Abu Dhabi Louvre Dialog der Kulturen
Prunk für ein besseres Image – das ist Abu Dhabis neuer Louvre
Abu Dhabi Frankreichs Stararchitekt Jean Nouvel nennt Museen „Sammelbecken der Emotionen“, als er anlässlich der feierlichen Eröffnung des Louvre Abu Dhabi durch den von ihm konzipierten Museumskomplex führt. Er ist ist ab Samstag zugänglich. Jean Nouvel erhielt den Auftrag bereits vor elf Jahren, als das Emirat Abu Dhabi beschloss, auf der Insel Saadiyat fünf Museen zu bauen. Sie markieren den kulturellen und touristischen Anziehungspunkt für die Zeit nach dem Ende der Erdölförderung. Dass der Louvre Abu Dhabi (LAD) auf der Insel des Glücks vor den anderen Museen fertiggestellt wurde, hat finanzielle und diplomatische Gründe. Nahe bei Abu Dhabi existiert der wichtige französische Militärstützpunkt Al Dhafra mit etwa 700 stationierten Soldaten. Von dort starten auch die „Rafale“-Angriffsflugzeuge der USA, die Positionen des sogenannten „Islamischen Staats“ im Irak und in Syrien bombardieren.
In diesem Sinne ist es logisch, dass der Gründung des LAD ein Staatsvertrag zwischen Frankreich und Abu Dhabi zugrunde liegt. Das boomende Emirat lässt sich das – neben den Baukosten von ursprünglich angesagten 582 Millionen Euro – etwa eine Milliarde Euro kosten: für die Nutzung des Namens „Louvre“ (400 Millionen Euro), für die Gesamtorganisation von temporären Ausstellungen in Abu Dhabi (195 Millionen Euro für 15 Jahre) und zehn Jahre lang Leihgaben für die permanente Ausstellung (190 Millionen Euro). Für die Gesamtorganisation gründete Frankreich die Agence France-Muséums. Ihr gehören vorwiegend Kunsthistoriker an, die sowohl für die Ausstellungen verantwortlich zeichnen wie auch in den Ankaufskommissionen sitzen. Derzeit umfasst die LAD-Sammlung 230 Objekte.
Zu den erwähnten Kosten addieren sich die immensen Transport- und Versicherungsbeträge für die aus Frankreich zur Verfügung gestellten Werke. Diese Kosten trägt das Emirat, wie der Leiter der Kultur- und Tourismus-Abteilung, Mohamed Khalifa Al Mubarak, bestätigt. Gleichzeitig bestreitet er das – bisher bekannte – Jahresankaufsbudget des LAD von 40 Millionen Euro, indem er darauf hinweist, dass das Budget selbstverständlich dem jeweiligen Marktangebot angepasst werde.

Höhepunkte der Menschheitsgeschichte.

Alte Kunst für das junge Touristen-Drehkreuz am Persischen Golf.
Jean Nouvels Museumsbau erweist sich als ein architektonisches Statement ersten Ranges, das sich auf die Farben Weiß, Schwarz und Grau beschränkt. Der Star baute eine Folge von weißen Kuben, vergleichbar mit den Häusern arabischer Städte, wie er betont. Wobei er sich als „kontextueller Architekt“ bezeichnet, das heißt, seine Gebäude sind auf die jeweiligen geografischen und zivilisatorischen Gegebenheiten abgestimmt.
Seine Architektur geht von der ursprünglich nur aus Sand bestehenden Insel aus, wo man nur Himmel und Meer sah. Nouvel behält den Ausblick auf Meer und Himmel an vielen Stellen des Museums bei, um den Besuchern das Gefühl eines „auf dem Meer schwebenden Museums“ zu vermitteln und die Angst des Eingesperrtseins im buchstäblich labyrinthischen Saalplan zu reduzieren.
Das gesamte Gebäude ist mit einer silbergrauen Flachkuppel überdeckt, die zugleich als klimatischer und thermischer Schutz dient. Mit ihrem Durchmesser von 180 Metern bedeckt sie die gesamte 97.000 Quadratmeter umfassende Museumsfläche. Sie besteht aus einem technisch und optisch komplexen Geflecht aus Stahl, welches das Büro Jean Nouvel mit der Wiener Baufirma Waagner Biro realisierte. Die Kuppel ist lichtdurchlässig und reflektiert das Lichtspiel auf die weißen Mauern. Auch sie spielt auf klassische arabische Bauprinzipien an und ist inzwischen zum Symbol des LAD geworden.
Während der Anfahrt über die neue Brücke sieht der 40 Meter hohe Museumsbau allerdings weder spektakulär noch riesig aus. Erst das Innere vermittelt den Eindruck von Großzügigkeit und Weite. Im Eingangsbereich hängt die neunteilige, blau-weiße Bilderserie von Cy Twombly aus dem Jahr 2008, die Galerist Larry Gagosian angeblich dem Louvre Abu Dhabi teuer verkaufte.

Stahl ließ der Architekt Jean Nouvel von der Wiener Baufirma Waagner Biro verflechten.
Der Architekt ist für alle Details, auch für die Museografie verantwortlich. In Nouvels speziell konzipierten, asymmetrischen Vitrinen schweben die Objekte quasi auf ihren Glassockeln. Sie repräsentieren verschiedene Zivilisationen und Perioden der Menschheitsgeschichte, die bewusst miteinander konfrontiert werden. „Der Louvre Abu Dhabi ist kein kunsthistorisches Museum“, erklärt der Generaldirektor des Pariser Louvre, Jean-Luc Martinez . „Wir wollen einen Dialog zwischen den Zivilisationen schaffen und besonders auf die technischen Erfindungen hinweisen, die weltweit, aber nicht zum gleichen Zeitpunkt, gemacht wurden“, erläutert der Spezialist für den griechisch-römischen Kulturkreis. Zur Illustration dient ihm eine Vitrine zum Thema „Mutterschaft“: Sie zeigt eine um 1320 aus Elfenbein gedrechselte „Madonna mit dem Kind“, die bei Sotheby’s am 19. November 2007 in Paris für 432.250 Euro versteigert wurde, die der Louvre Abu Dhabi aber 2010 sicher teurer ankaufte. Daneben sitzt eine dunkle ägyptische Bronzeskulptur der Isis mit Sohn sowie eine honigfarbene Mutterdarstellung des Stammes Phemba aus dem Kongo.
Diese Vitrine ist typisch für den gesamten 6.400 Quadratmeter umfassenden Parcours der permanenten Ausstellung. Er führt chronologisch von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Immer wieder lassen die Gegenüberstellungen erstaunen. Wie sich Besucher ohne solide Vorbildung darin zurechtfinden, ist die – angeblich bewusst gestellte – Frage.
In jedem Fall sorgen zwei Drittel der großen Räume für reines Seh- und Bildungsvergnügen. Hier bewundert man insgesamt rund 600 Werke, die aus der Sammlung des LAD, des Louvre beziehungsweise auch anderer französischer Museen stammen. Selbst ein jordanisches Museum stellte eine 8.500 Jahre alte Skulptur zur Verfügung. Besonders eindrucksvoll sind die enormen Skulpturengruppen aus Frankreich. Dass die französische Malerei ab dem 17. Jahrhundert derzeit dominiert, geschehe auf den ausdrücklichen Wunsch des Emirats, unterstreicht Louvre-Direktor Jean-Luc Martinez.
In den Sälen des späten 19. und 20. Jahrhunderts dagegen kommt es zu befremdlichen Nachbarschaften. Neben ozeanischer und afrikanischer Stammeskunst befindet sich der einzige Samowar, den der Wiener Designer Josef Hoffmann entwarf. Drumherum ringen Gemälde von Edouard Manet, Vincent van Gogh, ein schlechter Paul Gauguin oder Piet Mondrians „Komposition mit Blau, Rot, Gelb und Schwarz“ (aus der Sammlung YSL/Pierre Bergé für 21,6 Millionen 2009 ersteigert) um Aufmerksamkeit. Mühsam sind die letzten Säle, wo Malerei von Wassily Kandinsky bis Jackson Pollock, Yves Klein, Kazuo Shiraga und Andy Warhol dicht an dicht hängt. Zum Abschluss glänzt eine Auftragsarbeit von Ai Weiwei, „Fountain of Light“: ein Glitzerlüster nach Tatlins Turm und eine Anspielung auf den Turmbau zu Babel.
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