Acht Seiten Wirtschaftszeitung können ganz schön wichtig sein. Vor allem, wenn es einem Mangel abzuhelfen gilt, der in stillen Momenten nur schwer zu ertragen ist: dem Mangel an Toilettenpapier. Der ist 1946 allgegenwärtig - und er führt zu sanitär motiviertem Raub von allerlei Druckerzeugnissen.
Damit in den Anfangsjahren die 10.000 frisch gedruckten Exemplare ihren Weg zum Leser ohne Schwund antreten können, setzt sich der Chef selbst ans Steuer seines Opels, „und wenn der mal wieder streikte, stand auch noch ein Pferd bereit, um die Zeitungen zum Düsseldorfer Hauptbahnhof zu bringen“.
Anfangs jeden Donnerstag. Erst seit 1959 erscheint das Handelsblatt börsentäglich.
Wie nervös die Besatzungsmacht die ersten Übungen der von den Nationalsozialisten befreiten Deutschen in Pressefreiheit beäugt, erlebt der erste Lizenznehmer Herbert Gross. Schon nach wenigen Monaten wird sein Name auf der Lizenz mit großen „X“ gelöscht. Wirtschaftsspionage, langjährige Mitarbeit beim Nazi-Blatt „Das Reich“ - und wohl auch seine Kritik an den Demontagen - wirft man ihm vor.
Es kommt der Mann mit dem alten Opel: Friedrich Vogel, geboren 1902, Doktor der Nationalökonomie. Bei den „Düsseldorfer Nachrichten“ hat Vogel fast 20 Jahre die Wirtschaftsberichterstattung geprägt, als er Mitte 1946 zunächst Chefredakteur und 1947 auch Herausgeber des Handelsblatts wird.
Der Titel lehnt sich an den Begriff „Handelsteil“ an: So überschrieben viele Blätter der Weimarer Republik ihre Wirtschaftsseiten.
Die Redaktion bestand aus sieben Journalisten, es gab einen Finanzchef, und zwei kümmerten sich um den Vertrieb.
Friedrich Vogel ist einer der wortmächtigsten Wirtschaftsjournalisten seiner Zeit. Er führt seine Redaktion auch wie ein Patriarch seiner Zeit - zuweilen gutmütig zwar, wenn er etwa zur Weihnachtszeit persönlich den Nikolaus gibt, aber auch ein äußerst knauseriger.
Auch wenn die Auflage zunächst kaum 25.000 erreicht: Publizistisch macht sich das Handelsblatt in den 50er-Jahren unentbehrlich – vor allem wegen seiner Nähe zu Wirtschaftsminister Ludwig Erhard.
Handelsblatt-Redakteur Wolfram Langer schreibt maßgeblich an Erhards Bestseller „Wohlstand für alle“ mit und wechselt 1958 als Staatssekretär in dessen Ministerium.
Beim ersten Bundespresseball 1951 reimen die HB-Redakteure den selbstbewussten Text für eine Anzeige im Almanach: „Was Erhard still am Busen hegt, wo Vater Staat die Hand drauflegt, das kannst du schon - dazu auf Spesen - im Handelsblatt von gestern lesen.“