Jahrestag Germanwings-Katastrophe: Gedenken an das Unfassbare
Benachrichtigung aktivierenDürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafftErlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviertWir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Anzeige
Jahrestag Germanwings-KatastropheGedenken an das Unfassbare
Gedenken in Frankreich, Spanien und Deutschland: Ein Jahr nach dem bewusst herbeigeführten Absturz von Germanwings Flug 4U9525 in den Alpen kommen Angehörige, Politiker und Entscheider zur gemeinsamer Trauer zusammen.
24.03.2016Update: 24.03.2016 - 15:27 Uhr
Jetzt teilen
Eintreffen am Gedenkort
Germanwings-CEO Thomas Winkelmann und Lufthansa-Chef Carsten Spohr (R) treffen im französischen Dorf Le Vernet ein.
Le Vernet/Haltern Mit Schweigeminuten gedenken an diesem Donnerstag viele Menschen im französischen Le Vernet und in der Ruhrgebietsstadt Haltern der Opfer des Germanwings-Absturzes vor einem Jahr. Die Lufthansa hat als Mutterkonzern von Germanwings nahe dem Absturzort in den französischen Alpen eine Trauerzeremonie organisiert.
Vor Beginn der Gedenkfeier für die Opfer des Germanwings-Absturzes hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr seinen Willen für „konstruktive Lösungen“ bei den Entschädigungen für die Angehörigen bekräftigt. „Wir haben von Anfang an gesagt, wir werden uns großzügig zeigen und haben uns auch im ersten Jahr großzügig gezeigt“, sagte Spohr am Donnerstag in Le Vernet in der Nähe des Absturzortes in den französischen Alpen. Für jedes Opfer wurde nach Angaben von Germanwings eine Soforthilfe von 50 000 Euro gezahlt. Dazu sollen 25 000 Schmerzensgeld für jeden Toten gezahlt werden. Nächste Angehörige sollten ohne weitere Prüfung 10 000 Euro bekommen.
„Wir sind heute nach Le Vernet gekommen, um der Opfer zu gedenken und ihnen die Ehre zu erweisen“, sagte Spohr. „Dieser tragische Absturz hat unglaubliches Unglück über viele, viele Menschen gebracht. Dieses Unglück können auch wir nicht lindern, aber wir können zumindest den Angehörigen beistehen.“ Der Lufthansa-Chef hat während der Trauerfeier für die Opfer der Germanwings-Katastrophe den Angehörigen sein tiefes Mitgefühl ausgesprochen. Seit dem Unfall vor einem Jahr seien Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen, sagte Spohr nach Angaben von Teilnehmern der Trauerfeier am Donnerstag in Le Vernet. Daran habe sich nichts geändert.
Lufthansa und Germanwings hätte auch viele Kollegen beim Unglück verloren. Doch was sei dies gegen die Katastrophe, die das Unglück im Leben der Angehörigen angerichtet habe. Dies übersteige alle Vorstellungen, sagte Spohr demnach. Briefe und E-Mails, die ihn erreichten, sowie persönliche Gespräche hätten ihn tief erschüttert.
Der Lufthansa-Chef versicherte, sein Unternehmen werde sich weiter um die Gedenkstätten in Deutschland, Frankreich oder Spanien kümmern. Trauer benötige nicht nur Zeit, sondern auch Orte, sagte Spohr.
Gleichzeitig erinnerte der Vorstandsvorsitzende, es sei einer der Piloten des Konzerns gewesen, der die Katastrophe herbeigeführt habe. Deswegen würden Lufthansa und Germanwings selbstverständlich ihren Beitrag zur Aufklärung des Absturzes leisten.
Chronologie der Germanwings-Katastrophe
Am 24. März 2015 zerschellte ein Airbus der Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen. Eine Chronologie dessen, was danach geschah.
Die Auswertung des Stimmenrekorders nährt den Verdacht, dass Copilot Andreas Lubitz den Airbus mit Absicht in die Katastrophe steuerte.
Es wird offiziell mitgeteilt, dass der Copilot vor Jahren als suizidgefährdet eingestuft wurde und sich in Psychotherapie befand.
Bei einer Trauerfeier mit rund 1400 Gästen im Kölner Dom gedenken Angehörige und Staatsspitze der Opfer.
Nach dem Zwischenbericht der französischen Flugsicherheitsbehörde hatte der Copilot ein erkennbares Ziel: „das Flugzeug auf den Boden stürzen zu lassen“.
Der Copilot war nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft fluguntauglich. Zu diesem Urteil seien mehrere Ärzte gekommen.
Die Staatsanwaltschaft in Marseille leitet ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung ein. Es soll auch eine mögliche Verantwortung von Germanwings und der Konzernmutter Lufthansa geklärt werden.
Hunderte Hinterbliebene der Katastrophe trauern im Bergdorf Le Vernet nahe der Absturzstelle.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigt an, Kontrollen auf Alkohol und Drogen für Piloten einzuführen. Ein Gesetzentwurf der Regierung wird im Februar 2016 bekannt.
Nach eigenen Angaben haben Lufthansa und Germanwings bisher 11,2 Millionen Euro an Vorschusszahlungen und Schmerzensgeld an die Angehörigen der Absturzopfer gezahlt.
Ein deutscher Anwalt teilt mit, dass sich eine Zivilklage von Hinterbliebenen gegen die Flugschule der Lufthansa im US-Staat Arizona richten soll. Dort sei der Copilot ausgebildet worden. Germanwings entgegnet, dass US-Recht aus Sicht des Unternehmens keine Anwendung finde.
Als Konsequenz aus der Katastrophe fordert die französische Untersuchungsbehörde BEA in ihrem Abschlussbericht routinemäßige Überprüfungen bei Ausfällen von Piloten. Außerdem verlangt die Behörde klare internationale Regeln zur Schweigepflicht von Ärzten: Gesundheitsdienstleister sollten die Behörden informieren, wenn die Gesundheit eines Patienten die öffentliche Sicherheit gefährde.
Genau ein Jahr nach dem Germanwings-Absturz hat die Stadt Haltern am See mit Schweigen und Glockengeläut der verunglückten Schülergruppe gedacht. Zahlreiche Bürger der Stadt waren dem Aufruf des Bürgermeisters Bodo Klimpel auf den Marktplatz gefolgt. Dort hielten sie eine Minute lang inne, um der 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Joseph-König-Gymnasiums zu gedenken, die beim Absturz des Airbus A320 über den französischen Alpen am 24. März 2015 ums Leben kamen. Die Kirchen in der Stadt ließen ihre Glocken erklingen. Anschließend wollten sich die Menschen zu einer Andacht in der katholischen Kirche St. Sixtus versammeln. Viele Angehörige der Opfer sowie der Schulleiter des Halterner Gymnasiums sind allerdings zu den Gedenkfeierlichkeiten nach Frankreich gereist.
Einige der Hinterbliebenen wollten anschließend zu Fuß oder mit Kleinbussen zum Col de Mariaud aufbrechen. Von dem Bergrücken aus ist die schwer zugängliche Unglücksstelle von Flug 4U9525 an einem steilen Felsgebirge zu sehen.
In Haltern schloss sich an die Gedenkminute eine ökumenische Andacht in der katholischen Stadtkirche am Marktplatz an. „Es ist mit Sicherheit das Schlimmste und Schwierigste, was dieser Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg passiert ist“, sagte Bürgermeister Bodo Klimpel vor der Andacht.
Der psychisch kranke Copilot Andreas Lubitz hatte den Airbus A320 am 24. März 2015 absichtlich in den Felsen gesteuert. Flug 4U9525 war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Alle 150 Menschen an Bord starben, 72 davon aus Deutschland. 51 der Opfer stammten aus Spanien.
Bereits am Mittwochabend waren Angehörige in Marseille zusammengekommen. Abgeschirmt von Sicherheitskräften trafen sich Verwandte und Bekannte in einem Kongresszentrum der südfranzösischen Hafenstadt.
Auch in Spanien wurde bereits an die Opfer erinnert. „Ich denke an den Tag mit großem Schmerz zurück“, sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy während einer Gedenkfeier im Flughafen von Barcelona. Unmittelbar vor dem Jahrestag sollte eine Klage gegen die Lufthansa-Flugschule in den USA eingereicht werden. Eine US-Anwaltskanzlei sei mit der millionenschweren Zivilklage beauftragt, teilte Rechtsanwalt Christof Wellens mit.