Altmeisterauktionen in London Barock' n' Roll

„Lot mit seinen Töchtern“ von Peter Paul Rubens: Das prachtvolle Gemälde ist mit viel Liebe zum Fleisch in Szene gesetzt.
London Das Kauffieber der Zeitgenossen-Auktionen in London, die im Juni alle sehr gut verliefen, steckte auch die Altmeisterauktionen im Juli an. Am Ende von drei Wochen mit starken Ergebnissen und einer Anzahl von Preis-Weltrekorden hielten sich auch im Marktsegment mit Altmeistergemälden, -zeichnungen und -graphik die Sammler nicht zurück. Dieses Jahr konnten sie trotz erschwerter Akquise, wie die Häuser betonten, dennoch aus einem guten Angebot auswählen.
Das Spitzenlos der Woche stellte ein großformatiges Gemälde von Peter Paul Rubens aus den Jahren 1613 bis 1614 dar. „Lot mit seinen Töchtern“, das auf ungefähr 20 Millionen Pfund geschätzt war, gab einem Sammler eine einmalige Chance, ein Meisterwerk des Künstlers aus Privatbesitz, in gutem Zustand und mit erstklassiger Provenienz bei Christie’s zu ersteigern. Diese Chance wollten sich dann auch einige nicht entgehen lassen, und nach einem 14-minütigen Bietgefecht zwischen asiatischen und amerikanischen Bietern am Telefon und einem englischen Kunsthändler im Saal wurde die Arbeit dann für 44,9 Millionen Pfund zugeschlagen – ein Rekordergebnis für das Haus im Altmeisterbereich.
Den Weltrekord für das teuerste je versteigerte Altmeistergemälde hält ebenso ein Rubens-Werk inne. Der „Bethlehemitische Kindermord” war 2002 bei Sotheby’s für 49,5 Millionen Pfund verkauft worden. „Lot“ tourte durch die Welt und war auf Vorbesichtigungen in Hongkong und New York zu sehen gewesen, was das Interesse sicherlich vor allem im asiatischen Raum gesteigert hatte. Die beliebte biblische Geschichte, die von Inzest spricht, wird von Rubens in einer an die Antike angelehnten Konfiguration mit viel Liebe zum Fleisch und großer Intimität in Szene gesetzt.

Die Skulptur versechsfachte ihren Preis.
Aber nicht nur dieses Gemälde verschaffte Christie’s einen rundum erfolgreichen Abend mit 93 Prozent verkauften Arbeiten nach Wert und 77 Prozent bei Los, mit einem Gesamtumsatz von 65,4 Millionen Pfund.
Es gab weitere Höhepunkte wie den Zyklus „Die vier Jahreszeiten“, ein seltenes, voll erhaltenes Set mit bäuerlichen Szenen von Pieter Brueghel II. aus dem Jahr 1624, das bei geschätzten drei bis fünf Millionen Pfund für 6,5 Millionen Pfund verkauft wurde. Es befand sich fast 100 Jahre lang in privatem Familienbesitz.
Himmel und Wolken
Bemerkenswert war auch ein starkes Interesse an Porträts aus dem 17. Jahrhundert. Arbeiten von Künstlern wie William Larkin oder Cornelis van der Voort erzielten Preise weit über der oberen Schätzung. Ein Vielfaches der Schätzung erzielte auch eine wunderbar typische Landschaft des Niederländers Jacob van Ruisdael. Der „Blick auf Harlem“ sprang von taxierten 300.000 bis 500.000 Pfund schnell auf 1,5 Millionen Pfund. Die fast quadratische Komposition, die zu zwei Dritteln aus Himmel und Wolken besteht, war schon einmal im Jahre 1891 von Christie’s versteigert worden, bevor das Bild dann durch Vermittlung von Agnew’s an die Guiness-Familie, man denke an das gleichnamige Bier, verkauft wurde. Deren exquisite Sammlung befindet sich heute noch weitgehend in Kenwood House. Bernardo Bellottos Venedig-Ansichten (zwei bis drei Millionen Pfund) aus dem 18. Jahrhundert verkauften sich ebenfalls sehr gut und erzielten 3,6 Millionen Pfund.
Kam die Christie’s-Auktion insgesamt mit viel Schwung und Elan daher, verlief Sotheby’s Auktion am Vorabend schwächer, nur 28 von 43 Arbeiten konnten Käufer finden.
Das Haus hatte ein gemischtes Programm im Angebot, dem die Höhepunkte fehlten. So konnten zwar einige Weltrekorde erzielt werden; aber es gab auch immer wieder Arbeiten, die keine Abnehmer fanden. Pieter Claesz’ Stillleben von 1629, dessen untere Schätzung bei 1,8 Millionen Pfund lag, fand keinen Käufer. Die triste Komposition war wohl zu hoch geschätzt worden. Auch ein Paar Hafenansichten des Franzosen Claude-Joseph Vernet von 1752, auf drei bis fünf Millionen Pfund geschätzt, ging unverkauft zurück.
Bauerntanz zum zehnfachen Schätzpreis
Einer der Höhepunkte des Abends war auch hier eine Bauernszene. Ein neu publiziertes Gemälde von Martin van Cleve, „Hochzeitstanz im Freien“ (100.000 bis 150.000 Pfund), ging für das Zehnfache der unteren Schätzung mit einer Million Pfund an den englischen Handel.
Ein ebenso gefälliges Blumenstillleben von Jan Brueghel dem Älteren fand großes Interesse. Das Gemälde, das erst kürzlich an die Erben von Alphonse de Rothschild restituiert worden war, erbrachte bei einer Schätzung von drei bis vier Millionen Pfund 3,9 Millionen. Brueghel war einer der ersten Maler, die das Sujet des Blumenstilllebens zur unabhängigen Gattung machten. Die Qualität der angeboten Arbeit überzeugte und die Provenienz half sicherlich auch.
Zum teuersten Los des Abends, der insgesamt nur 16,46 Millionen Pfund einspielte, wurde Jean-Étienne Liotards anmutiges Porträt „Holländisches Mädchen beim Frühstück“. Das kleinformatige Gemälde war erst kürzlich in der Liotard-Ausstellung in der Royal Academy in London zu sehen gewesen; es besticht gleichermaßen durch eine simple Komposition wie aber auch durch die exquisite Oberflächengestaltung, die der Maler vor allem im Kleid des Mädchens und in der Tischplatte zum Ausdruck bringt. Auf vier bis sechs Millionen Pfund geschätzt, verkaufte es sich im unteren Bereich für 4,4 Millionen Pfund und ging an eine Institution.
Von Interesse für deutsche Leser ist vor allem ein Porträt des aus Nürnberg stammenden Malers Barthel Beham. Sein Porträt von Ludwig X. von Bayern, das er 1535 während seiner Jahre als Hofmaler in München schuf, war heftig umkämpft und fand erst für 317.000 Pfund einen Käufer. Es war auf nur 60.000 bis 80.000 Pfund geschätzt
Insgesamt sieht man auch im Altmeisterbereich gegenwärtig eine Stärkung des Markts. Internationale Käufer ersteigern durch Telefonangebote diskret Spitzenware. Asien hat sein Interesse ausgeweitet, verfeinert und ist verstärkt aktiv. Oftmals kann da der Handel nur tatenlos zuschauen. Marktfrische zählt mehr als die Malereigattung, obwohl dem Marktbeobachter ein Nachlassen des Interesses an Frühitalienern auffällt.
Die Konsequenzen für den Standort London in der Nachbrexitphase zeichnen sich noch nicht ab. Da muss man die Herbstmessen und die politischen Rahmenbedingungen abwarten.
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