Biologe Ulrich Kutschera: „Was haben wir armen Männer noch für Chancen im Leben?“
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Biologe Ulrich Kutschera„Was haben wir armen Männer noch für Chancen im Leben?“
In seinem neuen Buch bezeichnet der Biologe Ulrich Kutschera Genderstudies als „Pseudowissenschaft“. Im Interview spricht er über die Gleichmacherei der Geschlechter, Männer in der Opferrolle und das Ende der Menschheit.
Der Neandertaler, ein Verwandter des heutigen Menschen
„Die genetischen Unterschiede zwischen Frau und Mann sind so groß wie zwischen Mensch und Schimpanse.“
(Foto: Imago)
Ulrich Kutschera kommt zum Interviewtermin geradewegs aus dem Vorlesungssaal, wo er über Pflanzenphysiologie referiert hat. Während des Gesprächs trinkt er Wasser, der Kuchen in der Auslage des Cafés lockt ihn nicht: „Wer sein Leben der Wissenschaft verschrieben hat, so wie ich, schafft das nur mit knallharter Disziplin“, erklärt er.
Herr Kutschera, erleben wir gerade eine Verschwörung an deutschen Universitäten? Ja, das haben Sie richtig erkannt.
Man erhält diesen Eindruck, wenn man Ihr Buch „Das Gender-Paradoxon“ liest. Sie rechnen darin mit den „Genderstudies“ ab, die das Verhältnis von Geschlecht zu Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften erforschen. Was haben Sie für ein Problem damit? Fangen wir ganz vorne an. Die Begriffe „Sex“ und „Gender“ sind von uns Biologen seit Jahrhunderten definiert. Sex, das heißt Befruchtung, ist die zweigeschlechtliche Fortpflanzung. Gender steht für die Entwicklung eines männlichen oder weiblichen Embryos zum geschlechtsreifen Tier. Diese Begriffe kann man nicht einfach beliebig umdeuten.
Und das tun die Gender-Forscher? Diese Gender-Ideologen behaupten: Menschen kommen als Unisex-Wesen zur Welt und werden erst von der Gesellschaft in Richtung Mann oder Frau geprägt. Alles ist soziales Konstrukt, Chromosomen und Gene sind Nebensache. Wir Biologen sollen unsere seit Jahrhunderten währende Forschung vergessen und mögen unsere wissenschaftlichen Publikationen auf der Müllkippe entsorgen. Das ist eine Anmaßung!
Sie klingen persönlich beleidigt. Selbstverständlich. Wir erleben eine Frontalattacke gegen die naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise. Vor kurzem hat eine Gender-Professorin in einer Berliner Zeitung geschrieben: „Die Zellen, die Biologen im Mikroskop sehen, sind soziale Konstrukte.“ Es wäre mir ja egal, wenn diese sogenannten Forscherinnen in ihren Stübchen hocken blieben und uns in Ruhe arbeiten lassen würden. Aber es gibt mittlerweile fast 200 Professuren für Genderstudies in Deutschland. Und dieser unwissenschaftliche Nonsens infiltriert alle universitären Fachrichtungen.
Woran machen Sie denn so etwas fest? Mir hat etwa ein Biologie-Student aus dem Saarland, der in der Vorlesung einer Gender-Professorin saß, das folgende Zitat mitgeteilt: „Ärzte sind Verbrecher, weil sie die Babys in die künstlichen Kategorien männlich und weiblich einteilen.“ So einen Unsinn muss der arme Studiosus vermutlich in einer Prüfung als Wahrheit wiedergeben.
Wirklich? So etwas wird abgefragt? Den Lehrplan müssen Sie mir zeigen. Glauben Sie nicht, dass dieser Student ein Einzelfall ist. Das ist der Anfang von einem geplanten Niedergang! Es gibt politische Vorgaben für die Integration der Gender-Irrlehre in die Lehrinhalte von 54 Fachgebieten. Das können Sie nachlesen auf gender-curricula.com. Alle Inhalte sollen geschlechtsneutralisiert werden, angefangen bei der Sprache.
Sie sind erklärter Gegner des Begriffs „Studierende“. Dieser ist unsinnig und grammatikalisch falsch. Was machen die Gemeinten denn in der Mittagspause? Dann sind sie Essende. Wenn sie ein Buch in die Hand nehmen, sind sie wieder Studierende. Oder dieses Binnen-I – einfach nur lächerlich. Der Oberbegriff Studenten schließt selbstverständlich auch Frauen mit ein, ich habe noch nie eine Studentin kennengelernt, die sich damit diskriminiert gefühlt hätte. Ich arbeite regelmäßig in den USA, da lachen die Kollegen, wenn ich erzähle, was im Gender-Germany vor sich geht.
Das können die Amerikaner ja gar nicht nachvollziehen, sie kennen kein grammatisches Geschlecht.
Klar, da haben es die US-Bürger einfacher. Aber so etwas geht auch nur in Deutschland: Die vergenderte Sprache ist eine Lachnummer und der heteronormale Lebensstil wird angegriffen, weil Irrgläubige mit einem biopolitischen Kampfauftrag die evolutionär herausgebildeten Geschlechter Mann und Frau abschaffen wollen. Fakt ist: Über 99 Prozent aller Menschen sind eindeutig männlich beziehungsweise weiblich, unsere Genderidentität wird vorgeburtlich festgelegt, diese Befunde habe ich grafisch dargestellt und mit Quellen belegt.
Sie sprechen in Ihrem Buch den Gender-Forschern die wissenschaftliche Legitimation ab. Wie kommen Sie als Evolutionsbiologe zu diesem Thema? Ich bin ein klassischer Hands-On-Scientist, ich betreibe seit Jahrzehnten eigenhändige Forschung, im Labor und im Freiland. Nebenbei beschäftige ich mich schon lange mit Pseudowissenschaften: dem biblischen Kreationismus, der Homöopathie, der anthroposophischen Medizin. Da ist der Weg zu den Genderstudies nicht weit: Diese Frau-gleich-Mann-Ideologie baut ebenfalls auf einem Glaubensprinzip auf, das seit langem widerlegt ist und dem pädophilen US-Kinderschänder John Money zugeschrieben wird.
Das ist eine rabiate Wortwahl für einen Naturwissenschaftler … … Sonst werden meine Argumente von den Gender-Gläubigen ignoriert!
Biologe Kutschera
Gegen den Gender-Wahnsinn.
(Foto: Corinna Nohn)
Sie polarisieren absichtlich und wurden kürzlich von einem Vortrag an der Universität Marburg ausgeladen. Das war eine niederträchtige Genderisten-Komödie. Ich bin eingeladen worden, um über Evolutionstheorien 2016 zu sprechen, es sollte gar nicht um das Thema Gender gehen. Zufällig habe ich mitbekommen, dass Asta-Vertreter mit Plakaten auftauchen wollten: „Sexist“ und was weiß ich sollte auf den Tafeln stehen. Unter diesen Umständen habe ich abgesagt. Kurz darauf kam dann aus dem Präsidium eine Ausladung. Ein Lehrstück, das zeigt, dass diese radikalfeministischen Gender-Religiösen viele Uni-Präsidenten beherrschen und an der Nase herumführen.
Sie sind also kein Sexist? Ich bin ein ausgewiesener Frauenförderer. Ein Beispiel: Ich leite ein Drittmittel-Projekt, es geht um zoologische und evolutionsbiologische Fragen. Kürzlich hatte ich eine Stelle ausgeschrieben und zahlreiche Bewerbungen von Männern sowie einige von Frauen erhalten. Ich habe nur Frauen zum Bewerbungsgespräch eingeladen, weil sie die Geeignetsten waren, und eine Biologin eingestellt. Ich bin für Chancengleichheit und für Gleichberechtigung. Aber ich lehne jede Form der Gleichstellung ab.
Wieso denn das? Da sind wir wieder beim Unisex-Wesen. Gleichstellung bedeutet logisch gedacht, dass Mann und Frauen exakt an gleichen Stellen stehen können. Eine Frau soll dieselben Aufgaben erfüllen können wie ein Mann und vice versa.
Was wäre daran falsch? Eine Frau – ich rede hier immer vom Durchschnitt, also nicht von Extremsportlerinnen – kann zum Beispiel nicht genauso gut mit einer zehn Kilogramm schweren Kettensäge im Wald arbeiten wie ein Mann, dieser kann wiederum nicht gebären. Ein Frauenkörper hat im Durchschnitt doppelt so viel Fettgehalt und halb so viel Muskelmasse wie der eines typischen Mannes. Das Hirn unterscheidet sich grundlegend. Frauen haben einen Hormonzyklus, Männer nicht. Daher kann man nicht einfach Mann und Frau austauschen und somit an die gleiche Stelle setzen. Natürlich kann kein Mann gebären ... ... Es gab bisher kaum eine Frau, die originell-kreativ komponieren konnte.
Wie bitte? Was ist mit Clara Schumann? Kennen Sie ihre Werke?
Sie gab ihre Ambitionen für ihren Mann Robert auf, förderte ihn. Ich kenne sämtliche Werke von Clara Schumann. Ihre beste Tonschöpfung ist das Klaviertrio Opus 17. Da finde ich den ersten Satz brillant, den zweiten mittelmäßig, den dritten langweilig. Die Kompositionen, die sie hinterlassen hat, sind, nun ja, drittklassig.
Vita Ulrich Kutschera
Ulrich Kutschera, Jahrgang 1955, stammt aus Freiburg, wo er auch studiert und promoviert hat. Seit 1993 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie an der Universität Kassel. Seit 2007 arbeitet er außerdem als „Visiting Scientist“ an der kalifornischen Stanford University.
In seiner Freizeit spielt der Vater erwachsener Kinder Klavier, nimmt auch eigene Kompositionen im Tonstudio auf. Als Vorsitzender des Arbeitskreises Evolutionsbiologie wirkt er gegen die Ausbreitung des Kreationismus. Er nennt sich selbst einen „ungläubigen Nichtwähler und Kriegsdienstverweigerer“.
Bei der Musik sind wir uns nicht einig. Aber was die körperlichen Fähigkeiten angeht: Frauen haben doch immer wieder Berufe erobert, die ihnen Männer nicht zugetraut haben – im Bergbau, im Cockpit, in der Bundeswehr. Menschen haben über Tausende von Generationen hinweg in ihren Nachkommen überlebt, weil es den Geschlechter-Unterschied gibt. Die Vermännlichung der Frauen und Verweiblichung der Männer ist eine psychologisch-geistig-seelische Vergewaltigung des Menschen. Die Verbreitung dieser Ideologie sollte daher verboten werden: gleiche Rechte für alle, aber keine Gleichmacherei.
Noch mal zur „Gleichstellung“: Das ist doch ein politischer Begriff, es geht um Positionen in Wirtschaft oder Politik. Wieso interpretieren Sie diesen Ausdruck nicht auch politisch oder soziologisch, sondern wortwörtlich? Da müssen wir in die Biologie zurück. Es gibt einen großen Irrtum, dass nämlich Mann und Frau den gleichen Beitrag zur Entstehung eines Kindes leisten. Das ist naiver Gender-Irrglaube. Kinder entstehen aus einer Körperzelle der Mutter, der Mann steuert einen halben Kern-Chromosomensatz bei. Frauen prägen das Kind schon in der Schwangerschaft, säugen es. Uns Männern hat die Biologie lediglich die Aufgabe zugewiesen, bei der Fortpflanzung für genetische Vielfalt zu sorgen. Mehr trägt der Mann rein reproduktionsbiologisch nicht bei.
Und das ist ein Problem? Ein sehr großes! Frauen können sich über Eizell-Befruchtung fortpflanzen, bei einigen Tierarten können sich Weibchen selbst klonen. Frauen können ihr Dasein problemlos über die Geburt und Aufzucht von Kindern definieren. Der Normalmann hat da keine Chance. In wenigen Jahren wird es künstliche Spermien geben, dann können sich Frauen selber befruchten und brauchen gar keine Männer mehr. Das hört sich allen Ernstes an, als seien die Männer in der Opferrolle.
Was haben wir armen Männer denn für Chancen im Leben? Wir sind überflüssige, zum Gebären unfähige Spaßvögel. Viele Männer kompensieren dieses Manko dadurch, dass sie sich im Beruf verausgaben. Wenn man ihnen das auch noch nimmt, was bleibt dann noch?
Sie meinen, die Gleichstellungspolitik macht den Männern alles kaputt? So könnte man das sehen. Die genetischen Unterschiede zwischen Frau und Mann sind so groß wie zwischen Mensch und Schimpanse. Daher ist diese pseudowissenschaftliche Gender-Gleichmacherei der typischen Frau mit dem durchschnittlichen Mann unakzeptabel.
Sie sind auch kein Fan der Frauenquote. In Ihrem Buch gehen Sie in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Hypergamie ein – also das Phänomen, dass Frauen Männer suchen, die erfolgreicher sind als sie selbst.
Ich zitiere da wissenschaftliche Erkenntnisse, aber ich habe das selbst schon x-mal erlebt. Ein Beispiel: Mann und Frau haben einen Doktortitel, der Mann fällt wegen der Quote aus dem Beförderungskarussell, die Frau macht Karriere. Die wird sich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit einen besser gestellten Mann suchen. Eine Frau Doktor Bundeskanzler nimmt sich keinen Diplom-Physiker zum Mann, sondern einen beamteten Professor.
Ambitionierte Frauen sind also Schuld am Geburtenrückgang?
Ich halte es für richtig, sinnvoll und wichtig, dass Frauen in Wirtschaft und Politik in Spitzenpositionen kommen. Aber unzählige fundierte Studien von Forschern, die an US Elite-Unis tätig sind, zeigen für Gesellschaften auf der ganzen Welt: Männer bevorzugen eine junge, loyale, fertile Partnerin und keine maskuline Kampf-Emanze. Frauen suchen einen Versorger. Ich will das nicht bewerten, aber die Konsequenz ist klar: Wenn es immer mehr Alpha-Frauen gibt, die wiederum Super-Alpha-Männer suchen, wird da oben die Luft dünn. Alpha-Frauen bekommen selten Kinder, die meisten sterben trotz anerzogener Intelligenz aus.
Was ist mit Vätern, die sich um ihre Kinder kümmern und glücklich sind?
Die sind überglücklich, klar!
Ich höre Ironie. Sie sehen das anders?
Wir betrachten in der Biologie immer Normal- oder Durchschnittsmenschen, also keine Extrem-Typen. Die Normalfrau hat um die 30 einen starken Kinderwunsch, der Durchschnittsmann entwickelt hingegen keinen ausgeprägten Drang nach Reproduktion, wenn er dieses Alter erreicht. Aber die Gesellschaft forciert ja geradezu die Verweiblichung der Männer und die Vermännlichung der Frauen. Und damit ihr eigenes Ende.
Wie das, bitte schön? Wenn man Jungs schon im Kindergarten beibringt, dass sie nicht toben dürfen, und wenn man jedem Mädchen einredet: „Werde Ingenieurin und arbeite später 60 Stunden in der Woche“, dann stirbt eine Population aus. Natürlich sollen Männer Elternzeit nehmen und Frauen in den Vorstand aufrücken dürfen. Aber es ist eine üble Bevormundung, wenn wir das als Ideal für alle Menschen per Quote vorschreiben!
Sie werfen den Genderstudies vor, dass sie sich in die Naturwissenschaften einmischen. Aber Sie als Evolutionsbiologe beurteilen, was gesellschaftlich sinnvoll ist? Wie soll denn eine Gender-Humanwissenschaft aussehen, bei der die gesamte Biologie als soziales Konstrukt abgetan und ignoriert wird? Sehen Sie sich an, wer sich im Namen dieser angeblichen „Gender-Wissenschaft“ als Wortführerin aufspielt: eine kleine Gruppe meistens kinderloser, homoerotisch gepolter, Testosteron-überproduzierender, vermännlichter Frauen, die die Mehrheit der Normalfrauen befreien wollen, vor allem von der Mutterrolle. Paradoxerweise ist aber das Glücksgefühl dieser Durchschnitts-Mütter höher als jenes der aussterbenden Gender-Damen. Und, ebenfalls paradoxerweise, sterben die Deutschen aus, obwohl uns die Gender-Irrlehre doch angeblich in eine gute Zukunft führen möchte: in eine kinderlose, mit sterilen „Unisex-Mann-Frauen“ in sämtlichen Berufszweigen.