Auktionsbilanz 2022: Französische Auktionshäuser melden Rekordumsätze

Die radikal schlichte Darstellung der kunstvoll aufgetürmten Erdbeer-Mahlzeit wurde bei Artcurial für 24,4 Millionen Euro mit Aufgeld versteigert.
Paris. Seit Jahren schon liegt der französische Kunstmarkt weltweit an vierter Stelle. Im Vorjahr bewies er erneut sein enormes Potenzial bezüglich Warenbeschaffung und Rekordzuschlägen. Mit knapp 2,8 Milliarden Euro verbessert er sich um rund 600 Millionen Euro im Verhältnis zum Jahr 2021.
Abwechselnd halten Christie’s und Sotheby’s die Spitzenreiterposition. Im letzten Jahr führte das Haus von François Pinault sowohl weltweit wie auch in Paris. Mit einem Jahresumsatz von 492 Millionen Euro setzte sich Christie’s vom Konkurrenten Sotheby’s ab, der 449 Millionen Euro verbuchte. Sotheby’s gibt seit der Aktienübernahme durch Patrick Drahi auch die Privatverkäufe mit 151 Millionen Euro an, woraus insgesamt eine runde Summe von 600 Millionen Euro resultiert.
Bei Christie’s betrugen die diskret gehandhabten Privatverkäufe angeblich nur 115 Millionen Euro. Das Gesamtergebnis von 607 Millionen Euro erkämpfte das hochaktive Frankreichteam von CEO Cécile Verdier bis zur Erschöpfung. Es ist der höchste jemals von einem Auktionshaus in Frankreich erzielte Jahresumsatz. Er übersteigt sogar den Umsatz des Jahres 2009 mit der „Jahrhundert-Auktion Yves Saint Laurent – Pierre Bergé“.
Christie’s schlug auch das teuerste Los des Jahres zu. Bei der Versteigerung der Sammlungen des Modezaren Hubert de Givenchy wurde im Juni 2022 eine Bronzeskulptur von Alberto Giacometti, „Femme qui marche I“ (Schreitende), mit 27,2 Millionen Euro bewertet, obwohl der Guss des in den Jahren 1932 bis 1936 entworfenen Werks erst von 1955 stammt.
Wie in den USA schlugen auch in Paris die Sammlungen entscheidend zu Buche: Der Nachlass von Hubert de Givenchy trug Christie’s 118 Millionen Euro ein und wurde zur fünftteuersten Sammlung weltweit, gefolgt von der Sammlung der Enkelin von Henri Matisse, Jacqueline Matisse-Monnier. Sie fuhr 40,5 Millionen Euro ein.
Christie’s behauptet sich im Toplose-Ranking gleich mit mehreren platzierten Werken wie der wiederentdeckten Männerakt-Handzeichnung von Michelangelo. Sie ging in einer extra für dieses einzige Los organisierten Auktion im Mai letzten Jahres für 23,2 Millionen Euro an einen Telefonbieter.

Die große, zur Zeit der Jin Dynastie entstandene Holzstatue aus der Händler-Familie Rousset wurde mit 3,3 Millionen Euro bewertet.
Das Auktionshaus Artcurial meldet einen Rekord-Jahresumsatz von 216,5 Millionen Euro und erreichte für ein kleines Gemälde von Jean-Baptiste Siméon Chardin den zweithöchsten Jahreszuschlag. Das „Walderdbeer-Körbchen“ erwarb das Kimbell Art Museum in Fort Worth, Texas für erstaunliche 24,4 Millionen Euro, wie das Handelsblatt als erstes Medium weltweit berichtete. Jedoch machte der Pariser Louvre hier sein Vorkaufsrecht geltend.
Die Franzosen haben nun 30 Monate, um einen Mäzen für den überhöhten Betrag zu finden. Ansonsten geht das Bild in die USA. Dort wäre Museumsdirektor Eric M. Lee überglücklich über die Bereicherung seiner Museumsbestände, wie er dem Handelsblatt telefonisch versicherte.
Der französische Staat intervenierte im vergangenen Jahr häufig auf Auktionen, bei denen er besonders Kunsthandwerk und Mobiliar des 18. Jahrhunderts für den Louvre und die Schlösser Versailles und Fontainebleau per Vorkaufsrecht erwarb. Der kleine Skandal um das vom ehemaligen Louvre-Generaldirektor, Pierre Rosenberg, unbedingt gewünschte Chardin-Gemälde war eine Ausnahme im sonst eher ruhigen Pariser Kunstmarkt.
Dessen jahrhundertealtes Zentrum, das Gebäude „Hôtel Drouot“, wo jetzt knapp 70 Auktionatoren in der Drouot Groupe zusammengeschlossen sind, offeriert immer noch Spannendes, aber selten Zuschläge über 4 Millionen Euro. Trotzdem nahm die Drouot Groupe im Vorjahr 571 Millionen Euro ein. Um sich international und zukunftsorientiert zu positionieren, ermöglicht sie via „Drouot.com“ Online-Auktionen, so wie Hunderte internationaler Auktionshäuser auch.
Wenn interessante Lose wie „Venus und Amor, der Honigdieb“ von Lucas Cranach d. Jüngeren zum Aufruf kommen, treten jedoch alle Gemäldehändler persönlich im Drouot auf. Dort fand das Tafelbild, das dank der Provenienz Fürst Demidoff seit 1863 bekannt ist, für nur 1,4 Millionen Euro einen Käufer.
Aus der Drouot-Gruppe war das Auktionshaus Cornette de Saint Cyr bereits 2014 ausgestiegen. Das erleichterte Bonhams den Ankauf im Juni 2022. Der Jahresumsatz von Bonhams Cornette de Saint Cyr von 92,2 Millionen Euro in Paris wurde mit Auktionen in Belgien aufgestockt.
Drei Ostasiatika-Sammlungen wurden aufgerufen, wobei die Holzstatue eines Bodhisattva aus der Händler-Familie Rousset mit 3,3 Millionen Euro bewertet wurde. Im Übrigen sind sämtliche in Belgien von französischen Auktionatoren erzielten Umsätze in dieser Bilanz nicht berücksichtigt.
Die Stärke von Paris liegt in der großen Anzahl unabhängiger Auktionshäuser. Dazu gehören etwa Ader (52 Millionen Euro Umsatz), Aguttes (86,5 Millionen Euro), Millon (94,1 Millionen), Osenat (40,7 Millionen Euro), Piasa (44 Millionen Euro), Tajan (33,3 Millionen Euro) und Pierre Bergé & Associés, die ihre Bilanz nicht kommunizierten, aber geschätzte 15 Millionen Euro umsetzten.
Dazu kamen noch 237 Millionen Euro für Kunst und Kunstobjekte, die die Plattform „Interenchères“ mit Online-Auktionen verzeichnete. Zudem nahm die in 13 französischen Städten vertretene Auktionatoren-Gruppierung „Ivoire“ 69 Millionen Euro ein.
Sotheby’s punktete mit den 76,6 Millionen Euro für das Mobiliar und das Kunsthandwerk des 18. Jahrhunderts aus dem Stadtpalais „Hôtel Lambert“, das der Scheich aus Katar, Hamad Bin Abdullah Al Thani, angekauft hatte. Die Auktion deutete den wieder aufkeimenden Trend zum 18. Jahrhundert an. Das beweist auch der von der Händlerfamilie Kraemer initierte Pop-up-Store an den Champs Elysées (bis April 2023).
Mehr Private Sales bei Christie’s


Sotheby’s eröffnete im letzten Sommer eine winzige Filiale in Monaco mit Werken des konstant höher bewerteten Designer-Paars Claude und François-Xavier Lalanne. Dorothée Lalanne, eine ihrer fünf Töchter, lieferte zum zweiten Mal Werke ihrer Eltern bei Sotheby’s ein, die mit 48 Millionen Euro in die Bilanz eingingen.
Christie’s hatte sich im Juli 2022 kurzfristig in einem monegassischen Restaurant eingemietet, wo man den zur „artgenève“ Messe anwesenden potenziellen Käufern Schmuck und Kunstwerke in allen Preiskategorien offerierte. Aus dieser Diversifizierung der Aktivitäten resultiert der Anstieg der Privatverkäufe.
Mehr: Bilanz der Auktionen in 2022: Absicherung statt Investment: Der neue Trend auf dem Kunstmarkt







