Kontakte und funktionierende Netzwerke immer wichtiger Springen Sie nicht!
DÜSSELDORF. Rainer Eichholz hat das sinkende Schiff rechtzeitig verlassen. Der Jurist arbeitete sechs Jahre lang als Investmentbanker für die Dresdner Kleinwort Wasserstein, zuletzt sogar als Managing-Director. Im Frühjahr 2002 gab er seiner Karriere eine neue Richtung: Er besann sich seiner juristischen Ausbildung, punktete mit der langjährigen Bankerfahrung und ist heute Partner bei der internationalen Großkanzlei Ashurst Morris Crisp in Frankfurt.
Kaum war Eichholz raus aus dem Bankgeschäft, verdüsterte sich der Horizont. Rund 5 000 Stellen gingen bei der Dresdner Bank seit Mitte des vergangenen Jahres flöten. Das Institut steht mit seinen Kostensenkungsprogrammen nicht alleine da. Insgesamt wollen die deutschen Banken bis spätestens 2004 rund 35 000 Jobs streichen, in einigen Unternehmen rollt schon die dritte oder vierte Entlassungswelle auf die Mitarbeiter zu.
"Die Boomjahre im Investment-Banking sind auf absehbare Zeit vorbei", sagt Manfred Zottmann, Inhaber der Personalberatung MZ Consulting. Dennoch muss kein Banker auf der Straße stehen. Abstriche beim Lohn sind jedoch unter Umständen vonnöten; vor allem bei den ehemaligen Shooting-Stars der Szene, den Investmentbankern. Wechseln sie das Fach, fallen auch die reichlich gezahlten Boni für erfolgreiche Deals weg. Filialangestellte verdienen dagegen nach dem Jobwechsel oft das Gleiche.
"Private Banking" hat noch Potenzial
"Private Banking" ist das Zauberwort für alle, die sich von der Kreditwirtschaft nicht verabschieden wollen: "Wirklich vermögende Kunden suchen alternative Anlage-Möglichkeiten", sagt Experte Zottmann. Der Bereich werde von vielen Finanzinstituten ausgebaut. "Gute Leute, die Kontakte zu solchen Kunden mitbringen, werden immer gebraucht." Auch die Beziehung zu den weniger vermögenden Kunden ist den Banken neue Arbeitsplätze wert. Von den derzeit 89 Stellenangeboten der Commerzbank entfallen über die Hälfte auf das gesamte Privatkundengeschäft. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Dresdner Bank.
Ein weiterer Lichtblick: Die Finanzinstitute suchen verstärkt Controlling-Fachleute, denn: Die Geldgeber sind in Geldnöten. "Gesucht sind vor allem Mitarbeiter, die die internationalen Bilanzierungsrichtlinien IAS und US-GAAP beherrschen", meint Berater Zottmann.
Doch nicht nur die Investmentbanker, haben gute Chancen auf einen Neuanfang - auch wer bisher in Pusemuckel hinter dem Banktresen stand, kann sich erfolgreich umorientieren. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs (Transaction-Banking) gerät in Bewegung. Neue Stellen entstehen in eigens dafür gegründeten Tochterunternehmen, wie etwa die Fonds Service Bank der Hypo-Vereinsbank.
Auch der bankinterne Beratungsbedarf steigt. Davon profitierte Alexander Mühlenbach*. Vor zwei Jahren wurde der ehemalige leitende Angestellte im Kreditgeschäft entlassen. Nun bereist der ausgebildete Bankkaufmann bundesweit Filialen und berät seine Kollegen bei der Vergabe und Abwicklung von Krediten.
Industrie als Auffangbecken
Unterschlupf finden Ex-Banker außerdem häufig in der Industrie. Der Branchenwechsel falle jedoch den Finanzfachleuten manchmal schwer, sagen die Personalberater. Am besten suche man sich deshalb einen Bereich, der eng mit der alten Branche verwandt ist. Top-Banker werden Finanzchefs oder wechseln in die Strategieabteilungen globaler Konzerne, Filialangestellte arbeiten im Controlling. Besonders bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen ist die Erfahrung von versierten Finanzexperten gefragt.
"Ansonsten ist fast jede Position, bei der es auf Seriosität und ein solides Finanzwissen ankommt, für ehemalige Banker geeignet", urteilt Christian Jerusalem, geschäftsführender Gesellschafter der Outplacement-Beratung von Rundstedt & Partner.
Die Immobilienbranche etwa dient als Auffangbecken - zum Beispiel Projektentwickler müssen stets die Finanzen im Auge behalten. Sogar als Makler finden viele Banker einen Job. Wer mit Geschick und Überzeugungskraft dem Kunden Sparverträge und Wertpapiere verkauft hat, der kann auch die Vorzüge einer Drei-Zimmer Wohnung mit Balkon plausibel erklären.
Beliebt sind Banker natürlich auch im Bereich der Finanzberatung: "Der Kleinanleger ist nach dem Zusammenbruch der Kapitalmärkte verunsichert. Individuelle und hochwertige Beratung rund um die Geldanlage ist deshalb umso stärker gefragt", sagt Max Sembach, Principal bei der PA Consulting Group. Die Kunden brauchen grundsätzliche Hilfe bei der optimalen Kombination von Geldanlage, Altersvorsorge und Versicherungen.
Panikmache ist Fehl am Platz
Panikmache bei der Jobsuche ist also nicht nötig. Dennoch: Wer jetzt einen Job hat, sollte lieber abwarten, statt sich wegzubewerben, wer auf der Straße steht, den Wechsel in ein anderes Fach ins Auge fassen. Denn das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht: "Wir rechnen damit, dass in einigen Fällen bis zu 50 Prozent der Bankfilialen geschlossen werden", sagt Norbert Abraham von der Personalberatung Delta Management Consultants.
Zusätzlich zu den 35 000 Finanzexperten auf der Abschussliste werden die Banken weitere 20 Prozent des Personals abbauen, sagt Andreas Halin von Spencer-Stuart, erst dann stimme die Kosten-Ertrags-Relation wieder. Jeden kann es treffen, unabhängig von der Qualifikation.
Besonders Mitarbeiter aus dem Firmenkundengeschäft und Investment-Banker - jüngere Leute mit exzellenter Ausbildung, horrenden Gehaltsforderungen, aber mit wenig Berufserfahrung, trifft die Börsenflaute hart: "In den nächsten zwölf Monaten läuft bei den IPO, dem Geschäft mit den Börsengängen, gar nichts mehr", sagt Gerd Benrath, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Banken.
Großfusionen und Akquisitionen finden kaum mehr statt. Die Aufträge im Firmenkundengeschäft konzentrieren sich immer mehr in London: "Deutsche Unternehmen wenden sich zunehmend direkt an die Teams in der britischen Finanzmetropole."
Die Baisse knabbert von oben
Für "45-jährige Filialleiter mit einem Häuschen im Grünen und zwei schulpflichtigen Kindern", (O-Ton Christian Jerusalem) wird es ebenfalls schwerer. Die Baisse an den Kapitalmärkten knabbert von oben an den Banken, Mittelstandspleiten und Kreditausfälle verhageln den einzelnen Filialen die Bilanzen. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank geht die Zahl der Bankfilialen seit Jahren kontinuierlich zurück. Im letzten Jahr sank sie um rund 5 Prozent.
Ohnehin sei Deutschland "overbanked", meint Arbeitgebervertreter Benrath. In Zeiten von Internet und Online-Banking könne der persönliche Service bei der Kontoführung zurückgefahren werden, die Angestellten treiben nur die Kosten in die Höhe.
Klar ist also: Bankangestellte, egal auf welcher Ebene, müssen jetzt querdenken. Das scheint manchen jedoch schwer zu fallen: Nur allzu oft hören Personalberater Beschwerden über das elitäre Getue der Top-Banker. Schalterangestellte haben damit keine Probleme, weiß Outplacement-Berater Jerusalem, aber: "Sie sind Sicherheit und überschaubare Aufgaben gewohnt - und müssen jetzt realisieren, dass es in ihrem Bereich keine Zukunft mehr gibt."
Kontakte sind in diesen Zeiten alles
Einen neuen Arbeitsplatz findet nur, wer sich auf die vielgerühmten Softskills besinnt - Kontakte aktiviert, Netzwerke auch nach dem Ausscheiden aus der Bankbranche pflegt. Alexander Mühlenbach kam durch den Tipp eines ehemaligen Kollegen zu seinem neuen Arbeitgeber. Rainer Eichholz kannte Ashurst Morris Crisp schon in seinen Investment-Banker-Zeiten.
"Auf Jobvermittler muss man manchmal Druck ausüben und kann sich nicht darauf verlassen, dass die schon was finden werden", sagt Frank Schröder*. Bis Anfang des Jahres arbeitete er als Investmentbanker in London und konnte nur mit viel Eigeninitative bei einem deutschen Geldinstitut in der Hauptstadt unterkommen.
Wer wechseln muss, sollte nicht alten Zeiten hinterher trauern. Ein Neuanfang hat auch seine Vorteile, findet Eichholz: "Hier kann ich in einem internationalen Umfeld meinen juristischen Hintergrund ideal mit meinen Kapitalmarkt-Erfahrungen verknüpfen."
* Name von der Redaktion geändert