Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Kriminalität So funktioniert der Enkeltrick

Betrüger nutzen gerne die Gutgläubigkeit von Senioren aus. Und bringen Rentner jedes Jahr um viel Geld, manchmal um ihre gesamten Ersparnisse. Wie man sich gegen den Enkeltrick schützen kann.
05.04.2015 - 18:05 Uhr Kommentieren
Mit einem fiesen Trick ziehen junge Betrüger älteren Menschen das Geld aus der Tasche. Wie sich Betroffene wehren können. Quelle: Getty Images
Trickbetrug

Mit einem fiesen Trick ziehen junge Betrüger älteren Menschen das Geld aus der Tasche. Wie sich Betroffene wehren können.

(Foto: Getty Images)

Düsseldorf „Hallo Oma, wie geht es Dir?“ So versuchte ein Enkeltrickbetrüger Ende Januar an das Geld einer Seniorin in Dortmund heranzukommen. Das vermeintlich leichte Opfer schaltete – nicht nur, weil sie keinen Enkel hat. Denn junge Leute im Ruhrgebiet sagen frei nach Schnauze „Na Omma“ zu ihren Großeltern.

Nicht immer gehen die Versuche der Trickbetrüger so glimpflich aus: Trotz unermüdlicher Information durch Polizei, Medien und Präventionsstellen werden jährlich hunderte Senioren in Deutschland durch den Enkeltrick um ihr Geld gebracht, die Ermittler gehen von jährlichen Schäden in Millionenhöhe aus. Scheitert die deutsche Gesellschaft am Phänomen Enkeltrick?

„Diese Art von Betrug wird auch durch eine gesellschaftliche Entwicklung begünstigt“, sagt Kim Freigang, Pressesprecher der Polizei Dortmund. „Viele ältere Menschen sind allein, vereinsamt, Enkel und Kinder wohnen weit weg in anderen Bundesländern.“ Da seien viele bei aller Vorsicht von der Freude überwältigt, wenn sich mal jemand bei ihnen meldet. „Und das nutzen die Täter dann schamlos aus.“

Zusätzlich spielen altersbedingte Erkrankungen wie Schwerhörigkeit und Demenz hinein. Die Trickbetrüger schlagen aus dem dringenden Bedürfnis der Senioren nach Wertschätzung und Anerkennung teils Summen von mehreren zehntausend Euro pro Opfer heraus. Einige Senioren zahlen diese Summen aus Hilfsbereitschaft und weil sie durch die Betrüger auf einer sehr emotionalen Ebene angesprochen werden.

Der Trick funktioniert immer ähnlich, wie die Polizei weiß. Die Banden sind in drei Hierarchien strukturiert, es gibt Anrufer, Logistiker und ein Abholerteam. Der Anrufer steht oben in der Hierarchie und telefoniert sich durch Listen alter Telefon-CDs. Er wählt gezielt alt klingende Namen wie Erna, Helga oder Waldemar aus und meldet sich mit einem einfachen „Hallo Oma“, oder aber – noch perfider – mit einem unverfänglichen „Na, rate mal, wer da ist...?“

So werden Senioren erst einmal in ein lockeres Gespräch verstrickt, um Hinweise über eventuelle echte Enkel zu bekommen, etwa durch Rückfragen: „Stefan, bist du das?“ An diese Informationen versucht er mit einer Legende anzuknüpfen und kommt dann zu seinem eigentlichen Anliegen: Der Geldforderung. Meist täuscht der angebliche Enkel Geldnot vor.

Appelliert wird an die Hilfsbereitschaft und die familiäre Solidarität der Opfer. Diese geht schließlich so weit, dass die Betroffenen sich bereit erklären, das Geld an ihnen unbekannte, angebliche Freunde des Enkels zu übergeben – die Abholer, deren Aktion von den Logistikern telefonisch angewiesen und koordiniert wird. Hat die Geldübergabe stattgefunden, verteilen die Banden das Geld in kürzester Zeit, Anruferhandys vernichten sie. Es sollen möglichst wenig Spuren hinterlassen werden.

Familienclans aus dem Ausland

Rente? Ohne mich! - Senioren drängen zurück ins Berufsleben

„Das sind einige Familienclans, die das Land gebietsweise unter sich aufgeteilt haben. Und die finanzieren sich fast ausschließlich mit solchen Straftaten“, sagt Andreas Gerdon. Der Kriminalhauptkommissar leitete bis 2014 die Gruppe „Cash Down II“ bei der damaligen Landespolizeidirektion Karlsruhe, die auf den Enkeltrick spezialisiert war.

Seine Einheit war die bundesweit größte dieser Art und agierte nicht nur bundeslandübergreifend, sondern auch international – hatte also einen sehr guten Überblick über die Strukturen und das Vorgehen der Betrüger. In den meisten Fällen agieren die Familienclans aus dem Ausland, laut Gerdon am häufigsten aus Polen, doch seine Kollegen und er trafen in den Ermittlungen etwa auch auf italienische Familien.

Die Betrüger gehen hochprofessionell vor, so zielen sie in einigen Regionen Deutschlands nicht mehr nur auf die deutschen Senioren ab, teils rufen in Gebieten mit großem Migrantenanteil auch fremdsprachige Anrufer bei betagten Zuwanderern an und setzen somit zusätzlich auf die nationale Verbundenheit.

Zumeist sitzen jedoch akzentfrei deutsch sprechende Personen in osteuropäischen Ländern wie Polen und telefonieren ihre Listen ab. Für Ermittler wie Gerdon und seine Kollegen ist dies ein großes Problem: Wenn es sich zudem um polnische Staatsbürger handelt, werden diese meist für ihre Taten nicht nach Deutschland ausgeliefert (siehe Infobox).

Die gefährlichsten Städte Deutschlands
5-format20
1 von 17

Heute hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gemeinsam mit seinem nordrhein-westfälischen Kollegen Ralf Jäger (SPD) die neue Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für Deutschland vorgestellt, die die Straftaten auf die einzelnen Städte aufschlüsselt. Dabei bleibt die Kriminalität in der Bundesrepublik auf einem hohen Niveau. Insgesamt 5,961 Millionen Delikte sind verzeichnet. Dabei stechen vor allem die Großstädte heraus – zusätzlich entwickelt sich ein Nord-Süd-Gefälle. Das sind die gefährlichsten Städte Deutschlands.

47623725
2 von 17

Platz 16: Bonn

In der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn wurden im Jahr 2013 11.182 Straftaten auf 100.000 Einwohner begangen. Von 1949 bis 1990 war Bonn de facto Hauptstadt und noch bis 1999 Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland. Bundesweit ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr um 0,6 Prozent auf insgesamt 5,961 Millionen zurückgegangen.

(Foto: dpa - picture-alliance)
48039544
3 von 17

Platz 15: Halle (Saale)

Mit 11.332 Straftaten pro 100.000 Einwohner „sichert“ sich Halle (Saale) Platz 15 in Deutschlands Einbruchs-Ranking. Mit mehr als 230.000 Einwohnern ist Halle die größte Stadt und eines der drei Oberzentren des Landes Sachsen-Anhalt. Die Aufklärungsquote in der Straftaten hat sich im vergangenen Jahr nur leicht um 0,1 Prozent auf 54,5 Prozent verbessert.

(Foto: dpa - picture-alliance)
48574069
4 von 17

Platz 14: Dresden

Auch die Elbflorenz Dresden wird nicht sicherer. 11.365 Straftaten wurden hier auf 100.000 Einwohner begangen. Bundesweit nehmen vor allem Eigentumsdelikte wie Autoklau, Wohnungseinbrüche und Taschendiebstähle deutlich zu.

(Foto: dpa - picture-alliance)
48881803
5 von 17

Platz 13: Lübeck

Auch die Hansestadt Lübeck ist vor Verbrechen nicht gefeit. Pro 100.00 Einwohner wurden hier im vergangenen Jahr 11.585 Straftaten verzeichnet. In Deutschland nehmen vor allem Wohnungseinbrüche immer mehr zu. Insgesamt 150.000 mal wurde in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr in fremde Behausungen eingebrochen.

(Foto: dpa - picture-alliance)
48991579
6 von 17

Platz 12: Freiburg

Die Breisgau-Metropole Freiburg kommt im Jahr 2013 auf 12.136 Straftaten pro 100.000 Einwohner. Freiburg ist die südlichste Großstadt Deutschlands und Sitz des Regierungspräsidiums Freiburg sowie des Regionalverbands Südlicher Oberrhein und des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald. Die Aufklärungsquote von Wohnungseinbrüchen sinkt derweil. 2009 wurden noch 16,9 Prozent der gemeldeten Fälle in Deutschland aufgeklärt, im vergangenen Jahr waren es nur noch 15,5 Prozent.

45713339
7 von 17

Platz 11: Aachen

12.795 Straftaten wurden im Jahr 2013 in Aachen pro 100.000 Einwohner gemessen. 1890 überschritt Aachen erstmals die Einwohnerzahl von 100.000 und ist seitdem die westlichste deutsche Großstadt.

(Foto: dpa - picture-alliance)

So kommen Ermittler in Deutschland meist nur an die Abholer heran – kleine Fische, die innerhalb der international agierenden Netzwerke schnell ersetzt werden. Durch den Wegfall der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland seit 2010 könnten die Verbrechen nur noch sehr viel schwerer verfolgt werden, argumentiert Andreas Gerdon, der für eine Wiedereinführung der Datenspeicherung plädiert.

Diese Maßnahme könne Telefonate wie die der Enkeltrickbetrüger nachvollziehbar machen. Nach den Attentaten auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo flammte die Diskussion über die Datenspeicherung jüngst wieder auf, eine Wiedereinführung erscheint jedoch aufgrund der massiven Kritik an der Störung der Anonymität und Privatsphäre der Bürger aktuell eher unwahrscheinlich.

Ein noch größeres Problem dürfte sein, dass es in Sachen Enkeltrick kein bundesweit koordiniertes Vorgehen gibt. Es existieren weder überregionale Statistiken zu den Betrugsfällen noch gibt es eine überregionale Taskforce.
Angesichts mangelnder übergreifender Strukturen und Schutzmöglichkeiten durch die Strafverfolgungsbehörden lautet die Devise: Potenziell Betroffene müssen sich am besten selbst schützen.

Echtheit des Gesprächs überprüfen

Die Lieblinge der Autodiebe
Porsche Cayenne
1 von 20

Das Herz der Autoklauer schlägt für Porsche. Das geht aus der Diebstahl-Statistik 2010 hervor, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) kürzlich veröffentlicht hat. Demnach lässt der Motorensound eines Porsche lässt nicht nur das Herz von Sportwagenfreunden höher schlagen. Auch bei Autodieben haben sich die Oberklasse-Modelle der Schwaben im vergangenen Jahr großer Beliebtheit erfreut: Mit 1,7 Diebstählen pro 1.000 versicherten Fahrzeugen war Porsche laut jährlichen Untersuchung auf Basis der BKA-Statistik erneut die Lieblingsmarke der "bösen Buben" ...

(Foto: Pressefoto)
BMW bringt neuen X6 im Mai zu Preisen ab 55 800 Euro zu den Händlern
2 von 20

Auf Platz zwei und drei folgen Autos von Audi und dem GM-Konzern mit einem Schnitt von 1,3 beziehungsweise 1,2 Diebstählen pro 1.000 Fahrzeuge, gefolgt von BMW (1,1) und Volkswagen (1,0) auf den Marken-Rängen 3 und 4 ...

(Foto: Pressefoto)
Lexus RX 400h
3 von 20

Kurios: Beliebtestes Modell der Autodiebe war statistisch gesehen der Lexus RX 400 Hybrid. Hochgerechnet werden von 1 000 versicherten Autos dieses Typs 21,2 Fahrzeuge entwendet. Dies dürfte aber damit zu tun haben, dass der japanische SUV auf deutschen Straßen eher Exotenstatus genießt. Aufgrund der kleinen Gesamtstückzahl fallen einzelne Diebstähle somit statistisch viel schwerer ins Gewicht.

Auch im vergangenen Jahr lag der Toyota mit dem Modellbezeichnung HXU3A an der Spitze der „Klauliste“ . Der durchschnittliche Schadenaufwand für den Versicherer: 32.385 Euro.

(Foto: Pressefoto)
BMW M3 Coupe
4 von 20

Auf Platz zwei der versicherten Fahrzeuge, die ungewollt den Besitzer wechselten, folgt der BMW M3 (als Coupe) mit 18,8 gestohlenen Exemplaren pro 1.000 Fahrzeuge.

Der durchschnittliche Schadenaufwand für den Versicherer: 47.406 Euro.

(Foto: Pressefoto)
vw transporter
5 von 20

Der VW T4 Multivan Caravelle, 2.5 TDI (Typ 7DZ) folgt mit 15 gestohlenen Fahrzeugen pro 1.000 Autos auf Platz drei. Der durchschnittliche Schadenaufwand für den Versicherer: 15.251 Euro.

(Foto: Pressefoto)
huGO-BildID: 16982586 The BMW X5 (02 2010)
6 von 20

BMW X5 und X6 (Modellbezeichnung: X70) mit 3-Liter-Diesel-Motorisierung folgen auf den Plätzen 4 und 5 der Diebstahlstatistik 2010 mit14,4 bzw. 12,6 gestohlenen Autos pro 1.000 zugelassene Fahrzeuge.

Der durchschnittliche Schadenaufwand für den Versicherer: 40.067 bzw. 48.916 Euro.

(Foto: Pressefoto)
Toyota Landcruiser
7 von 20

Platz 6 belegt der Toyota Landcruiser 3.0 D-4D (Typenbezeichnung: J12) mit 10,3 entwendeten pro 1.000 Autos. Der durchschnittliche Schadenaufwand für den Versicherer: 27.897 Euro.

(Foto: Pressefoto)

Barbara John verfolgt die Idee der Selbsthilfe und der zivilen Prävention schon seit mehr als zehn Jahren. Die Seniorin betreibt den Blog Pfiffige Senioren, der Hinweise gibt, wie man sich vor Trickbetrügern schützen kann.

John glaubt an die langfristige Wirkung der Präventionsbemühungen: „Immer wieder liest man, dass deshalb Senioren bei diesen Anrufen den Hörer auflegen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Banken hat schon einiges verhindert.“ Tatsächlich sind immer mehr Bankberater aufmerksam, fragen Senioren bei auffällig großen Abhebungen nach dem Verwendungszweck und liefern die in der Nähe wartenden Betrüger der Polizei so teils direkt ans Messer.

Das ist einer der zentralen Ratschläge, die auch Polizisten und Präventionsmitarbeiter immer wieder geben: Bei Geldforderungen am Telefon sollten Betroffene einen Rückruf aushandeln und sich dann zunächst unter den bekannten Nummern selbst bei den Verwandten melden, um die Echtheit des Gesprächs zu überprüfen (Weitere Tipps siehe Infoboxen).

Letztlich sieht Barbara John den Kampf gegen den Enkeltrick aber als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dieser Idee folgt sie mit ihrem Blog, das Kontaktdaten zu Hilfe- und Beratungsstellen bei Trickbetrug aufzeigt und auf dem sie mit ihren eigenen Artikeln Hinweise und Tipps im Umgang mit Betrügern gibt.

John fordert, dass man die älteren Gesellschaftsmitglieder wieder mehr einbeziehen, an sie denken sollte: „Ganz wichtig ist, dass Bezugspersonen wie jüngere Nachbarn, Verwandte oder das Pflegepersonal die oft allein lebenden Senioren für diese Themen sensibilisieren – also sich kümmern“, so John.

Startseite
Mehr zu: Kriminalität - So funktioniert der Enkeltrick
0 Kommentare zu "Kriminalität: So funktioniert der Enkeltrick"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%