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100 Frauen in der Kunst Wie ein Buch den Augenöffner spielt

Etabliert, vergessen oder aufgestiegen: Das Buch „I Love Women In Art“ entwirft ein imaginäres Museum bedeutender Künstlerinnen.
22.03.2021 - 10:20 Uhr Kommentieren
Die Herausgeberinnen der Anthologie „We love women in art“
Bianca Kennedy (li.) und Janine Mackenroth

Die Herausgeberinnen der Anthologie „We love women in art“

München Der Kunstmarkt und die Kulturszene sind nicht mehr blind für die Werke von Frauen. Künstlerinnen wie Helen Frankenthaler, Yayoi Kusama oder Louise Bourgeois durchbrechen auf Auktionen regelmäßig die Millionengrenze. Nur ist die Zahl der Malerinnen und Bildhauerinnen, die sich einen Platz im männlich dominierten Kunstolymp erobert haben, überschaubar.

Kunst von Frauen hinkt in der Wahrnehmung und zuerkannten Relevanz ihrer tatsächlichen Qualität hinterher, meinen die 1989 geborenen Künstlerinnen Bianca Kennedy und Janine Mackenroth. 100 künstlerische Argumente gegen diese gesellschaftliche Schieflage pressten sie zwischen zwei Buchdeckel.

Ihre Anthologie „I Love Women In Art“ ist ein so simpel wie originell konzipiertes Mosaik durch die Welt von Künstlerinnen, die in Deutschland zu den interessantesten etablierten, vergessenen bzw. aufsteigenden Akteurinnen gehören. Kennedy und Mackenroth baten Vertreterinnen der Kunst- und Kulturszene, anhand eines ausgewählten Werks eine in ihren Augen bemerkenswerte Künstlerin vorzustellen.

Drei Beispiele: Micaela Kapitzky vom Auktionshaus Grisebach sieht in der organischen Ruhe und zerstörerischen Kraft der Skulpturen Eva Hesses einen der wichtigsten Beiträge zur Sechzigerjahre-Avantgarde. Die Sammlerin Karen Boros lenkt den Blick auf die obszön verrenkten, von Konsum und hohlem Lifestylediktat charakterisierten Figuren der derzeit auf Biennalen und in Museen gefeierten Anna Uddenberg. Und Anne Buschhoff vom Kölner Wallraff-Richartz-Museum erinnert an die vom Markt noch immer distanziert aufgenommene, frühe Moderne-Vertreterin Paula Modersohn-Becker.

Mit den gängigen kunsthistorischen Abrissen über Kunst von Frauen hat dieses Buch kaum etwas gemeinsam; obwohl auch hier die Konflikte der Zeitgeschichte wie etwa feministische Selbstbehauptung, Sozialkritik und Durchkreuzung einer männlichen sexualisierten Perspektive fein eingewebt sind.

Die Künstlerin und Buchautorin kommentiert mit wandfüllenden, mit Nagellack realisierten Abstraktionen die männlich konnotierte Kunstwelt. Quelle: Eigenverlag von Bianca Kennedy und Janine Mackenroth; VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Janine Mackenroth

Die Künstlerin und Buchautorin kommentiert mit wandfüllenden, mit Nagellack realisierten Abstraktionen die männlich konnotierte Kunstwelt.

(Foto: Eigenverlag von Bianca Kennedy und Janine Mackenroth; VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Mit Kennerschaft ausgewählt und fern von allen Rankings und Rekordpreisen stellt es ein imaginäres Museum großartiger Künstlerinnen zusammen. Das liegt an der Kompetenz der Autorinnen. Kritikerinnen wie Isabelle Graw, Kuratorinnen wie Susanne Gaensheimer oder Sammlerinnen wie Julia Stoschek haben etwas zu sagen.

Nicht nur die kurzen Essays dieser drei Insiderinnen besitzen Leidenschaft und Tiefgang. Zeitlich beginnen die Text-Spots bei zwei anonymen Dominikanerinnen, die sich 1495 in einen Teppich eingewebt haben. Zu den Jüngeren gehört die multimediale, provokante Installationskünstlerin Anna McCarthy.

Dazwischen öffnet sich ein Spektrum von der Still-Fotografin Annette Kelm und dem feministischen Kollektiv „3 Hamburger Frauen“ bis zur Expressionistin Anita Rée und der Farbraumkreateurin Katharina Grosse. Warum die Herausgeberinnen ein Selbstporträt des Fotografen Harry Hachmeister akzeptierten, ist leicht erklärt. Bis vor kurzen hieß er Grit Hachmeister und verdeutlicht damit nur zu gut ein Anliegen des Bandes: Die Qualität von Kunst ist nicht vom Geschlecht abhängig.

Man kann das Buch auch noch von einer anderen Seite lesen. Zu den 100 Künstlerinnen gehören ebenso viele Frauen, die im Kunstmanagement und in der Kunstkritik eine gewichtige Stimme haben.

I love Women in Art. 100 Künstlerinnen vorgestellt von Frauen aus Kunst & Kultur. Hrsg.: Janine Mackenroth und Bianca Kennedy
Eigenverlag, München 2020
224 Seiten
32 Euro

Schwachpunkt des Konzepts ist, dass viele Autorinnen den Wirkradius ihrer eigenen Institution nicht überschreiten. Wenn etwa Manon Bursian von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt Margit Jäschke auswählt, ist PR in eigener Sache nicht weit. Für die publizierte Arbeit ließ sich die Hallenser Künstlerin von der Natursammlung des Städtischen Museum Aschersleben inspirieren. Legitim ist das allemal. Die Galeristinnen griffen auch nicht ins Portfolio der Konkurrenz. Nur schrumpft die Überzeugungskraft der Publikation dadurch.

Die Macherinnen dieses Buches gehören einer Generation an, die Diskussionen um Frauen in der Kunst nicht mehr in einer feministische Kampfarena ausfechten. Beide haben mit Anfang 30 bereits ihren Fuß in die Tür zur Kunstwelt gesetzt. Die in München lebende Janine Mackenroth kommentiert etwa mit wandfüllenden, mit Nagellack realisierten Abstraktionen die männlich konnotierte Kunstwelt. Werke von ihr existieren heute im Knockdown Center New York und in der Chanel Sammlung Hamburg.

Für obszön-groteske Skulpturen wie „Savage #5“ von 2017 wird die 1982 geborene Künstlerin gefeiert (Ausschnitt). Quelle: Gunter Lepkowski /Boros Collection, Berlin
Anna Uddenberg

Für obszön-groteske Skulpturen wie „Savage #5“ von 2017 wird die 1982 geborene Künstlerin gefeiert (Ausschnitt).

(Foto: Gunter Lepkowski /Boros Collection, Berlin )

Bianca Kennedy, Wahlberlinerin, hat mit ihren verstörenden Stop-Motion-Videos beim Loop Festival in Barcelona oder beim CCBB Rio de Janeiro Preisjurys überzeugt. In diesem Jahr ist die Beteiligung an einer Ausstellung im Goethe Institut in Paris geplant. Von beiden waren unlängst Motive für eine öffentliche Kampagnen zu 100 Jahren Teilhabe von Frauen am politischen Alltag ausgewählt.

Der Link zur Kunstwelt ist kurz. Anlass zu „I Love Women In Art“ war dann der 100. Jahrestag der Zulassung von Frauen an deutschen Kunstakademien im Jahr 1920. Seither hat sich viel getan und einfach war der Kampf um die heutige Akzeptanz gewiss nicht. Die 100 Kunstwerke im Buch erzählen nur indirekt davon. Die Bilder sprechen für sich.

Künstlerinnen sind auf dem Vormarsch, weil ihre Werke stark, intensiv, progressiv und sensibel sind. Erstaunlich ist nur, dass die Namen Richter, Rauch, Fetting, Gursky immer noch lockerer auf der Zunge liegen als Hanne Darboven, Rebecca Horn oder Jorinde Voigt. Das Statement des Bandes aber ist eindeutig: Es gibt keinen Grund, dass in vielen Sammlungen, Museen und auf dem Kunstmarkt weiterhin ein Ungleichgewicht der Geschlechter existiert.

Mehr: Frauen in der Kunst: Mauerblümchen wider Willen: Warum die Ungleichheit der Geschlechter im Kunstmarkt so verankert ist

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