Art + Tech Report 2020 Leitfaden für den Kunsthandel: Wie sich Sammlerinnen den Online-Kunstkauf wünschen

In Situ-Bilder einer quasi "Hybrid"-Initiative der Berliner Galerie Thomas Schulte im Herbst 2020.
Düsseldorf Nichts ist auf dem Kunstmarkt zurzeit interessanter als die Frage, wie sich das Kunstkaufverhalten auf den Onlinekanälen infolge der Pandemie weiterentwickeln wird. Wie lässt sich Kunst digital veräußern? Wer kauft online was und über welche Kanäle? Einigen Fragen ist der Hiscox Online Art Trade Report bereits nachgegangen und andere Studien haben sie berührt, jedoch vornehmlich aus der Perspektive von Galerien, Auktionshäusern und Messen.
Was die Käuferinnen und Käufer dazu zu sagen haben, hat der soeben erschienene „ART+TECH REPORT / Collector's Edition 2021“ untersucht. Mehr als alle anderen dürfte er sich als handlicher Leitfaden empfehlen, insbesondere für Galeristen und Händler.
Vier Berliner Marktakteurinnen stehen hinter dieser unabhängigen Initiative, die nach den persönlichen Erfahrungen beim Online-Kunstkauf fragt und Wünsche für das Procedere bei künftigen Erwerbungen eruiert. Beruflich sind alle vier an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Ökonomie tätig: die Strategieberaterinnen Kerstin Gold und Kristina Leipold sowie die Mitbegründerinnen der Galerie Office Impart, Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz.
Das Quartett befragte 380 internationale Sammlerinnen und Sammler zwischen Dezember 2020 und Januar 2021, davon Dreiviertel mit Wohnsitz in Deutschland. Antworten erhielt es zu 80 Prozent von der Generation der zwischen 20- und 40-Jährigen, den sogenannten NextGen Art Collectors, und den bis 55-Jährigen; jeweils zu gleichen Teilen, auch was die Geschlechter betrifft. Nur 17 Prozent der Befragten war über 56 Jahre alt. Das ist insbesondere für Galeristen interessant, da ihr Geschäftsmodell ohne diese nachwachsende Sammlergeneration keine Zukunft hätte.
Galeristen und Messeveranstalter dürfen sich deshalb auch von Punkt 1 der vier wichtigsten Erkenntnisse des Reports angesprochen fühlen: „Preise, bitte! Neun von zehn Kunstsammler:innen möchten beim Online-Kunstkauf Preise angezeigt bekommen“, konstatieren die Autorinnen. Am meisten würde dort gekauft, wo Preise angezeigt würden.

Von li:. Kristina Leipold, Kerstin Gold, Anne Schwanz und Johanna Neuschaeffer
Nächst wichtigste Erkenntnis: Es wird ungesehen gekauft. Mehr als drei Viertel derjenigen, die online Kunst erwarben, hätten das Werk physisch vorher nicht gesehen. Zugleich aber gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie beim Online-Kauf das physische Erlebnis vermissen würden. Wer mit seinen Kunden über welche digitalen Kanäle auch immer persönlich zu kommunizieren weiß und Vertrauen aufbauen kann, ist im Vorteil. Ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht muss das nicht sein.
Die überwältigende Mehrheit, nämlich 86 Prozent, kommuniziert über soziale Medien – über alle Altersklassen hinweg. Vorn liegt Instagram, das 80 Prozent der Befragten nutzt, davon 71 Prozent explizit im Kunstkontext. Es folgen LinkedIn und danach erst Facebook, beide allerdings deutlich seltener im Kunstkontext als Instagram.

Die Grafik zeigt, was es mit der Preistransparenz auf den verschiedenen Online-Kanälen auf sich hat.
„Die Zukunft bleibt digital“, sind die Report-Autorinnen überzeugt. 69 Prozent der Befragten würden dieses Jahr gleich viel oder mehr Kunst online kaufen. Frauen dabei mehr als Männer; und die NextGen Art Collectors mit 76 Prozent am meisten. Hier dominieren die Frauen, die im Übrigen auch der Entwicklung von Online Sales positiver gegenüberstehen als Männer.
Unter dem Strich scheint der Online-Kauf jedoch keine reine Altersfrage zu sein. „Er gehört über alle Generationen hinweg im Kunstalltag dazu“, stellt Anne Schwanz fest. Laut Report profitieren davon am meisten die „3rd Party-Plattformen“, Portale von Drittanbietern, die Anbieter und Käufer zusammenbringen wie Artsy oder Artland. Immerhin 73 Prozent der Befragten attestieren ihnen künftig das größte Verkaufspotenzial. Onlineauktionen folgen mit 67 Prozent, Online-Shops mit 64 Prozent und Instagram mit immerhin 63 Prozent, wenn es denn einen „Insta-Buy-Button“ gäbe.

Eine differenzierte Auswertung, wie die Nutzer die Sichtbarkeit verschiedener Online-Kanäle bewerten
Online Viewing Rooms (OVR) werden zwar von 71 Prozent der befragten Sammler besucht. Jedoch nur 15 Prozent schlossen dort auch einen Kauf ab. Langweilig und zu überfrachtet, lautet die Begründung.
Weniger überraschend und dennoch wichtig sind die Zahlen über Frequenz und Präferenzen. 50 Prozent der Befragten haben 2020 zwei bis fünf Mal online gekauft, 10 Prozent mehr als zehn Mal. Zwei Drittel bevorzugen dabei Malerei, gefolgt von Fotokunst und Zeichnungen. Weit abgeschlagen Medienkunst und Installation. Fast die Hälfte gibt dabei nicht mehr als 1000 Euro je Ankauf aus.
Welche Chancen sich eröffnen, illustrieren folgende Zahlen: Fast die Hälfte der Befragten hat zurzeit weniger als 20 Werke zuhause; nur 10 Prozent mehr als 100 Arbeiten. 58 Prozent präferiert junge Kunst, überwiegend die jungen Sammler. Fast die Hälfte der Befragten gibt bis zu 5000 Euro jährlich für Online-Ankäufe aus. 36 Prozent bis zu 50.000 Euro. Für den Niedrigpreissektor ist Instagram die ideale Verkaufsplattform.
Fazit: Galeristen und Kunsthändler dürften auf Basis des Reports besser abschätzen können, wen sie wie und mit welchem Angebot über welche Kanäle erreichen können; besonders die junge Generation, die den künftigen Kunstmarkt bestimmen wird. Dreh- und Angelpunkt bleibt jedoch der Internetauftritt. Die Händler müssen lernen, ihre Website für den digitalen Gebrauch so einfach, unterhaltsam und effizient wie nur möglich zu gestalten.
Mehr: Global Art Market Report 2021: Der Kunstmarkt schrumpft kontinuierlich
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.