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Ausstellung in FrankfurtSie malten so gut wie die Kerle

Eine fulminante Ausstellung im Städel Museum beleuchtet die Karrieren von Künstlerinnen um 1900. Das Archiv der Malerin Ottilie Roederstein lieferte dazu die Erkenntnisse über weibliche Netzwerke und Durchsetzungsstrategien.Susanne Schreiber 21.08.2024 - 07:55 Uhr Artikel anhören
Mit breitem Pinselstrich in Komplementärfarben malte Eugenie Bandell 1913 eine Allee von Laubbäumen in „Wilhelmsbad“, avantgardistisch wie ein japanischer Holzschnitt. Foto: Städel Museum

Frankfurt. Starker Schatten fällt in fliederfarbenen Flecken auf die gelbe Fassade eines ansehnlichen Hauses. Eine Allee von Laubbäumen bricht das starke Mittagslicht. Es muss heiß sein in „Wilhelmsbad“. So hat die Malerin Eugenie Bandell (1858-1918) die flirrende Luft und den Tanz der Farbflecken 1913 mehrfach gemalt: mit breitem Pinselstrich in Komplementärfarben, avantgardistisch ohne Perspektive wie ein japanischer Holzschnitt.

Die Kunstgeschichtsschreibung war bis in die 1990er-Jahre vor allem an männlichen Helden interessiert. Frauen an der Staffelei oder mit einem Bildhauermeißel in der Hand kamen vor, aber am Rande. Männliche Autoren schrieben zwar über Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker, stellten aber das Mütterliche heraus. Nur bei Hannah Höch kamen sie nicht umhin, die Berlinerin neben Raoul Hausmann als Miterfinderin der sozialkritischen Foto-Collage zu würdigen.

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Doch es gab viel mehr bestens ausgebildete Künstlerinnen, die so gut malten wie die Kerle, als die Schauräume der meisten Museen noch heute suggerieren. Und zwar schon in der Generation der um 1850 geborenen Frauen. Ab 1870 standen ihnen vor allem in Paris Zeichenschulen und private Akademien offen. „Frauen zahlten in den Privatakademien oder -ateliers mehr als doppelt so hohe Gebühren, obwohl sie weniger oft von der Korrektur durch einen Meister profitierten“, schreibt Eva-Maria Höllerer im Katalog der Ausstellung „Städel Frauen“.

Auch wenn Paris das Mekka der Kunst war, in Stuttgart hatte die Akademie schon ab 1864 eine geschlechtergemischte Ausbildung angeboten. Doch ab 1892 hieß es für die Malerinnen wieder: zurück in die Damenklasse.

Die Bedingungen für Karrieren von 26 Künstlerinnen fächert eine erhellende Ausstellung im Frankfurter Städel unter dem Titel „Städel Frauen“ auf. Damit korrigieren Alexander Eiling, Eva-Maria Höllerer und Aude-Line Schamschula die veraltete Kunstgeschichtsschreibung und machen sie auf hohem Niveau diverser. Denn auch das ist ja ein gerne kolportiertes Vorurteil gegen Künstlerinnen: dass sie schwächer seien als die Männer.

Die Ausstellung „Städel Frauen“ zeigt, dass es viel mehr bestens ausgebildete Künstlerinnen gab, als die Schauräume der meisten Museen noch heute suggerieren. Abgebildet sind Bildnisse von Inge Dinand und Erna Auerbach (Mitte). Foto: Städel Museum

Das Städel hat sich jüngst mit Retrospektiven zu Kollwitz, Lotte Laserstein und Ottilie Roederstein hervorgetan. Von den Erben Letzterer hat das Frankfurter Museum das Archiv geschenkt bekommen: eine Fundgrube für weibliche Netzwerke, Durchsetzungsstrategien und Ausgangspunkt der aktuellen Schau.

Roederstein hatte ihre Ausbildung in Zürich begonnen und war ab den 1870er-Jahren mehrfach länger zum Malen in Paris gewesen. Dort hat sie sich einen Kreis von gleichgesinnten Malerinnen aufgebaut, von denen Louise Breslau, Marie Bertuch, Dora Hitz, Ida Gerhardi und Martha Steller auch in der Ausstellung figurieren. 1891 ließ sich die erfolgreiche Porträtistin mit ihrer Frau in Frankfurt nieder und bezog ein Privatatelier im Städel. Da Roederstein den Kunsthändler Wilhelm Uhde aus Paris kannte, wurde sie auch zur Vermittlerin zeitgenössischer Kunst in Frankfurter Privatsammlungen.

Von Paris und Frankfurt aus knüpften die Künstlerinnen internationale Netzwerke und unterstützten sich gegenseitig. Unterkünfte, Ateliers und Beziehungen wurden in Paris unter den Frauen geteilt. Trotz der Nähe hat jede ihre Handschrift.

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Der Zeit entsprechend herrschen in den Bildnissen der 1880er-Jahre noch dunkle Farbtöne vor. Doch schon bei Anne Stiebler-Hopfs Szene mit Professor Poirier bei der Sektion einer Leiche im Anatomiesaal wird die Lichtregie zentraler Bestandteil des Gemäldes.

Louise Breslau erfasst im „Porträt der Freunde“ 1881 drei Künstlerinnen frei von Konventionen um einen Teetisch. Die Damen sind mit dem Nachdenken über Kunst befasst, sogar der Hund darf auf den Tisch – in Denkerpose. Breslau wird später in der berühmten Pariser Galerie Durand-Ruel ausstellen und zahlreiche Preise gewinnen.

Auf Louise Catherine Breslaus „Porträt der Freunde“ denkt jede der Freundinnen über Kunst nach. Auch der Hund übt sich in der Denkerpose. Foto: Städel Museum

So wenig die Frauen mit der Malerpranke heteronormativen Klischees entsprechen, so vielseitig sind ihre Motive. Elizabeth Nourse und Ottilie Roederstein malen denselben Afrikaner in algerischer Schützenuniform. Mathilde Battenberg fasziniert 1915 mit ihrem Männerbildnis, vermutlich Peter Carl MacKay, ein Beau mit karamellfarbener Haut im Fantasiekostüm des Jugendstils. Bei Ida Gerhardi nach der Jahrhundertwende hellt sich die Palette dann deutlich auf. Ihre Cancan-Tänzerinnen von der Straße erfasst sie mit vibrierendem Pinsel.

Zu den jüngsten Wiederentdeckungen zählt die als Kunsthistorikerin und Malerin arbeitende Frankfurterin Erna Auerbach (1897-1975). Im „Frauenbildnis in Schwarz“ schildert sie sich selbst fahl im Kolorit, neusachlich im Stil als selbstbewusste Frau mit Fluppe in der Hand und hüftlanger Perlenkette. Das fragende Antlitz von 1932 ist auf den Katalogeinband platziert.

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Der 232 Seiten starke, im Hirmer Verlag erschienene Katalog sorgt für das nötige Hintergrundwissen zu Künstlerinnen, die man in Überblickswerken noch vergeblich sucht. Jede Paris-Reisende aus dem Netzwerk von Ottilie Roederstein wird auf biografischen Seiten vorgestellt, auf Deutsch und Englisch. Hier wird künftige Forschung ansetzen.

Nicht verschwiegen wird, dass Auerbach als Jüdin 1933 nach London fliehen musste und dass Roederstein die „Verfolgung und Entrechtung ihrer jüdischen Freunde“ zwar verurteilte, aber gleichwohl in die Reichskulturkammer der Nationalsozialisten eintrat.

Keinesfalls nur Museen zeichnen verantwortlich für Wiederentdeckungen und Neubewertungen lang ignorierter Künstlerinnen. Auch der Kunsthandel trägt regelmäßig dazu bei. Erinnert sei nur an die Würdigung der einst vergessenen Lotte Laserstein, die 1987 in der Londoner Agnews Gallery Aufschwung nahm.

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Wer das Angebot von Auktionshäusern durchsieht, stößt bei den Schweizer Versteigerern Koller und Studer immer mal wieder auf Ottilie W. Roederstein und Louise Catherine Breslau, im Pariser Hôtel Drouot auf Annie Stebler-Hopf und Mathilde Battenberg. Bei Bassenge kamen Arbeiten von Inge Dinand und Ida Gerhardi unter den Hammer, bei Karl & Faber, Van Ham und Grisebach solche von Dora Hitz.

Verfügbare Arbeiten der Max-Beckmann-Schülerin Marie-Louise von Motesiczky tauchen gelegentlich im Dorotheum und im Kinsky auf. Eine kapitale Leihgabe des Kunsthändlers Marco Pesarese hängt in der Frankfurter Ausstellung: „Hanni, Hinterbrühl“, eine sitzende junge Frau in Aufsicht, mit kratzig-krümeliger Ölfarbe gemalt. Ein etwas später datiertes Zwanzigerjahre-Bild eines kleinwüchsigen Mannes der Wiener Aristokratin will Pesarese auf den kommenden „Highlights“ in München präsentieren.

Nicht immer, aber immer mal wieder liegen die Auktionspreise im vier- oder fünfstelligen Bereich, weit unter dem, was für männliche Zeitgenossen aufgerufen wird. So versteigerte Yves Siebers in Stuttgart eine Variante der eingangs beschriebenen „Allee“ von Eugenie Bandell zum Hammerpreis von 1900 Euro. Große Kunst für wenig Geld.

„Städel Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“: bis 27. Oktober 2024 im Städel, Frankfurt. Der Katalog kostet im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro.

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