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Das Buch zur Affäre Ruffini Polizei und Justiz haben aus dem Fall Beltracchi nichts gelernt

Spannend wie ein Krimi liest sich das neue Buch von Vincent Noce. 40 Jahre lang soll Giuliano Ruffini gefälschte Altmeister auf dem Kunstmarkt platziert haben.
08.04.2021 - 17:46 Uhr 1 Kommentar
Der Journalist und Autor ist bekannt für sein Engagement gegen die illegalen Gepflogenheiten des Kunstmarkts. Quelle: Numero Magazin
Vincent Noce

Der Journalist und Autor ist bekannt für sein Engagement gegen die illegalen Gepflogenheiten des Kunstmarkts.

(Foto: Numero Magazin)

Paris Der französische Journalist Vincent Noce spürt der verästelten Geschichte der Fälschungen von Alten Meistern nach, die in den letzten Jahrzehnten den Kunstmarkt verunsicherten. Sein Buch: „Die Affäre Ruffini. Nachforschung über das größte Mysterium der Kunstwelt“ ist soeben auf Französisch erschienen. Es liest sich im Duktus von Noce als umfassende Darstellung der Praktiken eines internationalen Fälscherrings.

Der frühere Redakteur der Tageszeitung „Libération“ Vincent Noce schreibt für das Onlineportal „The Art Newspaper“ und für dessen französische Konkurrenz „Le Quotidien de l’art“. Bekannt für seinen Kampf gegen die illegalen Usancen des Kunstmarkts habe ihn ein Whistleblower vor sechs Jahren auf eine Clique hingewiesen, die von Italien und Paris aus gefälschte Altmeister-Gemälde in Europa, den USA und bis Katar platzierte.

Der Informant sei laut Noce ein ehemaliger Partner eines in Norditalien lebenden Franzosen namens Giuliano Ruffini, ein cleverer Kenner der Maltechnik. Ruffini soll der Initiator und Organisator des Clans sein, obwohl er selbst nur selten auftrat.

Er soll gewiefte Zwischenhändler eingeschaltet haben, die selbst Preise festsetzten und chemische Analysen orderten. Wobei sich manche Gemälde – dank der Gutachten von Experten, Händlern oder Museumskuratoren – als vermeintliche Meisterwerke herausstellten. Das von Noce so bezeichnete „System Ruffini“ beruhte auf diesen drei Pfeilern.

Der heute 76-jährige, humorvolle und gastfreundliche Lebemann Ruffini erklärt dagegen gegenüber Noce, er sei einfach ein „Sammler, der viel Glück“ hatte. „Ich selbst habe keineswegs dekretiert, dass die Werke von großen Meistern seien. Das waren die Experten, die Händler und die Kuratoren. Die sollen jetzt die Verantwortung übernehmen“, meinte er Noce und dem Gericht gegenüber.

Ist die  „Venus“ eine perfekte Fälschung? (Ausschnitt aus einem steilen Hochformat) Quelle: Colnaghi, London
Lucas Cranach der Ältere (1472-1553)

Ist die „Venus“ eine perfekte Fälschung? (Ausschnitt aus einem steilen Hochformat)

(Foto: Colnaghi, London)

Noce führt aus, Ruffini habe keineswegs die „Venus mit dem Schleier“ teuer verkauft, die Experten dem Renaissancemaler Lucas Cranach dem Älteren zugeschrieben hatten. Mit der Beschlagnahmung der „Venus“ beginnt Noces Buch wie mit einem Paukenschlag. Er schildert, wie am 1. März 2016 eine Pariser Richterin, begleitet von Polizisten der Spezialeinheit gegen den illegalen Handel mit Kulturgut, das kleine Museum „Hôtel Caumont“ im südfranzösischen Aix-en-Provence betrat.

Sie hängten kurzerhand das Herzstück der Ausstellung ab: die „Venus“, von Cranach, die seither „Venus Liechtenstein“ heißt, weil sie dem Fürsten Hans Adam II. von Liechtenstein gehört, der einige Gemälde aus seiner gut bestückten Sammlung dem kleinen Museum in der Provence ausgeliehen hatte.

Das Gemälde, so wie sechs andere vermutliche Fälschungen von Meisterwerken mit der Herkunft „Ruffini“, ist nach wie vor vom französischen Gericht beschlagnahmt.

Akribisch genau verfolgte Vincent Noce die Spuren der nur mit einem Schleier bekleideten Maid, welche der Kurator des Fürsten 2013 laut Noce bei Bernheimer Fine Old Masters, für sieben Millionen Euro erwarb. Konrad Bernheimer habe das Bild kurz davor für 3,2 Millionen Euro über einen deutsch-französischen Agenten von Ruffini gekauft. Was Bernheimers „gar nicht so sicheres Auge“ beweise, wie der Buchautor ironisch vermerkt.

Die „Venus“ stammte angeblich aus einer ominösen „belgischen Privatsammlung“, die es jedoch wohl nie gab, wie Noce schreibt. Ein Charakteristikum der von Ruffini in Umlauf gebrachten Werke sei nämlich ihre fehlende Herkunftsgeschichte. Sie würden vielmehr eines Tages wie aus dem Nichts auftauchen und Händler wie den Londoner Mark Weiss begeistern, der wie ein roter Faden „Die Affäre Ruffini“ durchzieht, da er sich für mehrere Werke aus der „Sammlung“ Ruffini interessierte.

Laut Noce kaufte Weiss einige, reichte andere nach technischen Analysen zurück oder lieferte sie bei Christie’s oder Sotheby’s ein, wo deren Käufer, nach Presseberichten und chemischen Analysen, erfolgreich auf Annullierung der Auktionskäufe klagten.

Die französische Richterin erließ einen europäischen Haftbefehl zur Auslieferung von Giuliano Ruffini und dessen Sohn Mathieu. Die italienischen Gerichtsinstanzen beschlossen jedoch im Jahr 2020, dass die beiden Verdächtigen vorläufig nicht nach Frankreich überstellt werden. Zuerst will die italienische Finanzjustiz über deren vermutliche Steuerhinterziehung entscheiden. Erst anschließend könnten die Herren Ruffini zum strafrechtlichen Verhör nach Paris reisen.

Vincent Noce, „L’Affaire Ruffini. Enquête sur le plus grand mystère du monde de l’art
Buchet Chastel, Paris 2021
280 Seiten
20 Euro

Auch den begabten italienischen Maler Lucio Frongia würde die französische Richterin gern anhören, was die italienische Justiz jedoch ebenfalls ablehnt. Obwohl der kunstaffine Politiker Vittorio Sgarbi seinen Freund Frongia als den „größten lebenden Altmeistermaler“ bezeichnete. Der laut Sgarbi mindestens eines der fraglichen Gemälde gemalt hatte. Frongia behauptete jedoch vor Gericht, er kopiere und sammle Alte Meister zu seinem bloßen Privatvergnügen.

Die „Affäre Ruffini“ ist eine erschütternde Demonstration mangelhafter zwischenstaatlicher Zusammenarbeit der Polizei und der Justiz. Der zähe Informationsaustausch in der deutsch-französischen Beltracchi-Affäre diente offenbar keineswegs als Lektion für Justiz, Polizei, Finanz- und Zollbehörden zwischen Frankreich und Italien, um endlich effizienter zu agieren.

Die Hälfte des Buches von Noce ist Bildern von kleinen Meistern gewidmet, die in 40 Jahren durch die Hände von Giuliano Ruffini gegangen sein sollen. Das interessiert Spezialisten, jedoch weniger das breite Publikum. Der bissige Humor, die Ironie des Autors, sein marktkritisches Engagement und Erzähltalent machen das Lesen spannend, irritierend und ernüchternd zugleich.

Mehr: Fälschungsskandal: Alarm im Markt für Altmeister

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1 Kommentar zu "Das Buch zur Affäre Ruffini: Polizei und Justiz haben aus dem Fall Beltracchi nichts gelernt"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Leider mal wieder eine Überschrift, die die tatsächlichen Probleme des Kunstmarktes ausklammert. Polizei und Justiz haben sich an Gesetz und Vorschriften zu halten, dieses ist auch im Fall Belltracci erfolgt. EU hin oder her, zwischenstaatliche Rechtsverkehr ist zäh und langwierig, aber dieses ist nicht Schuld der Polizei oder Justiz.

    Die Affäre Belltracchi war zu allererst und überwiegend ein Versagen des Kunstmarktes, aus Lügen und Geldgier gemacht, ebenso wie die "Erschaffung von Kunstwerken" in diesem Fall. Polizei und Justiz sollen das Aufräumen, was nicht passieren würde, wenn die Geldgier ein dominanter Faktor in diesem Geschäft wäre. Das ist die wirkliche Lehre aus dem Fall Belltracchi, aber wenn die Autorin darauf hinweisen würde, bestände ja vielleicht die Gefahr nicht mehr zu hoffentlich bald wieder stattfinden Vernissagen eingeladen zu werden.

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