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Modehändler C&A in der NS-ZeitSchlechter Stoff
Die C&A-Dynastie hat ihre Geschichte aufarbeiten lassen. Ergebnis: In der NS-Zeit war der Modehändler ebenso opportunistisch wie geschäftstüchtig. Entschuldigen will sich Clan-Chef Maurice Brenninkmeijer dennoch nicht.
C&A-Werbeanzeige der Filiale Leipzig (nach Mai 1938)
Die Brenninkmeijers haben sich ihrer Vergangenheit spät, aber so weit ersichtlich aus eigenem Antrieb und umfassend gestellt.
(Foto: Draiflessen Collection, Mettingen, Sig. 1409, (Repro Henning Rogge))
Mettingen Wer die Brenninkmeijers, jene verschwiegene Unternehmerdynastie, die den Modefilialisten C&A einst gründete und bis heute erfolgreich mit Vertretern der fünften und sechsten Generation führt, kennen lernen möchte, sollte nach Mettingen fahren. In der 12.000-Einwohner-Gemeinde im Tecklenburger Land bei Osnabrück steht bis heute das Stammhaus der Brenninkmeijers. Der sogenannte Brenninckhof in der Bauernschaft Wiehe ist ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert. Das Gebäude ist baufällig und wegen Einsturzgefahr abgesperrt. Der Schriftzug auf dem Balken über dem Eingangstor ist aber noch gut zu entziffern: „Dies Haus steht in Gottes Hand, der Herr bewahr‘s vor Feuer und Brand. Und alle, die da gehen aus und ein, laß dir, o Herr, befohlen sein.“
Eine fromme Losung, die nicht für sich allein steht oder vergessen scheint. Wenige Kilometer weiter, in Mettingen-Innenstadt sozusagen, findet sich ein weiteres Glaubensbekenntnis inszeniert wieder. Die Draiflessen Collection, ein privates Museum der Brenninkmeijers, lädt hier an vier Tagen in der Woche nach vorheriger Anmeldung zu „gesellschaftlich relevanten Ausstellungen“ ein. Der Name ist eine Wortkonstruktion aus der alten Geheimsprache der handeltreibenden Tüötten. „Drai“ steht für Dreifaltigkeit und Handel treiben, „Flessen“ für Flachs, Leinen und Heimat. Der Name wurde einst gewählt, um die enge Verbindung der Brenninkmeijers mit ihren westfälischen Wurzeln, ihrem christlichen Glauben und ihrer (guten) Kaufmannstradition auszudrücken.
Dem alten Holzbalken am Fachwerkhaus und dem weiß getünchten Museumsneubau sollen alle Ehre und Symbolik gegönnt sein, doch es gab eine Zeit, da galten die christliche Nächstenliebe und die Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns selbst bei den Brenninkmeijers wenig. Es waren die Jahre 1933 bis 1945, die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland.
Es war wie bei einem schlechten Wintermantel, um in der Sprache der Mode zu schreiben. Der Oberstoff war gut und schön und glänzte. Doch der Futterstoff war schlecht, genügte extremen Bedingungen nicht, und das führte schließlich zu (menschlicher, auch tödlicher) Kälte. Das soll nun Konsequenzen im Konzern haben.
C&A – Familiäre Bande
... der Familie Brenninkmeijer lassen sich bis in das Jahr 1600 zurückverfolgen. Damals erhielt Johann toe Twee genannt Brenninkmeijer in Mettingen einen Bauernhof als Lehen. In der Region war es üblich, neben der landwirtschaftlichen Arbeit Flachs zu Leinen zu weben und zu verkaufen. Das war der Grundstein für den heutigen C&A-Konzern, der mit rund 2.000 Filialen und 55.000 Mitarbeitern in 24 Ländern aktiv ist.
..., die die vielen Gesellschaften der Familie zusammenhält, hat ihren Sitz im Schweizer Niedrigsteuerort Zug. Hier wohnt auch Maurice Brenninkmeijer, 55. Er leitet den Unternehmerkreis, das Machtzentrum der Dynastie.
Die Familie...
... pflegt besondere Traditionen. Anteilseigner wird nur, wer ein strenges System des Aufstiegs meistert und den katholischen Glauben lebt. Entscheidungen im Unternehmerkreis werden stets im Konsens (Unitas-Regeln) getroffen. Die Brenninkmeijers pflegen ihre westfälischen Wurzeln, sind aber Holländer.
Doch der Reihe nach. Die Brenninkmeijers, eine der großen, alten wie verschwiegenen Händlerdynastien Europas (2.000 Filialen, 55.000 Mitarbeiter), haben sich ihrer Vergangenheit spät, aber so weit ersichtlich aus eigenem Antrieb und umfassend gestellt. Zur Ausstellung „100 Jahre C&A in Deutschland“ im Jahr 2011 waren Informationen aufgetaucht, dass einige Angehörige der Familie in das NS-System verstrickt waren. Daraufhin beschloss der Unternehmerkreis der Familie, die Geschichte ihrer Vorfahren mit einem Fokus auf die Jahre 1933 bis 1945 wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Die Familie beauftragte damit den Wirtschafts- und Sozialhistoriker Professor Mark Spoerer, der 2011 gegen drei Bedingungen ein Forschungsprojekt an der Universität Regensburg startete: Einsicht aller Akten, keinerlei Zensur, Nachprüfbarkeit für Dritte.
Eine unabhängige Forschungsarbeit war genau das, was die Brenninkmeijers in dieser Angelegenheit wollten. „Wir waren uns sehr schnell einig. Wir hatten ein gemeinsames Ziel: die komplette Aufarbeitung anhand der noch vorhandenen Akten und noch lebenden Zeitzeugen. Nichts wäre und ist uns allen peinlicher als Ungenauigkeiten oder gar Fehler“, sagt Spoerer dem Handelsblatt.
Die Öffnung des Firmenarchivs, das in der Draiflessen Collection in Mettingen untergebracht ist, war für die Brenninkmeijers nichtsdestotrotz und auch nicht nur, weil es um die NS-Zeit ging, eine große Sache. Die Familie ist verschwiegen. Sie pflegt bis heute ihre Eigenarten und Traditionen.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit kam im Clan jedoch anders als erwartet gut an. Ein „History Gremium“ unter Leitung von Joseph Brenninkmeyer, einst Leiter der Draiflessen Collection und ein entfernter Vetter von Maurice, begleitete Spoerer und seine Mitarbeiter „mit viel Anteilnahme und Engagement“ (Spoerer).
Maurice Brenninkmeijer
Das Clanoberhaupt der Familie hat sich interviewen lassen.
Die Ergebnisse liegen nun fünf Jahre später vor und sind unter dem Titel „C&A: Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien“ als Buch im Verlag C. H. Beck veröffentlicht worden. Die mit Zeitzeugen geführten Interviews sollen noch folgen. Die neuen Erkenntnisse über die Verstrickungen seiner Familie in der NS-Zeit sind für Maurice Brenninkmeijer, 55, „verstörend und geradezu schockierend“, wie er im Interview mit der „Zeit“ just erklärte.
Der Modefilialist, der sich noch heute nach den Vornamen seiner beiden Gründer Clemens und August C & A nennt, ist damit ein weiterer Konzern, der seine NS-Vergangenheit erforscht hat. Die Deutsche Bank hatte das etwa Ende der 90er-Jahre getan – erst von einer Historikerkommission unter Leitung von Manfred Pohl, später durch den Amerikaner Harold James. Es folgten Daimler, Volkswagen und die Allianz. Die Deutsche Lufthansa ignorierte das Thema (zu) viele Jahre und musste sich nun jüngst von dem Historiker Lutz Budrass aufklären lassen.
Auch Familienunternehmen öffneten in den vergangenen Jahren wie nun auch C&A ihre Archive. So ließ August Oetker nach dem Tod seines Vaters Rudolf-August Oetker 2007 (endlich) die eigene Geschichte erforschen. Die schmerzhafte Erkenntnis für August Oetker: „Mein Vater war Nationalsozialist.“
Die Quandts (IG Farben) reagierten spät und auf öffentlichen Druck. Jüngstes Beispiel für eine umfassende Aufklärung und Entschuldigung lieferte das Haus Freudenberg. „Freudenberg sei ein Beispiel, wie es so viele gibt in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“, sagte der beauftragte Historiker Joachim Scholtyseck bei der Ergebnispräsentation. Die deutsche Industrie sei weder unschuldig noch hauptverantwortlich für den Nationalsozialismus gewesen. Clan-Chef Martin Wentzler erklärte und entschuldigte sich daraufhin: Sein Großvater sei „unstatthafte Kompromisse“ eingegangen: „Wir bedauern das zutiefst.“
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