Auktionator Gert K. Nagel: Kehraus eines alten Hasen

Als Experte für Keramik und Autor zahlreicher Antiquitätenbücher ist Gert K. Nagel bis heute geschätzt. Als Sammler liebte er aber auch barocke Möbel, Gemälde und Teppiche. Jetzt lässt der ehemalige Auktionator seine Sammlung teilweise versteigern. Quelle: Nagel
Stuttgart. Als einstiger Inhaber des Auktionshauses Nagel konnte Gert Nagel mit aller Nüchternheit Bilanzen lesen und kühle betriebswirtschaftliche Schlüsse ziehen. Als Sammler aber ließ er allen Neigungen freien Lauf. Frühe deutsche Fayencen und Porzellane hatten es ihm besonders angetan. Aber auch Möbel, historische Waffen, altes bäuerliches Gerät und die Malerei des 19. Jahrhunderts begeisterten ihn. Am 27. und 28. Januar 2016 wird das Auktionshaus, das sein Vater 1922 gründete, fast 2.000 Objekte aus seiner Sammlung aufrufen. Die zwei Kataloge lassen keinen Zweifel aufkommen. Hier kommt der Besitz eines Enzyklopädisten unter den Hammer.
Spezialgebiet Keramik
Bei den Gemälden steht Heinrich von Zügels impressionistisches Gemälde „Vor dem Schafstall“ mit einer Taxe von 25. 000 Euro an der Spitze, gefolgt von Christian Malis Genreszene „Mittagsruhe“ mit Bauernhausstaffage für 18.000 Euro. Dass Nagels Spezialgebiet Keramik und Porzellan ist, merkt man dem Angebot an. In der Auktion kommen barocke Scherben aus fast allen wichtigen Keramikzentren Deutschlands zum Aufruf.
Ein Crailsheimer Walzenkrug mit der lebendigen Darstellung eines Fuchses, der eine Ente schnappt, soll mindestens 2.200 Euro einspielen. Ein Frankfurter blau-weißer Enghalskrug mit einer Chinesenszene ist auf 2.500 Euro geschätzt. Eine Seltenheit stellt ein Rokokouhrgehäuse aus Bayreuth mit kaffeebrauner Glasur dar. Das Werk von Johann Andreas Fiechthorn startet bei 7.000 Euro.
Marktgerechte Schätzpreise
Zwischen sehr moderat und marktgerecht bewegen sich die Preise für die 300 Positionen mit Porzellan. Die Jagdgöttin Diana mit Hund und zwei leicht bekleideten Nymphen, die 1765 vermutlich der Ludwigsburger Modelleur Johann Georg Bauer unter einen schattenspendenden Baum platzierte, führt mit einer Taxe von 3.000 Euro das Angebot an. Dass die Preise von gestern nicht der Maßstab von heute ist, weiß ein Profi wie Gert Nagel. Vor mehr als zehn Jahren hat er 6. 000 Euro plus Aufgeld für ein königliches Handwaschgeschirr aus dem Besitz des württembergischen Königs Friedrich I. gezahlt. Jetzt liegt die untere Grenze bei 2.500 Euro. Meissner Darstellungen der Kontinente als allegorische Figuren aus dem 18. Jahrhundert werden bei 1.800 und 2.600 Euro ausgerufen.

Zahlreiche Porzellane aus den Manufakturen Ludwigsburg, Meissen und Nymphenburg, Rudolstadt und Höchst bestücken das Angebot der Sonderauktion. Quelle: Nagel

In seinen Formen dem Bauernmöbel verhaftet: das Biedemeier-Ensemble aus Bettenpaar, Aufsatzkommode und zwei Schränken aus der Zeit um 1830/40. Zeugnisse großbäuerlichen Wohlstands zu Schätzpreisen zwischen 3.000 und 4.000 Euro. Quelle: Nagel
Leidenschaft für die Objektgeschichte
Als Sammler von Antiquitäten hat der gelernte Restaurator die Welt eher regional als global gesehen. Die kulturhistorische Bedeutung war ihm oft wichtiger. Mancher Zinnkrug war ihm lieber als ein Augsburger Silberpokal. Viele seiner Möbel haben württembergischen Hintergrund. Hoch sind mit 18.000 Euro die Erwartungen für eine neunteilige Biedermeier-Sitzgarnitur des Stuttgarter Hofebenisten Johannes Klinckerfuß.
Chance für Museen
Ein wohl einmaliges, noch geschlossen erhaltenes Zeugnis großbäuerlicher Lebenskultur liegt mit dem spätbiedermeierlichen Möbelensemble aus dem bayerischen Mangfallgau vor. Zwischen 3.000 und 4.000 Euro sind für die Einzelteile avisiert. Bei solchen Objekten könnte Gert Nagels Angebot an Museen eine Handreichung sein. Sie müssen bei erfolgreichem Engagement nur den Betrag oberhalb der Taxe plus Aufgeld auf die komplette Zuschlagsumme zahlen.
Aber ein Träumer ist Gert Nagel nicht. Vor fünf Jahren hat er seine Sammlung aus dem Museum Kornwestheim zurückgezogen. Das Interesse war zu gering geworden.
Bietschlachten in den 1980er-Jahren
Insgesamt beläuft sich die Schätzpreissumme auf 1,1 Millionen Euro. Für das Stuttgarter Auktionshaus ist das kein wirklich großer Posten. Der Jahresumsatz lag 2015 bei 25 Millionen Euro (inkl. Aufgeld). Allein die zwei Asiatika-Auktionen hatten 18 Millionen in die Kasse gespült. Als Gert Nagel in den Jahren 1965 bis 1990 am Pult saß, brachten Antiquitäten, Barockskulpturen, Genregemälde die Spitzenpreise. In den 1980er-Jahren versteigerte er wegen des hohen Andrangs von zwei Sälen aus mit seinem damaligen Mitarbeiter Robin Straub Carl Spitzwegs „Blumenfreund“. Der Erlös von 1,2 Millionen DM war eine Sensation.

Ein Stern-Kasak (176 x 164 cm) aus der Sammlung Gert K. Nagel. Die Textilie aus dem Kaukasus (um 1800) ist auf 15.000 Euro geschätzt. Quelle: Nagel
Kaukasischer Stern-Kasak
Gert Nagel hat in diesen Jahren das schwäbische Unternehmen zu einem der führenden Auktionshäuser Deutschland ausgebaut. Und er war wohl persönlich die Verkörperung des Zeitgeistes. Auch er sammelte Teppiche. Glanzpunkt der etwa 200 angebotenen Sammlerteppiche und Textilien ist ein warmtoniger Stern-Kasak aus dem Kaukasus. Schätzpreis: 15.000 Euro.

Schon 1990 hatte Gert Nagel sein Unternehmen an seinen damaligen Mitarbeiter Robin Straub verkauft. Der Verlust eines Erben für das Familienunternehmen war ein schwerer Schicksalsschlag. Dem Auktionshaus Nagel blieb er trotzdem treu. Als Berater, wohl auch als Brückenschlag zu manch großem Sammler und als Käufer. Und, wie man sieht , nun auch als Einlieferer.
Vorbesichtigung: 22. bis 25. Januar 2016
Auktion: 27. und 28. Januar 2016





