Bestsellerautor Martin Suter: „Reichtum muss gelernt werden“
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Bestsellerautor Martin Suter„Reichtum muss gelernt werden“
Sein neues Buch „Montecristo“ provoziert die Frage: Welche Opfer dürfen für den Erhalt des Finanzsystems gebracht werden? Im Interview spricht der Schweizer Martin Suter über Banker und sein Leben in Guatemala.
Zürich, ein Apartment hoch über dem See. Im Kamin knacken Holzscheite. Der Hausherr bringt Tee und Petit Fours. Martin Suter ist heimgekehrt. Bislang lebte der 66-jährige Bestsellerautor („Small World“, „Der Koch“) mit Frau und Kind meist in Guatemala oder seinem Haus auf Ibiza. Seit vergangenem Jahr ist das Züricher Domizil wieder der Dreh- und Angelpunkt der Familie. Und hier, in der Welt des großen Geldes, spielt auch Suters neuer Roman, der Wirtschaftskrimi „Montecristo“.
Herr Suter, was für ein Verhältnis zum Geld haben Sie? Ein ungezwungenes. Geld ist für mich kein Statussymbol. Ich habe nur immer versucht, dafür zu sorgen, dass ich genug davon habe, um ein angenehmes Leben führen zu können.
Sie geben das Geld auch gern aus, scheint uns. Sehr gern, ja. Es macht mir noch mehr Spaß, es auszugeben, als es zu verdienen. Das war schon früher so.
Bevor Sie Anfang der neunziger Jahre Schriftsteller wurden, waren Sie bereits ein erfolgreicher Werber. Zeit genug, rechtzeitig Rücklagen zu bilden … … was ich bedauerlicherweise nicht tat. Mich retteten die für damalige Verhältnisse sehr großzügigen Honorare für meine wöchentlich erscheinenden „Business-Class“-Kolumnen ...
... mit denen Sie die Attitüden des Topmanagements in Literatur verwandelten. Mein erster Roman war dann so unausgegoren, dass er nie veröffentlicht wurde.
Haben Sie heute im täglichen Leben noch Bargeld bei sich? Kleinere Beträge. Das meiste zahlt man ja längst mit Kreditkarten. Nur wenn wir unser Anwesen in Guatemala besuchen, habe ich meist mehr Bargeld bei mir. Das klingt zwar absurd, weil die Wahrscheinlichkeit, gerade dort überfallen zu werden, recht hoch ist. Andererseits kommt man mit Kreditkarten in Guatemala nicht allzu weit.
Interessanterweise spielt in Ihrem neuen Roman „Montecristo“ Bargeld eine Hauptrolle, obwohl seine Bedeutung zumindest in Industrienationen immer weiter schwindet. Weil Bargeld eben trotz allen virtuellen Zahlungsverkehrs und abstrakter Geldströme etwas immer noch sehr Greifbares ist. Weil man es anfassen kann, beruhigt dieses Geld dann eben doch viele Menschen, obwohl das natürlich ebenfalls eine große Illusion darstellt.
Der Wert des Geldes ist letztlich Sache eines gesellschaftlich akzeptierten gegenseitigen Vertrauens … … und die Geschichte hat immer wieder gezeigt, wie schnell dieses Vertrauen schwinden kann.
Ist die Welt des Geldes nicht ohnehin voller Fiktionen? Einerseits können Finanzjongleure heute innerhalb von Sekunden mit missglückten Derivate-Deals Milliardenschulden verursachen. Andererseits versucht auch die Europäische Zentralbank, die Schuldenkrise abzuwenden, indem sie Geld druckt. Beides sind letztlich nur virtuelle Aktionen, die dennoch große Auswirkungen auf unser Leben haben können. Im Gegensatz zu den Aktionen der EZB ist das Drucken von Geld in meinem Buch wenigstens eher eine Kurzschlusshandlung, die sich aber wiederum aus einer ganz realen Furcht speist: die Angst vor einem Bank-Run. Immer wieder finden Sie in der Historie diese Momente, als aufgeschreckte Bankkunden Filialen stürmten, um ihr Geld abzuheben. Gegenwärtig fürchtet man sich ja in Griechenland davor. Diese Hysterie ist es dann erst, die das System zum Kollabieren bringt. Kürzlich sah ich Bilder einer chinesischen Bank, die dieser latenten Angst dadurch begegnet, dass sie an ihren Schaltern riesige Stapel Banknoten lagert. Natürlich ist das ebenfalls irrational, aber diese Irrationalität ist Teil des Ganzen.
In Ihrem Buch wird auch gemordet für ein vermeintlich höheres Ziel, die Rettung des maroden Finanzsystems. Generell geht es um die Frage, was besser ist: dass man den Tod einiger weniger billigend in Kauf nimmt und damit letztlich ein Finanz-, Gesellschafts-, ja: Wertesystem stabilisiert oder dass man die Wahrheit sagt und damit riskiert, dass womöglich Hunderttausende sterben?
Folgen des Hochfrequenzhandels für Privatanleger
Die Liquidität wird insgesamt erhöht.
Die Handelbarkeit einzelner Werte verbessert sich.
Im normalen Börsenbetrieb gleichen die Hochfrequenzhändler Spitzen bei den Kursausschlägen aus. Aber: Auch Irrationale Kursausschläge vermehren sich.
Die Preisfindung und Markteffizienz verbessern sich.
Nachteil: Da der Hochfrequenzhandel andere stabilisierende Methoden in der „Schönwetterperiode“ an den Börsen ins Leere laufen lässt und sich diese Marktteilnehmer vom Handel verabschieden, kann es in schwierigen Marktsituationen zu Erschütterungen wie einem Flash Crash kommen.
„Aktien für Dummies“, Autoren: Christine Bortenlänger und Ulrich Kirstein. ISBN: 978-3-527-71018-8
Sie meinen, weil etwa der Zusammenbruch des Finanzsystems immer zuerst die Ärmsten träfe? Hungersnöte und Revolutionen wären die Folge, wenn die Banken und Börsen kollabierten, ja.
Das bleibt aber wie vieles Spekulation … … wenn auch in diesem Fall eine sehr wahrscheinliche.
Haben Sie den Eindruck, dass auch für das real existierende Finanzsystem schon gemordet wurde? Es gibt wohl kaum ein System, für das nicht gemordet wurde. Warum also sollte ausgerechnet das Finanzsystem eine Ausnahme sein?
Wir würden immer sagen: Kein System ist es wert, dass dafür Menschen sterben. Andererseits muss man sich fragen, wie viele Opfer die Zerstörung eines vermeintlich falschen, aber doch irgendwie funktionierenden Systems rechtfertigt.
Und wie fällt Ihre ganz persönliche Antwort aus? Würden Sie der Wahrheit ans Licht verhelfen und kriminelle Machenschaften des Systems aufdecken, auch wenn dadurch andere Katastrophen ausgelöst werden könnten? Ich weiß es nicht. Ich will Fragen aufwerfen, nicht Antworten liefern.
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