
Baustelle in Doha: Amnesty International kritisiert die Arbeitsbedingungen von ausländischen Arbeitern in Katar – nicht nur auf den Baustellen des Landes.
Köln Katar gerät acht Jahre vor der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 erneut wegen Menschenrechtsverletzungen ins Zwielicht. Die unabhängige Organisation Amnesty International dokumentierte in einer Studie über die Lage von Fremdarbeiterinnen im Emirat „schockierende Fälle von Zwangsarbeit, Gewalt und Betrug".
Die Behörden versagten "trotz der internationalen Aufmerksamkeit durch die bevorstehende WM" beim Schutz der Arbeiterinnen vor Ausbeutung, physischer und sexueller Gewalt, heißt es im Abschlussbericht "Schlaf ist meine Pause".
Viele Frauen seien mit falschen Versprechungen nach Katar gelockt worden, um dort zu Sieben-Tage-Wochen mit Arbeit fast rund um die Uhr gezwungen zu werden. "Sie sind Opfer eines diskriminierenden Systems, das sie schutzlos Ausbeutung und Missbrauch ausliefert, inklusive Zwangsarbeit und Menschenhandel", sagte Amnesty-Direktorin Audrey Gaughran.
In Katar arbeiteten etwa 84.000 ausländische Frauen, vor allem aus Asien. Amnesty befragte für die Studie Arbeiterinnen, die angaben, sie müssten ohne freien Tag bis zu 100 Stunden pro Woche arbeiten. Frauen seien geschlagen und Treppen heruntergestoßen worden, drei Arbeiterinnen berichteten von Vergewaltigungen.
Das Emirat an der Ostküste der arabischen Halbinsel am Persischen Golf wird als absolute Monarchie regiert. Der Staat liegt auf einer Halbinsel und grenzt im Süden an Saudi-Arabien. Das Staatsgebiet schließt einige Inseln ein.
Katars Hauptstadt ist mit 521 283 Einwohnern Doha. Die Stadt beherbergt den Internationalen Flughafen Doha, sowie wichtige Teile der Öl- und Fischereiindustrie. Mit der „Education City“ ist die Stadt ebenso ein attraktives Gebiet in Katar für Forschung und Bildung.
Das überwiegend flache Land ist von Salzsümpfen, Geröll- und Kieswüste geprägt. Das Grundwasser hat einen sehr hohen Salzgehalt, weshalb Trinkwasser in Meerwasserentsalzungs-Anlagen gewonnen wird.
Mit dem geringen Jahresniederschlag von unter 100 mm gehört Katar zu den trockensten Landschaften der Erde. Das Klima ist ganzjährig schwül, subtropisch und heiß. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 85 %. Im Sommer sind Temperaturen von 45 °C keine Seltenheit, im Winter sinken sie auf durchschnittlich 17 °C.
Die arabische Bevölkerung mit katarischer Staatsangehörigkeit beträgt nur rund 250.000 Menschen. Etwa 80 % der 1, 7 Millionen Einwohner Katars sind Migranten. Der sunnitische Islam ist Staatsreligion. Unter den Menschen mit Migrationshintergrund herrschen Schiiten vor. Zudem gibt es einen beträchtlichen Anteil an Hindus und 70.000 Christen in Katar. Die Amtssprache ist arabisch, Handelssprachen sind Persisch und Englisch.
In Doha sind sechs Stadien geplant, sechs weitere verteilen sich auf Städte in der näheren Umgebung. Damit die einzelnen Sportanlagen gut erreichbar sind, werden alle an das im Bau befindliche Stadtbahnsystem angeschlossen. Das Investitionsvolumen für die zwölf Spielstätten wird auf etwa 2,87 Milliarden bis 4 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Die Katarer Nationalmannschaft bestritt 1970 ihr erstes internationales Länderspiel während des Golfpokal-Turniers gegen Bahrain. Derzeit rangiert die Mannschaft auf der Fifa-Weltrangliste auf dem 96. Platz. An der letzten WM hat Katar nicht teilgenommen, ist nun aber als Gastgeber automatisch qualifiziert.
Die Kritik, das Land weise keine fußballerische Tradition vor, rechtfertigte die Fifa mit der Erklärung, man wolle neue Wege gehen.
Ein weiterer, eher praktischer Einwand gegen die Vergabe waren die hohen Temperaturen in dem Land. Aufgrund von fast 50 Grad Celsius im Sommer müssten die Stadien klimatisiert werden. Daraufhin regte Franz Beckenbauer eine Verlegung der Fußball-WM in den Winter an.
Eine weitere, viel grundsätzlichere Kritik ist, dass bei der Abstimmung des Fifa-Exekutivausschusses im Vorfeld schon Katar-Stimmen gekauft wurden.
Wegen der Hitze im Sommer überlegt die Fifa nun, die WM im Winter, also kurz vor Weihnachten auszurichten. Das würde den Spielplan der großen Ligen über den Haufen werfen.
Angesichts hartnäckiger Bestechungsvorwürfe und menschenunwürdiger Zustände auf Baustellen mit Verbindung zur WM 2022 kocht die Diskussion über einen Entzug der Gastgeberrolle für Katar immer wieder hoch. Die Führungspersonen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) sprechen vor dem Hintergrund zahlreicher Todesfälle unter den Fremdarbeitern seit langem von "Sklaverei" und warnen, bis zur WM könnten bis zu 4000 Arbeiter sterben.
In Bezug auf mögliche Bestechungen sagte Präsident Wolfgang Niersbach vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zuletzt im Aktuellen Sportstudio des ZDF: "Wenn es klare Beweise gibt, muss die FIFA (Fußball-Weltverband, d.Red) das Thema neu aufrollen."
Im November hatte Amnesty International in einem 153-seitigen Bericht miserable Zustände auf Baustellen mit Verbindung zur WM 2022 aufgedeckt und zu Reformen aufgerufen. Es sei "einfach unentschuldbar, dass in einem der reichsten Länder der Erde dermaßen viele Gastarbeiter skrupellos ausgebeutet werden, man sie ihres Lohns beraubt und sie dem Kampf ums Überleben preisgibt", hatte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty in Doha gesagt.
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