Art Cologne Skulpturen satt und jede Menge Malerei: Die Mutter aller Messen legt einen schwungvollen Neustart hin

Ai Weiweis bronzeabgeformte Urwaldwurzel „Iron Root“
Köln Es war fast wie in alten Zeiten. Das zur Preview geladene Publikum strömte auf die Art Cologne, als böte sich in Halle 11 die letzte Chance auf diesem Planeten, Kunst live zu erleben, Gespräche zu führen und Käufe anzubahnen (bis 21.11.).
Zwei Mal war Deutschlands führende Messe für Moderne, Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst Pandemiebedingt verschoben worden. Doch nun erschien sie wie auferstanden, allerdings in neuartiger Übersichtlichkeit, mit den jüngeren Positionen in Halle 11.2. sowie der Moderne und Nachkriegskunst unten in Halle 11.1.
Extra breit hatte Messechef Daniel Hug die Gänge anlegen lassen, Maskenpflicht und 3 G angeordnet. So kommt nur rein, wer geimpft, genesen oder getestet ist und sein Ticket online ordert.
Das luftige Erscheinungsbild täuscht über die geschrumpfte Zahl ausstellender Händler hinweg. Für die ausgefallene Ausgabe von 2020 waren 183 Galerien angekündigt worden. 2021 treten 140 an sowie rund zehn Editionen. Es fehlen einige der großen Galerien, die Standorte weltweit haben, so wie Hauser & Wirth oder Zwirner. Doch sie werden vermutlich angesichts der zurzeit dicht aufeinander folgenden internationalen Leitmessen gut auf die Art Cologne verzichten können.
Aber werden die Global Player überhaupt vermisst? „Wir zeigen alle auch internationale Arbeiten“, hält der Münchener Galerist Walter Storms dagegen. Viele deutsche Künstlerinnen und Künstler, die von den dieses Jahr nicht teilnehmenden „großen“ Galerien vertreten würden, seien dennoch durch ihre europäischen oder deutschen Galerien bestens vertreten und sichtbar.

Das Trojanische Pferd für den Kunsthandel oder Beleg für die totale Demokratisierung des Kunstmarkts? Je nach Sichtweise. Wer für 2 Ether (umgerechnet 7310 Euro bei Redaktionsschluss) bei Nagel Draxler Kenny Schachters NFT „The Last Soldier“ erwirbt, könnte den Blockchain gesicherten Datensatz – ein Video – später selbst wieder auf den Markt für Kryptokunst werfen. Aber dafür bräuchte man keine Galerie mehr.
„Unter den Umständen der weltweiten Pandemie ist es eine hochkarätig besetzte Messe“, findet Storms und verweist auf Topgalerien wie SprüthMagers, Thaddaeus Ropac, Esther Schipper und Daniel Buchholz.
Isa Gentzken ist bei Buchholz mit einer ihrer hochbeinigen Betonskulpturen (1989) zum inzwischen ansehnlichen Preisniveau von 750.000 Dollar vertreten. Etwas wohlfeiler die begleitenden Studien zu 20.000 Euro (netto). Bei Esther Schippers springen Rosa Barbas Lichtkästen ins Auge, in denen eine hin- und herdrehende Spule 35 mm-Filmstreifen in permanent sich windende Schlaufen legt. Kostenpunkt: je 72.000 Euro für die letzten beiden Exemplare von ursprünglich sieben Varianten, die ursprünglich für eine Ausstellung in der Nationalgalerie Berlin entstanden.
Grässlin hat die neuesten Gemälde von Markus Oehlen und Julian Feuser mitgebracht. Außen hängen kleine neue Wandreliefs von Imi Knoebel.
Der Gang über die Messe ist kurzweilig, auch wenn die Malerei wie üblich die Hauptrolle spielt. Es gibt jede Menge Objekte und Skulpturen zu entdecken – in kleineren wie in größeren Dimensionen – auch preislich; aber selten so wuchtig wie Ugo Rondinones autolackierte Bronzefigur bei Schippers oder so sparrig wie Ai Weiweis in Bronze abgeformte Urwaldwurzel „Iron Root“ bei Neugerriemschneider, deren Preis vorenthalten wird – gegen die Statuten der Messe. Von der Farbe her gedacht ist das Skulpturenangebot bei nächst St. Stephan, ebenso die Wandreliefs von Beverly Fishman bei Walter Storms.

Walter Storms hat aus seiner aktuellen Einzelschau ein Werk auf die Art Cologne mitgebracht. Kostenpunkt: 38.500 Euro.
Spannend wird der Rundgang, weil es dazwischen eben auch das Kleinformatige auf Papier, vereinzelt Fotografie und Videoinstallationen zu entdecken gibt. Bei Alexander Levy beispielsweise eine Position aus dem Förderprogramm „New Positions“, nämlich Mischa Leinkaufs fünf Meter lange Videoprojektion „Delineation“, eine ins Grafische übersetzte Abtastung von Grenzzäunen jener Art, die aktuell Schauplatz von Flüchtlingsdramen sind. Kostenpunkt: 8000 Euro.
Bei Sundheimer ist französische oder Frankreichinspirierte Kunst zu Gast, darunter auch eine autobiografisch interessante, ungewöhnlich große Tuschezeichnung von Yves Tanguy, die 44.000 Euro kosten soll. Knoell aus Basel zieht den Blick mit Kleinformatigem an, das nebeneinander auf Leisten an der Wand lehnt: eine Stickarbeit von Boetti, eine „komposition“ von Max Bill, ein Blatt von Meret Oppenheim unter anderem.

Kleinformatige Studien und Arbeiten auf Papier begleiten die Betonskulptur aus dem Jahre 1989.
Unter dem Strich spiegelt die Art Cologne, wie gut der Kunsthandel bislang durch die Pandemie kam. „Uns wurde geholfen“, konstatiert Karin Schulze-Frieling, Galeristin und zweite Vorsitzende im Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG). Es sei nicht wie befürchtet zu den Insolvenzen gekommen; dank diverser staatlicher Förderprogramme nebst einer Messeförderung, die allen, auch den ausländischen Ausstellern, einschließlich denen auf der parallel laufenden Cologne Fine Art & Design, 34 Prozent Standmiete ersparte.
Ein wunder Punkt ist und bleibt jedoch die vor sieben Jahren auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer. Deutsche Galeristen, die auch Folgerecht und Künstlersozialkasse zahlen, geraten im internationalen Wettbewerb fast immer ins Hintertreffen. So würden Peter Femfert von „Die Galerie“ aus Frankfurt 267.000 Euro bleiben von der mit 325.000 Euro angesetzten, drei Meter hohen Bronze von André Masson – vor Steuern, rechnet er vor.
Interessant auch Femferts Erwartungen in die Kauflust des hiesigen Publikums. Das Gros der musealen Gemälde von Masson und Roberto Matta liegt preislich zwischen 200.000 und 400.000 Euro, in der Spitze bei 600.000 Euro. „Ich leiste es mir, teilzunehmen, um zu zeigen, wer wir sind; nicht in erster Linie um zu verkaufen.“
Wenn sich der Frankfurter Galerist da mal nicht täuscht. Denn auch wenn das Gros der Offerten auf dieser Messe im vier- bis mittleren sechsstelligen Bereich liegen; eine ansehnliche Zahl geht darüber hinaus und reicht über 1,5 Millionen Euro für einen Roy Lichtenstein oder Lucio Fontana bei Vertes bis zu 2 Millionen Euro, etwa für einen Picasso oder August Macke bei Schacky Art. Die Kaufkraft der Deutschen wird unterschätzt.
Was man sich – aus der Sicht einer Galeristin – vielleicht nicht ausmalen möchte, sind die Konsequenzen des Handels mit NFTs. Sie sind das Trojanische Pferd des klassischen Kunsthandels. Wer für 2 Ether (umgerechnet 7310 Euro bei Redaktionsschluss) bei Nagel Draxler Kenny Schachters NFT „The Last Soldier“ erwirbt, könnte den Blockchain gesicherten Datensatz – ein Video – später selbst wieder auf den Markt für Kryptokunst werfen. Aber dafür bräuchte man keine Galerie mehr.
Mehr: Cologne Fine Art & Design: Rundgang über die Antiquitätenmesse: Augenweiden für den Hausgebrauch
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