Art Basel Hongkong Ein Virus bringt die Messe in Bedrängnis

Wenn sie stattfindet, dann im beschwingten Kongresszentrum am Meer. Die Kunstmesse ist der Asien-Ableger des Schweizer Kunstmessen-Multis.
Berlin Die Leitung der Art Basel ist aktuell nicht zu beneiden. Immer mehr auswärtige Aussteller der Art Basel Hongkong (ABHK) im März fordern die Absage der Veranstaltung. Etliche Galeristen verlangen die Rückerstattung ihrer bereits bezahlten Standgebühren wegen der Coronagrippe und vor dem Hintergrund andauernder Unruhen. Gleichzeitig hat die Muttergesellschaft MCH Group massive wirtschaftliche Probleme.
Das alles beherrschende Thema ist zur Zeit das Coronavirus, das bereits in Hongkong nachgewiesen wurde. Dabei scheinen viele unrichtige Informationen in Umlauf zu sein, etwa die, dass die UBS ihre 2.500 Mitarbeiter aufgefordert habe, zu Hause zu bleiben und Home Office zu machen.
Laut eines UBS-Mitarbeiters vor Ort handele es sich dabei jedoch ganz klar um Falschmeldungen. In den Büros der Bank werde normal gearbeitet. Die Mitarbeiter würden lediglich mit Schutzmasken versorgt, und es werde verstärkt desinfiziert. Vom Festland zurückkehrende Mitarbeiter müssten allerdings für 14 Tage in Quarantäne.
Zwei für Anfang März geplante Juwelenmessen wurden bereits in den Mai verschoben. Für die Galerien vor Ort wäre eine Absage der ABHK eine Katastrophe, nicht nur wegen des unmittelbaren Umsatzausfalls. Schließlich hat die lokale Kunstszene mit ihrer internationalen Ausrichtung erst mit der Ankunft der Schweizer richtig Fahrt aufgenommen.
Und in einer Stadt, die derartig vom Kommerz geprägt ist, spielt die Kunst eine tragende Rolle für die Zivilgesellschaft. Nicht zuletzt fühlen sich die Bürger durch sie international wahrgenommen. Gerade in Zeiten wachsender Einflussnahme durch die chinesische Regierung ist die Aufmerksamkeit der Kunstwelt und der Medien ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Fred Scholle von der einheimischen „Galerie du Monde“ hatte daher zunächst wenig Verständnis für die Argumentation auswärtiger Galeristen. Er empfand deren Forderungen zunächst als wenig feinfühlig bis spalterisch. Mittlerweile ist er aber vor allem wütend über die zögerliche Reaktion der Stadtregierung auf den Ausbruch des Virus: „Die Grenze ist immer noch an drei Stellen offen. Das medizinische Personal wird so lange streiken, bis alle Grenzübergänge geschlossen sind“, empört er sich am Telefon.
„Wenn ein Boot löchrig ist und man nur einen Teil davon stopft, wird es immer noch sinken“, ergänzt Scholle. Die Regierung von Hongkong scheint das nicht zu verstehen. „Obwohl führende Mediziner vor Ort die vollständige Schließung der Grenzen schon vor Wochen empfohlen haben.“

Blick in eine Ausstellung von Michael Muller.
Um die Auswirkungen einer Absage der Messe in diesem Jahr ist er weniger besorgt: „Ich glaube nicht, dass eine Absage bleibenden Schaden anrichten wird. Viele andere Events sind bereits gestrichen, und jeder erwartet diesen Schritt.“ Die Eindämmung des Virus‘ sei zur Zeit die Hauptsorge aller. Die ABHK werde nächstes Jahr zurückkehren und das so stark wie immer.
Die Top-Galeristin Dominique Lévy, die mit Lévy Gorvy – neben New York und neuerdings Zürich – auch einen Standort in Hongkong hat, gibt sich diplomatisch: „Ich glaube, das Beste, was wir tun können, ist die Messe Schweiz in ihrer Entscheidung zu unterstützen.“
Die Frage der Absage sei jedoch aktuell nicht zentral für sie: „Viel wichtiger ist es, was mit den Menschen in Hongkong passiert und nicht, ob es eine Kunstmesse gibt oder nicht. Die Messe ist so wichtig für die Stadt und es ist eine schwierige Entscheidung. Aber wir werden die MCH bei allem unterstützen, was sie entscheidet.“
Die Messegesellschaft zögert
Rosemarie Schwarzwälder von der Wiener Galerie Nächst St. Stephan hat den Ausfall bereits einkalkuliert: „Die Absage der Messe würde uns hart treffen. Schließlich ist es unsere wichtigste Veranstaltung in Asien.“ Gleichwohl hat sie vorgesorgt: „Normalerweise schicken wir die Kunstwerke mit dem Schiff nach Asien.
Angesichts der Unruhen und der damit verbundenen Unsicherheit haben wir uns aber schon früh entschlossen, dieses Jahr auf einen Transport per Flugzeug zu setzen, damit wir flexibel reagieren können. Zum Glück hat einer unserer Künstler ein Atelier in Hongkong. So oder so werden wir uns zu helfen wissen.“
Die Messegesellschaft hält sich bis zuletzt alle Optionen offen. Selbst die Frage, ob eine Versicherung gegen den Ausfall eines Events besteht, möchte sie nicht beantworten. Ein Sprecher der Muttergesellschaft MCH Group lässt auf Anfrage des Handelsblatts lediglich verlauten: „Wir verfolgen seit Wochen die Entwicklung sowie die Maßnahmen und Empfehlungen der Behörden aufmerksam. Natürlich stehen wir auch in einem ständigen und engen Kontakt zu unseren Kunden, deren Meinung wir sehr ernst nehmen. Wir informieren, wenn der diesbezügliche Entscheid gefällt sein wird.“
Misere zur Unzeit
Sandy Angus und Tim Etchells, deren Messe „Art Central“ in einem riesigen Zelt neben dem Convention Center, dem Austragungsort der ABHK, stattfindet, wollten sich auf Nachfrage ebenfalls nicht festlegen. Sie beobachteten die Entwicklung sehr genau, ließen sie wissen. Im Klartext: Bevor die Schweizer nicht absagen, tun sie es auch nicht. Dabei ist ihre Veranstaltung bei Ausstellern und Besuchern viel stärker vom einheimischen Markt auf beiden Seiten der Stadtgrenze abhängig.
Für die MCH Group kommt die Misere zur Unzeit. Die Messegesellschaft ist ins Schlingern geraten, seitdem ihrem ehemaligen Flaggschiff, der Uhrenmesse Baselworld, die Aussteller wegbrechen und massive Abschreibungen fällig wurden, die das Eigenkapital nahezu aufgezehrt haben.
Diese Schwäche dient Kräften in der Politik und der Messe selbst als Argumentationshilfe bei ihren Forderungen nach einer weitergehenden Privatisierung des Unternehmens. Denn die MCH Group ist zwar börsennotiert, doch die Städte und Kantone Basel und Zürich halten zusammen 49 Prozent des Aktienkapitals und eine Mehrheit der Stimmen.
Aktionäre mit Ambitionen
Gerade erst hat der Verwaltungsratsvorsitzende Ulrich Vischer auf einer außerordentlichen Generalversammlung Kapitalbedarf angemeldet. Erzwungen hatte die Versammlung Erhard Lee, der neuerdings mit seiner AMG Fondsverwaltung AG in Zug mit rund zehn Prozent größter privater Einzelaktionär ist.
Ebenfalls mit über drei Prozent neu an Bord ist Sergey Skatershikov, der vielen Kunstmarktbeobachtern noch von seinen nicht immer rühmlichen Engagements bei der Datenbank Artnet, der Wiener Kunstmesse damals „Viennafair“, dem Kunstmarktportal Artnews oder dem OnlineVersteigerer Paddle8 bekannt ist.
Eine Kapitalerhöhung der MCH Group AG würde möglicherweise über die Börse abgewickelt werden und das Ende der öffentlichen Stimmenmehrheit bedeuten. Ob die aktivistischen Aktionäre wirklich die Absicht und das Know How haben, eine sehr besondere Veranstaltung wie die Art Basel im Sinne des Kunstmarkts langfristig erfolgreich zu führen, darf durchaus bezweifelt werden.
Dass externe Faktoren wie eine Demokratiebewegung und ein Fledermausvirus ihnen in die Hände spielen könnten, ist bedauerlich.
Coronavirus hat Folgen für Deutschlands Tourismus
Mehr: Ein harter Schlag für die Art Basel: Lesen Sie hier über die neuen Strategien einer Messe in schwieriger Geschäftslage
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.