Mitte Januar entdeckten irische Lebensmittelinspekteure bei Routinekontrollen zunächst Spuren von Pferdefleisch in Rindfleisch-Hamburgern. Es ging um Fertigprodukte der britischen Supermarktketten Tesco, Iceland, Aldi (UK) und Lidl (UK). Anfang Februar wurde in einer Fertigungsanlage und in einem Fleischlager in Irland weiteres Rindfleisch mit Pferdefleischspuren entdeckt. Daraufhin ordnete die britische Lebensmittelaufsicht umfangreiche Untersuchungen an. In der Folge wurden mit Pferdefleisch versetzte Rindfleischprodukte auch in Frankreich und Schweden entdeckt. Mittlerweile wurden auch in Deutschland in vielen Fällen falsch deklariertes Pferdefleisch gefunden.
Es geht um Tiefkühl-Fertigkost aus Hackfleisch, die größtenteils bei Discountern verkauft wird, darunter Rindfleisch-Lasagne, Spaghetti Bolognese und fertige Hamburger-Frikadellen. In den Produkten wurden teilweise zwischen 30 und 100 Prozent Pferdefleisch gefunden.
Laut britischen Medienberichten handelt es sich um eine kriminelle „Pferdemafia“ in Rumänien. Das Fleisch wird demnach vor Ort verarbeitet und an französische Fleischverarbeitungsfirmen exportiert, die es nach Firmenangaben ohne Wissen darüber, dass es sich eigentlich um etwas Anderes handelt, als Rindfleisch verarbeitet haben. Mittlerweile zeigt sich jedoch, dass in den Pferdefleisch-Skandal europaweit mehr Unternehmen verwickelt sind, als bislang vermutet. Darunter auch deutsche Hersteller.
In einem Fall geht es um den Tiefkühlhersteller Findus in Großbritannien (der nichts (mehr) mit Nestlé zu tun hat, auch wenn der Konzern eine gleichnamige Tochterfirma in der Schweiz hat). Er vertreibt Fertigkost der französischen Firma Comigel, die wiederum einen Teil ihres zu verarbeitenden Fleischs aus Rumänien bezieht und damit bei der luxemburgischen Firma Tavola produzieren lässt. Zwischen November 2012 und Ende Januar 2013 kamen mindesten 359.722 Packungen Lasagne und Cannelloni aus dem verdächtigen Betrieb in Luxemburg nach Deutschland. Comigel gibt an, das Fleisch vom französischen Lieferanten Spanghero bezogen zu haben. Dieser weist wiederum auf einen rumänischen Zulieferer hin. Eine weitere Spur führt laut französischen Regierungsangaben vom französischen Hersteller Poujol zu einem Händler nach Zypern.
Die Behörden sehen keine unmittelbare gesundheitliche Gefahr durch den Verzehr von Pferdefleisch. Das Fleisch kann jedoch unter Umständen Spuren von Medikamenten enthalten. Es wird auf Rückstände des Schmerzmittels Phenylbutazon getestet. Erste Test-Resultate bestätigen den Verdacht. In französischen Tiefkühlprodukten sind Reste von Phenylbutazon enthalten. Es wird bei Pferden häufig therapeutisch angewendet, teilweise auch als Doping-Mittel im Pferdesport. In der Medizin ist es ein Medikament gegen Rheuma.
In Großbritannien wurde Rindfleisch nach Angaben der Lebensmittelaufsichtsbehörde FSA in den vergangenen zehn Jahren nicht routinemäßig auf Pferdefleischspuren getestet. Eigentlich sollen solche Fälle durch das Passsystem verhindert werden. Seit 2009 braucht jedes Pferd in der Europäischen Union einen sogenannten Equidenpass, der unter anderem über Herkunft und Impfung des Tieres Auskunft geben soll. In Deutschland werden die Pässe auch durch Pferdezüchter- oder Reitsportverbände vergeben, was das System manipulationsfähig macht.
Die Firmen haben die fraglichen Produkte sofort aus dem Handel genommen. In Deutschland waren bereits Aldi Nord, Aldi Süd, Eismann, Edeka, Kaiser´s, Kosnum Leipzig, Lidl, Metro, Real, Rewe und Tengelmann betroffen.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will Konsequenzen aus dem Skandal mit falsch deklariertem Pferdefleisch in Fertigprodukten ziehen. Bei einem Treffen der Verbraucherminister von Bund und Ländern hat sie einen Entwurf für einen Nationalen Aktionsplan vorgelegt. EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg spricht indes von einer dauerhaften Einführung von DNA-Tests für Fleisch auf EU-Ebene.
Die Behörden in Frankreich und anderen EU-Staaten wissen bisher nicht, seit wann und in welchem Umfang Pferdefleisch als Rindfleisch verkauft wurde. „Das kann man nur sehr schwer feststellen“, sagte der Leiter der luxemburgischen Veterinärinspektion, Felix Wildschütz, der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem in Frankreich suchten die Behörden ältere Lagerbestände von Tiefkühlkost, um Proben zu entnehmen und auch die möglicherweise verwendeten Mengen von Pferdefleisch abschätzen zu können.
In Deutschland sind seit Mitte Februar Fälle bekannt, in denen Händler mit Produkten beliefert wurden, die Pferde- statt Rindfleisch enthalten. Auch die britische Regierung gerät weiter unter Druck. Ein früherer Mitarbeiter der Lebensmittelaufsicht FSA will schon im April 2011 geholfen haben, einen Brief des größten britischen Pferdefleisch-Exporteurs High Peak Meat Exports an den damals zuständigen Minister aufzusetzen, in dem auf unzureichende Kontrollen in der Pferdefleischverarbeitung hingewiesen wurde.
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