Ausverkauf bei Van Ham Run auf die SØR-Rusche-Collection

Das dynamische Bild von 2010 vervielfachte seinen Schätzpreis auf 100.620 Euro.
Köln „Guter Stil“ ist das Motto der SØR-Läden in deutschen Flughafenpassagen und Einkaufsmeilen, die zeitlose und nicht ganz billige Damen- und vor allem Herrenmode verkaufen. Guten Stil beweist die Eigentümer-Familie Rusche auch mit ihrer Kunstsammlung. Der Groß- und der Urgroßvater von Thomas Rusche, geschäftsführender Gesellschafter der SØR Rusche GmbH, ließen sich als reisende Textilhändler oft mit Alten Meistern und Antiquitäten bezahlen, wenn Bares knapp war.
So kam eine gediegene Sammlung zum „Goldenen Zeitalter“ in den Niederlanden zusammen. Diese Familiensammlung hat der Firmenerbe Thomas Rusche in den letzten zehn Jahren noch um 4.000 Werke der zeitgenössischen Kunst ergänzt.
Der katholische Westfale aus Oelde trägt zwei Doktortitel, ist Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und habilitierte 2018 zur „Ethik der Robotik“. Rusche versteht sich als Wissenschaftler, als leidenschaftlicher Kunstsammler, als Brückenbauer zwischen Wirtschaft und Kultur. Ein Textilunternehmer, der die Verbandspolitik nicht scheute.
Doch die Zeiten sind schlecht für den stationären Handel. Mit SØR-Herrenmode im Stil des englischen Landadels ließen sich 2018 laut Creditreform nur noch knapp 43 Millionen Euro umsetzen.
Die echten Chippendale-Möbel in manchen Filialen neben den vollgepackten Regalen und Warentischen locken nicht mehr so recht in Zeiten, in denen andere Topmarken ihre Sakkos oder Hosen wie Kunstwerke präsentieren und der Onlinehandel Bequemlichkeit verspricht.
Der heute 56-jährige Rusche löst 2016 die Firmensammlung aus dem Unternehmensvermögen. Durch die Kunstverkäufe sollen mehrere Millionen Euro zusammenkommen, um die Digitalisierung von SØR voranzutreiben. Rusche ließ Sotheby’s die Alten Meister erfolgreich in London und online versteigern. Die riesige Sammlung von 4.000 Werken zeitgenössischer Künstler vertraut er hingegen dem Kölner Auktionshaus Van Ham an.
Junge Künstler erzielten Rekordpreise
Die 131 besten Werke hat Van Hams Zeitgenossen-Chef Robert van den Valentyn am Mittwochabend ausverkauft. Kein einziges Bild ging zurück, die Schätzsumme verdoppelte sich auf 2,5 Millionen Euro Umsatz. „White Glove Sale“ nennt die Branche solch ein Ereignis. Junge Künstler wie Sven Kroner, Michael Triegel oder Uwe Henneken, die noch kaum auf der Auktionsbühne gehandelt wurden, erzielten zudem Rekordpreise.
Thomas Rusches Vorliebe für kleinformatige Gemälde, die ein Menschenbild reflektieren, problematisieren oder ironisieren, fand viele Gleichgesinnte. Der provokante „Blue Rodrigo“ von George Condo kam auf 135.450 Euro. Geschätzt war der Spaßvogel auf verlockende 20.000 bis 30.000 Euro. Einem der vielen Telefonbieter war das stufenweise Bieten in 5.000er-Schritten allerdings zu langweilig; er bot bei 70.000 gleich 85.000 Euro an und steigerte das winzige Bild zügig auf netto 105.000 Euro.
Um alle abwesenden Bieter bedienen zu können, hatte Van-Ham-Chef Markus Eisenbeis für 20 Telefonisten gesorgt. Regelrechte Bieterkämpfe gab es erwartungsgemäß auch um fünf Werke von Norbert Bisky. Mit 71.000 Euro wurde das Quadrat „Painting“ von 2008 am teuersten. Beim „Colorist“, der den Pinsel schwingt wie eine Waffe und rechts etwas hält wie einen Stein, musste ein Käufer aus Süddeutschland 62.000 Euro einsetzen.
Langes Ringen war auch bei Martin Eders realistischen Bildern nötig. Den höchsten Preis erzielte „Schutz/Protection“, das Brustbild einer verletzten Rothaarigen mit geschlossenen Augen. Eine Saalbieterin setzte sich hier erst bei 42.570 Euro durch.
Von den geschätzten 20 .000 ließ sich die Bronze-Statuette „Nachhut“ von Neo Rauch auf gebotene 161.250 Euro heben. Für den neuen Rekord sorgte ein sächsischer Sammler. Rauchs dunkeltoniges Gemälde „Pendel“ von 2009 ging für 96.750 Euro in neue Hände. Sehr gute Preise erzielten die Landschaften von Leiko Ikemura. „Lake Scape“ stellt mit 28 380 Euro ebenfalls einen neuen Rekord dar. Das farbglühende Landschaftsbild „Sketis“ von Uwe Henneken kam auf 15.480 Euro.
Selbstläufer waren auch die Bilder von Daniel Richter, die Gewalt, Tod und Exzess thematisieren. Eine unbetitelte Leinwand mit Totenköpfen hinter einer Mauer konnte sich ein Sammler aus Nordrhein-Westfalen bei 42.570 Euro sichern. Der niedrige Schätzpreis hatte bei 7.000 bis 9.000 Euro gelegen. Nahe an den Schätzpreisen blieben hingegen die drei Landschaftsgemälde von Wolfgang Mattheuer, die bis zu 20.640 Euro erzielten. Ein Zeichen, dass die älteren Maler aus der DDR immer noch keinen großen Markt haben.
Nicht nur die SØR Rusche GmbH stößt ihre Firmensammlung ab. Auch Kaufhof lässt nach der Fusion mit Karstadt an diesem Wochenende seine Kunstsammlung bei Lempertz in Köln versteigern. Unter den Hammer kommt unter anderem die sechsstellig geschätzte „Judengasse“ von Max Liebermann.
Mehr: Auktion bei Van Ham. Westfälischer Textilunternehmer lässt über 4.000 Kunstwerke versteigern. Lesen Sie hier den Vorbericht.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.