Antiquitätenmesse und „Paris Photo“: Zwei Kunstmessen in Paris: Gedämpfte Kauflust zur Eröffnung

Das Autochrome von Aschenputtels Schuh datiert um das Jahr 1920.
Paris. Edel, gediegen, geschmackvoll und kostspielig gibt sich die neue Messe „Fine Arts Paris & La Biennale“. Sie entstand aus dem Zusammenschluss der vor fünf Jahren gegründeten „Fine Arts Paris“ mit der einst noblen Antiquitätenbiennale, zuletzt „La Biennale“ genannt. Unter der neuen, sperrigen Bezeichnung „Fine Arts Paris & La Biennale“ betrachtet man bis zum 13. November 86 oft aufwendig gestaltete Stände in den unterirdischen Sälen des Carrousel du Louvre.
Der großzügige Eingangsbereich führt subtil in das weit gestreute Angebot ein: links der Stand des in Brüssel tätigen Moderne-Galeristen Jacques de la Béraudière mit einem weißen Gerüst, auf dem die Skulpturen von Germaine Richier scheinbar schweben. Daneben die gestylte, schokoladenfarbige Präsentation für afrikanische Skulpturen und Masken des Pariser Händlers Alain de Monbrison.
Gegenüber offeriert die Pariser Galerie Sisman ihre Skulpturen von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert, und einige Schritte weiter funkeln die kostbaren Edelstein-Kreationen der jungen Chinesin Feng J. Hinter einem Megaspiegel bewundert die Besucherin einerseits die afrikanischen Objekte des Brüsseler Galeristen Didier Claes, andererseits die islamische Kunst der Galerie Kevorkian.
Skulptur und Malerei zählten zu den traditionell starken Segmenten der „Fine Arts Paris“. Jetzt stießen weitere Gemäldegalerien dazu. Der Pariser Kunsthändler Giovanni Sarti verfügt über ein von Bartolomeo di Tommaso da Foligno 1437 mit Tempera gemaltes Tafelbild des „Heiligen Hieronymus in der Wüste“, der von Schlangen und einem Skorpion bedroht ist. Der schlichte, die Diagonale wahrende Bildaufbau ist von erstaunlicher Modernität.
Das Gemälde-Angebot geht generell zum 19. Jahrhundert wie zum Beispiel bei dem Pariser Galeristenduo Talabardon & Gautier. Das hat eines der nur 24 Gemälde von August Kopisch, vermutlich im letzten Jahr bei Neumeister in München ersteigert.
Das farbenprächtige Querformat, „Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang“, wurde für 169.000 Euro brutto versteigert. Es soll nun nach Reinigung, inklusive des Originalgoldrahmens, 385.000 Euro kosten. Vom 26. November bis 4. April 2023 leihen es die Galeristen – oder sein zukünftiger Sammler – der Kunsthalle Bremen für die Schau „Sunset. Ein Hoch auf die sinkende Sonne“, die 120 Stimmungsgemälde vereint.

Der Schreibtisch mit Bronzebeschlägen nach chinesischen Motiven wird der Werkstatt der Söhne von André-Charles Boulle zugeschrieben.
Verblüffend im wahrsten Sinne des Wortes sind die zwei dem Mobiliar und Kunsthandwerk des 18. und 19. Jahrhunderts gewidmeten Stände der Pariser Galeristen Benjamin Steinitz beziehungsweise Guillaume Léage.
Léage hat der Boiserie-Spezialist Guillaume Féau seine Originalvertäfelungen mit Spiegeln zur Verfügung gestellt, um einem seltenen neoklassischen Blumenständer aus Stahl mit vergoldeten Bronzeaufschlägen, den luxuriösen Rahmen zu verleihen. Zugeschrieben wird die „Jardinière“ Jean-Louis Prieur.
Steinitz, der den Preis für die „fantastischste“ Standgestaltung der Messe erhielt, entschied sich für ein dunkles Ambiente mit an China orientiertem Mobiliar. Besonderes Augenmerk liegt auf einem großen Schreibtisch mit Bronzebeschläge nach chinesischen Motiven. Er wird der Werkstatt der Söhne von André-Charles Boulle zugeschrieben.
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Heinrich Graf von Brühl, Premierminister des Kurfürsten August von Sachsen und König von Polen, soll diesen Schreibtisch angeblich vor dem englischen Zweig der Familie Rothschild benutzt haben.
Übrigens wagt nur eine Deutsche die Teilnahme. Die Kunsthandlung Rumbler aus Frankfurt punktet mit einem Rembrandt-Kupferstich, „Selbstporträt mit gerunzelter Stirn“ von 1630, wofür sie 340.000 Euro erwartet.
Zwei Pariser Galerien für zeitgenössische Kunst, RX und Christophe Gaillard, stellen sowohl auf der Fine Arts Paris & La Biennale als auch auf der gleichzeitig stattfindenden 25. „Paris Photo“ im Grand Palais Ephemère bis 13.11. aus.
Im Gegensatz zur ersten Messe, auf der 66 französische Galeristen dominieren, kann die weltweit führende Paris Photo ihre internationale Beteiligung in die Waagschale legen. Auch das dementsprechend vielsprachige, besonders englisch, französisch und deutsch sprechende jüngere Publikum ist ein Pluspunkt. Dagegen waren die 4200 Vernissage-Besucher der Fine Arts Paris & La Biennale zum Teil über 65 Jahre, sachkundig und betucht im wahrsten Sinn des bürgerlichen Outfits.

Der auf Aluminium gezogene Silbergelatineprint findet sich auf der Paris Photo auf dem Stand der Yossi Milo Gallery, New York.
Auf der Paris Photo sieht man viele Amerikaner, sowohl Sammler wie Museumsgruppen, entsprechend dem Ruf der 1997 gegründeten Messe. Hier zeigen die New Yorker Galerien H. P. Kraus, Edwynn Houk und der Münchener Daniel Blau nach wie vor historische Toppfotos. Wenn auch in geringerer Zahl als früher.
Das qualitativ hochstehende Angebot an Fotografie der Zwischenkriegszeit der Berlinerin Annette Kicken und von Zeitgenossen der Kölnerin Priska Pasquer fehlt leider in diesem Jahr. Dagegen findet man unter den Neuzugängen einige Asiaten oder Osteuropäer, aber keine Entdeckungen.
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Der Gesamteindruck dieser 25. Ausgabe mit gut 180 Ausstellern, inklusive Verlegern, ist zufriedenstellend. Nicht mehr. Die Direktorin der Paris Photo, Florence Bourgeois, sieht beunruhigt aus. Wenn die Messe kein kommerzieller Erfolg für die Aussteller und den Organisator RX France wird, könnte dies ihre Existenz bedrohen.
Genau das war der „Fiac“-Messe passiert, gleichfalls organisiert von RX France. Sie hatte in den Coronajahren finanzielle Probleme, behaupten Gerüchte in Paris. Da das französische Kulturministerium, dem die Vereinigten Museen und das Grand Palais unterstehen, auf verlässliche Bezahlung ihrer Mieten besteht, wurde der Oktobertermin der Fiac kurzerhand an die Konkurrentin „Art Basel“ vergeben.
Erwähnenswert sind im Parcours dennoch einige monografische Stände: die Schwarzweiß-Fotos von Marina Abramovic bei der Galerie Wilde aus Genf; das Aufrollen der Laufbahn des „Enfant terrible“ ORLAN mit ihrer provokanten Körperkunst bei Ceysson & Bénétière aus Paris.

Der Pariser Galerist Eric Dupont stellt den französischen Fotografen Mathieu Pernot in den Mittelpunkt. Von Pernot konnte er gleich am ersten Abend, der den Kunden des Sponsors, der Bank JP Morgan, vorbehalten ist, eine Arbeit aus der Serie „Mossul“ an einen Hamburger Privatsammler abgeben.
Bei Gagosian ist die Konfrontation von Sally Mann mit Deana Lawson interessant, die jeweils Fotos aus dem Werk der Kollegin auswählten. Bei Pace aus New York locken die Unikate der Amerikanerin Sheila Hicks, die ihre bunten Fäden über die Modefotografien von Paolo Roversi zieht, zu Preisen zwischen 25.000 und 35.000 Dollar. Die Kauffreude war auf beiden Messen anfangs leider ziemlich moderat.
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