Pistorius plädiert auf nicht schuldig
PretoriaEs ist kurz vor zehn als Oscar Pistorius im schwarzen Anzug durch einen Seiteneingang in den Gerichtssal D im Obergericht von Pretoria tritt. Wie schon bei seiner Kautionsanhörung vor einem Jahr wirkt der an beiden Unterschenkeln amputierte Ausnahmeathlet auch diesmal müde und tief bedrückt. Teilnahmslos starrt er zu Boden als er auf dem Weg zur Anklagebank die erste Reihe der Zuschauergalerie passiert, in der seine gesamte Familie, aber auch June Steenkamp sitzt, die Mutter seiner von ihm erschossenen Freundin. Alle vermeiden jedweden Augenkontakt.
Es ist der Moment, auf den viele Menschen in Südafrika ein Jahr lang hingefiebert haben: einer der bekanntesten und einst populärsten Sportler der Welt muss sich an diesem Montag vor der Richterin Thokozile Masipa und zwei Beisitzern wegen des Verdachts auf Mord an seiner Freundin verantworten. Über ein Jahr nach der Tat am Valentinstag soll in den nächsten Wochen geklärt werden, ob Pistorius wirklich ein Mörder ist: Hat er das Fotomodell Reeva Steenkamp (29), vielleicht aus Eifersucht, vielleicht aus Jähzorn, mit Vorsatz erschossen wie die Staatsanwaltschaft behauptet. Oder war es alles nur ein Versehen wie der 27jährige selbst behauptet. Er habe Reeva in der verhängnisvollen Nacht für einen Einbrecher gehalten. Diese Version wird wenig später auch sein Staranwalt Berry Roux verlesen.
Nach tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp wird Pistorius festgenommen. Wegen Mordverdachts erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage.
Er habe geglaubt, auf Einbrecher zu schießen, beteuert der behinderte Profisportler. „Ich hatte nie die Absicht, meine Freundin zu töten“, heißt es in einer Erklärung.
Der 26-jährige beinamputierte Paralympics-Star erschoss - so viel ist unumstritten - am Valentinstag seine Freundin Reeva Steenkamp durch die geschlossene Badezimmertür. Er selbst gibt an, sie versehentlich getötet zu haben, da er sie für einen Einbrecher gehalten habe. Die Staatsanwaltschaft sieht hingegen einen vorsätzlichen Mord nach einem Streit des Paares.
Die Ermittler hätten das Dopingmittel Testosteron und mehrere Spritzen in Pistorius' Schlafzimmerschrank gefunden, teilt die Polizei mit. Sein Anwalt beteuert, es handele sich um pflanzliche Arzneimittel.
Dem jungen Athleten wird noch ein weiterer Anklagepunkt vorgehalten, nämlich illegaler Besitz von Munition. Vorab waren in südafrikanischen Medien auch noch andere Vorwürfe genannt worden. So soll Pistorius zwei Mal in der Öffentlichkeit eine Waffe benutzt haben. Einmal schoss er demnach aus dem offenen Verdeck eines Autos in die Luft und ein anderes Mal ging eine Waffe versehentlich in einem Restaurant los.
Der leitende Polizeiermittler Hilton Botha steht selbst unter dem Verdacht des versuchten Mordes, wie die Polizei bestätigt. Er wird von seinen Aufgaben entbunden.
Pistorius kommt gegen Kaution und Auflagen überraschend frei. Der Richter kritisiert Staatsanwaltschaft und Polizei: Es gebe keine klaren Beweise für eine vorsätzliche Tat. Aber auch Pistorius' Aussage sei widersprüchlich. Der Prozess soll am 4. Juni beginnen.
Der mordverdächtige Paralympics-Star vergnügt sich nach Berichten südafrikanischer Medien wieder auf Partys.
Der Prozess wird auf den 19. August vertagt. Weitere Ermittlungen seien notwendig, erklärt das Magistratsgericht in Pretoria. Pistorius bleibt auf freiem Fuß.
Die Polizei schließt ihre Ermittlungen ab. Polizeisprecher Generalleutnant Solomon Makgale teilte mit, Ermittler, Experten für Forensik und Ballistik, Psychologen und Techniker seien mit dem Fall betraut gewesen und seien zuversichtlich, genügend Beweise gegen Pistorius gesammelt zu haben.
Zu den wichtigsten Beweismitteln dürften Telefondaten sowie die Ergebnisse einer Untersuchung der Badezimmertür sein, durch die Pistorius seine Freundin mit mehreren Schüssen getötet hatte. Vor allem die Einschusswinkel dürften Aufschluss darüber geben, ob Pistorius auf seinen Beinstümpfen stand, wie er selbst behauptet, oder ob er seine Prothesen trug, wovon die Anklage ausgeht.
Der Richter gibt bekannt, dass Pistorius sich ab dem 3. März 2014 wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht verantworten muss.
Prozessauftakt: Der High Court in der Hauptstadt Pretoria befasst sich mit dem Fall. Sollte das Gericht Pistorius schuldig sprechen, droht dem Sportler lebenslang - was in Südafrika eine Mindesthaftstrafe von 25 Jahren bedeutet. Damit dürfte er frühestens mit Anfang 50 aus dem Gefängnis entlassen werden. In Südafrika gibt es keine Todesstrafe.
10. und 13. März: Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts und als auf dem Bildschirm im Gerichtssaal eine Aufnahme von Steenkamps Leiche erscheint.
Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche. Er bleibt aber dabei, dass er zwar geschossen hat, jedoch nicht wusste, dass sich Steenkamp in der Toilette aufhielt.
Nach sechswöchiger Unterbrechung, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen musste, erklären drei Psychiater und ein Psychologe übereinstimmend, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig war.
Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlags frei. Er wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen, das Strafmaß wird noch nicht verkündet. Es liegt allein im Ermessen der Richterin.
Nach viertägigen Anhörungen zum Strafmaß fordert die Staatsanwaltschaft mindestens zehn Jahre Haft. Die Verteidigung plädiert auf Hausarrest sowie gemeinnützige Arbeit.
Richterin Thokozile Masipa verurteilt Pistorius wegen der tödlichen Schüsse zu fünf Jahren Haft. Für den fahrlässigen Gebrauch einer Waffe in einem anderen Fall verhängt sie außerdem drei Jahre Haft auf Bewährung gegen den 27-Jährigen. Er wird nach der Strafmaßverkündung sofort ins Gefängnis gebracht.
Zunächst aber verzögert sich der Prozessbeginn um fast 90 Minuten, weil ein Übersetzer fehlt. Erst als die Richterin die Verhandlung gegen 11.30 offiziell eröffnet, werden zur Erleichterung der vielen live zugeschalteten Fernsehsender auch die drei ferngesteuerten Kameras eingeschaltet, die weite Teile des Prozesses weltweit übertragen werden. Strikte Auflagen beim Filmen sollen aber auch eine ungestörte Verhandlung gewährleisten und die Rechte des Angeklagten schützen. So werden alle Aussagen von Pistorius sowie der Zeugen der Verteidigung nicht direkt gezeigt. Live übertragen werden hingegen die Aussagen der 107 Zeugen der Anklage, der Polizisten und Experten aber auch die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger am Anfang und Ende des Verfahrens.
Mit dem Verlesen der Anklage durch Staatsanwalt Gerrie Nel geht es dann auch sofort zur Sache. Neben der Mordanklage sind im November noch weitere Anklagepunkte gegen Pistorius wegen Verstößen gegen das Waffenrecht hinzugekommen: Zum einen soll er 2012 durch das offene Dachfenster eines Autos Schüsse in die Luft abgegeben haben - mit der gleichen Waffe übrigens, die Steenkamp später tötete. Und nur wenige Wochen vor dem mutmasslichen Mord soll er bei einem Restaurantbesuch so lange fasziniert an der Waffe eines Freundes herumhantiert haben, bis sich ein Schuss löste, der aber nur in den Fußboden ging.
Staatsanwalt Nel gilt als harter Hund und einer der besten Strafverfolger des Landes. Vor ein paar Jahren hat er den amtierenden Polizeichef und späteren Interpol-Präsidenten Jackie Selebi wegen Korruption für 15 Jahre ins Gefängnis geschickt. Im Land kennt man Nel, seit er Selebi ins Gesicht sagte, er arroganter Lügner zu sein. Im vergangenen Jahr konnte Nel den damals für die erste Pistorius-Anhörung zuständigen Richter überzeugen, den Sportstar wegen Mordes anzuklagen. Nun liegt es an an dem schlagfertigen Juristen, diesen Vorwurf auch zu beweisen.
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