eine PDF um und verschickt sie.
Bis dieser Betrieb an Building Information Modeling (BIM) denken kann, muss der gesamte Bau erst einmal einen anderen ersten Schritt machen: Die Hersteller der Baustoffe und –materialien müssen ihre Produkte digitalisieren und BIM-Modelle dafür entwickeln, auf die dann die nächste Stufe der Wertschöpfungskette ihre digitalen Zwillinge aufbauen kann.
Bei manchen Produkten funktioniert das bereits, aber die Handwerksbetriebe müssen dafür auch offen sein und Zeit haben.In der Regel haben bisher nur die größeren Handwerksbetriebe ausreichende Ressourcen, um sich mit dem Thema BIM auseinanderzusetzen.
Die gesamte Branche ist zudem seit einigen Jahren stark ausgelastet und hat kaum Zeit, sich in digitale Entwicklungen einzuarbeiten. Oft lassen sich Handwerksbetriebe erst auf BIM ein, wenn das für einen Auftrag erforderlich ist.
Das Startup Roobeo soll Bauunternehmen und Handwerksbetrieben bei der Materialbeschaffung helfen. Was ist denn das Geschäftsmodell dahinter?
Wir bringen drei Parteien auf einer Plattform zusammen. Das ist zum einen die Industrie, die ihre Produkte und Marken digital darstellen kann.
Das fängt an bei Sicherheits-Datenblättern und geht über Produktvideos bis zu digitalen Modellen. Der Großhandel hinterlegt dafür auf der Plattform seine Produkte und Konditionen. Die Verarbeiter schließlich reichen vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Bauunternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern.
Alle drei Gruppen verbindet der Fachkräftemangel, dem sie entgegenwirken müssen. Daher wollen Großhandel und Hersteller ihre Standardprodukte ohne Beratung direkt digital vermarkten. Und die Verarbeiter sollen möglichst schnell und einfach auswählen und bestellen.
Wir haben die Oberfläche für die Handwerker zusammen mit Handwerkern entwickelt, sie soll zum positiven Erlebnis werden. Alle Prozesse, die komplex erscheinen, versuchen wir durch Digitalisierung möglichst einfach darzustellen.
Schon heute vermarkten einige ihre Produkte online direkt an die Handwerksbetriebe. Zudem gibt es schon länger spezialisierte Online-Plattformen wie beispielsweise den Sanitäranbieter Reuters.de. Zudem regeln Großhändler die Logistik und Vermarktung für Handwerker. Wo war denn da noch ein Bedarf?
Unsere Plattform vertreibt selbst keine Produkte, sondern bietet die technische Infrastruktur, um alle Beteiligten zusammenzubringen, die auf unterschiedlichen Digitalisierungsstandards arbeiten. Auf unserer Plattform fließen alle Daten zusammen, die in den einzelnen Systemen der Hersteller und Händler vorrätig sind.
Die Oberfläche sieht immer gleich aus. Rund 2000 Handwerksunternehmen haben bisher einen Account erstellt und dabei selbst entschieden, von wem sie sich beliefern lassen wollen. Genau in dem Moment hinterlegen dann auch die Geschäftspartner, Großhändler oder Hersteller, für den jeweiligen Kunden die zuvor verhandelten Konditionen.
Jeder Handwerksbetrieb sieht dann seine Preise und nicht beispielsweise die günstigeren Preise eines Wettbewerbers, der mehr umsetzt.
Die Verarbeiter müssen beim Einkauf auf der Plattform nicht mehr wie zuvor jeden Lieferanten einzeln kontaktieren. Das lässt sich auf der Plattform einfach konfigurieren. Die dabei gesammelten Daten werten wir unterschiedlich aus und stellen sie den Beteiligten zur Verfügung.
Wie finanziert sich denn dieses Geschäftsmodell?
Da gibt es unterschiedliche Modelle. Die Handwerker können einen kostenfreien Tarif nutzen, um von allgemeingültigen Preisen und Sortimenten zu profitieren, dabei sind auch Grundfunktionen wie Mitarbeiter-Berechtigungen und Materiallisten je Baustelle enthalten.
Es gibt auch Bezahlmodelle, die für größere Unternehmen bis zu 500 Euro im Monat kosten. Dafür gibt es dann viele Auswertungen und die Möglichkeit der Hinterlegung der gewünschten Händler mit eigen verhandelten Preisen und Sortimenten.
Im Jahr 2021 haben viele Bauunternehmen erstmals erlebt, dass nicht alle Produkte lieferbar waren. Vor allem Bauholz, Stahlprodukte und Dämmstoffe waren zeitweise knapp und verteuerten sich. Wie hat sich das auf Ihre Plattform ausgewirkt?
Die Handwerker waren durch die Lieferengpässe so stark damit beschäftigt, wie sie an ihre Baustoffe und Materialien kommen, dass sie keine Zeit mehr hatten, über einfachere Prozesse nachzudenken.
Vor allem die kleinen Unternehmen dachten nur noch an den laufenden Betrieb. Daher war die Zeit nicht positiv für unser Wachstum.
Wie reagieren denn die Bauunternehmen nach den Daten Ihrer Plattform auf die Lieferengpässe? Bauen Sie bewährte Geschäftsbeziehung zu einigen verlässlichen Lieferanten stärker aus oder diversifizieren sie ihre Lieferliste stärker?
Bei einem gängigen Tarifmodell unserer Plattform können die Handwerker bestimmte Geschäftspartner besonders einbinden. Die Handwerksbetriebe definieren selbst auf welche Lieferanten sich das beschränken soll.
Der Trend ist klar: Vor den Lieferstörungen arbeiteten die Handwerker nach unseren Daten mit durchschnittlich zehn Lieferanten zusammen, heute sind es fünf.
Offenbar sind den Verarbeitern durch die Unsicherheiten wenige, aber qualifizierte Partnerschaften wichtig geworden, auf die sie in solchen Krisenzeiten gut zurückgreifen können.
Inwieweit bringt jetzt eine Plattform wie Roobeo die Digitalisierung des Baus voran?
Die Digitalisierung soll das Leben auf der Baustelle leichter machen. Wir bilden von der Bauwertschöpfungskette zwar nur einen Teil ab, aber einen elementaren: die Materialbeschaffung. Und helfen mit unserer digitalen Dienstleistung, den gesamten Bauprozess effizienter und digitaler zu gestalten. Das trägt dazu bei, dass die am Bau Beteiligten digitaler denken und ihre nächsten Digitalisierungsschritte einleiten.
Dabei hat sich gezeigt, dass Digitalisierung eine Managementaufgabe ist, egal ob Klein- oder Großunternehmen. Und da sollten auch Handwerksmeister den Mut haben, Innovationen auszuprobieren, vor allem wenn sie sich im Tagesgeschäft als nützlich erweisen.
Nach unserer Beobachtung fungieren dabei größere Bauunternehmen für Subunternehmen und kleinere Betriebe als Vorbild. Bis sich bei allen Handwerkern signifikant etwas ändert, wird es aber voraussichtlich noch drei bis fünf Jahre dauern.
Viele Hersteller beschäftigen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit. Die Bundesregierung plant ein Nachhaltigkeit-Siegel für den Bau, für Baumaterialien wird ein digitaler Herkunftspass erforderlich. Inwieweit kann eine Plattform dazu beitragen, dass die Bauunternehmen mehr über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte wissen und nachhaltige Kreisläufe unterstützen?
Die Bauunternehmer und Handwerker beschäftigen sich zumeist erst mit Nachhaltigkeit, wenn die Auftraggeber das verlangen.
Unsere Plattform versteht sich dabei auch als Wissensplattform. Und da ist die Klimaauswirkung eines nachhaltigen Dämmstoffs oder einer ökologischen Wandfarbe zwar geringer, als wenn die Bauherren gleich an die Kreisläufe ihrer Baustoffe denken und die Betonwerke an die Dekarbonisierung des Zements.
Aber das erfordert noch gigantische Investitionen. Und beim Thema Nachhaltigkeit sind gerade die öffentlichen Auftraggeber bisher eher Bremser, denn sie sind gehalten, immer nur den billigsten Anbieter und Technik zu nehmen.
Stichwort Kostensteigerung und Fachkräftemangel im Bau. Wird das nach Ihrer Einschätzung einen Schub für neue Bautechniken geben, wie Roboter, 3D-Druck oder Modul-Vorfertigung?
Für die Möglichkeiten des 3D-Drucks gibt es nicht erst seit gestern gute Beispiele und Projekte, die auch in den Medien omnipräsent sind. Die Roboter-Technik, die gerade das Ausbau-Gewerke unterstützt, wird beispielsweise vom Fraunhofer-Institut weiterentwickelt.
Große Räume und Flächen kann durchaus ein Roboter spritzen, dazu ist dann nur eine Person zur Einrichtung nötig. In der Automobilindustrie hat sich das deutlich schneller entwickelt, aber auch im Bau geht es los.
Es drängt auch. Denn es werden Jahr für Jahr weniger Handwerker ausgebildet, während gleichzeitig das Bauvolumen und die Zahl der Bauprojekte steigen.
Diese Lücke lässt sich durch Robotik und Prozessautomation schließen oder auch mit in der Fabrik vorgefertigten Modulen.
Die Industrie kann heute beispielsweise nicht nur fertige Badezimmer als Modul konfigurieren, die anschließend in Neubauprojekte eingebaut werden. Auch für Sanierungs-Objekte ist vieles im Umbruch.
Die Zukunft des Bauens geht nach ihrer Einschätzung also in die Richtung stärkerer Automatisierung, Digitalisierung und Robotik. Aber noch sieht die Realität auf den Baustellen anders aus. Wann sehen wir die Roboter auf den Baustellen?
In den kommenden fünf Jahren können wir da schon viele sehen, sie werden sich schrittweise durchsetzen und damit auch die Akzeptanz.
Die Industrie wird mit ihrer Robotiktechnik die Bauunternehmen und Handwerker nach und nach überzeugen. Wenn man sich den Produktivitätsfortschritt der Bauindustrie in den vergangenen 50 Jahren ansieht, dann war das nicht viel.
Ich glaube, die kommenden zehn Jahre werden so viel Innovationskraft mitbringen, wie die ganzen letzten 50 Jahre es nicht geschafft haben.
Hintergrundinformationen zu „The Mission“
Seit „The Mission“ im Jahr 2019 ins Leben gerufen wurde, sind bereits sieben Projektrunden gelaufen, knapp 150 Talente und mehr als 60 Unternehmenspartner waren beteiligt. Dabei sind 13 Startups entstanden, zudem Kollaborationen zwischen Unternehmenspartnern und weitere Ideen, die jeweiligen Branchen nachhaltiger zu machen.
„The Mission“ ist eine Initiative von Futury, der Deutschen Bank, Bain & Company, PreZero und der Handelsblatt Media Group.
Die konkrete Idee hinter „The Mission“: Startups in der Frühphase von Idee und Gründung (Early-Stage-Startups), unternehmerische Talente (Entrepreneurial Talents) sowie Gründer:innen und Gründungsinteressierte entwickeln in jeweils dreimonatigen Programmen nachhaltige Lösungen und Geschäftsmodelle für die Wirtschaftsbereiche „Construction“, „Waste“ und „Food“.
Dabei arbeiten sie Hand in Hand mit Unternehmenspaten aus dem jeweiligen Themenfeld, um alle Lösungen praxistauglich zu gestalten und in die konkrete Umsetzung zu überführen.
Aktuell läuft "The Mission: Construction". Gemeinsam mit Unternehmenspartnern entwickeln die sechs Teams dort entlang der Wertschöpfungskette des Bauwesens innovative Lösungen mit langfristiger positiver Wirkung, die die gesamte Branche disruptiveren.
Danach folgen für jeweils drei Monate "The Mission: Waste" und "The Mission: Food".