Der Sturm Von Windsbräuten und Malweibern

Blick in die Ausstellung "Sturm-Frauen" mit Werken von Lavinia Schulz. Quelle: Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2015, Foto: Norbert Miguletz
Frankfurt am Main Der Sturm wirbelt 1910 die ästhetischen Gewohnheiten der kunstinteressierten Gesellschaft des Kaiserreichs heftig durcheinander. Ausdrucksstarke Kunst überwindet in Wort und Bild die überkommene Darstellung der Welt als realistisches Ganzes. Eine kleine Gruppe von Avantgardisten pflegt lieber kubistische Fragmente und wendet sich im Futurismus und Konstruktivismus der Zukunft zu.
Ein Talentscout in Berlin
Entdeckt, gefördert und vermarktet wird diese länderübergreifend vorwärts stürmende Avantgarde von einem der begabtesten Seher des 20. Jahrhunderts. Das Auge im Taifun ist der Schriftsteller und Komponist Herwarth Walden (1878-1941). Er gründet 1910 in Berlin zunächst die Zeitschrift „Der Sturm“, 1912 eine gleichnamige Galerie. Sturm-Abende, Sturm-Bühne und die Sturm-Akademie runden das Sturm-Universum mit einem Marketingkonzept ab, das anders als Vermarktungsstrategien heute Inhalt über die Verpackung zu stellen wusste.

Der Galerist Herwarth Walden, 1918, fotografiert von Nicola Perscheid. Quelle:bpk / Nicola Perscheid
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Herwarth Walden hat zahlreiche Künstler der Klassischen Moderne entdeckt und aufgebaut: Marc Chagall etwa oder die Brücke-Künstler, den Blauen Reiter und auch den Dadaisten Kurt Schwitters. Weniger bekannt ist, dass sich Walden für 30 Künstlerinnen eingesetzt hat. Das war bei den traditionell chauvinistischen anderen männlichen Galeristen nicht der Fall.
Für die Ausstellung „Sturm-Frauen. Künstlerinnen der Avant-Garde 1910 bis 1932“ in der Frankfurter Schirn hat Kuratorin Ingrid Pfeiffer recht bekannte Namen mit solchen kombiniert, die zu Unrecht fast vergessen sind. Berühmte Russinnen wie Alexandra Exter und Natalja Gontscharowa treffen in der Schirn auf Gabriele Münter und Marianne von Werefkin, zwei Pionierinnen, die beim Publikum hierzulande mittlerweile Blockbuster-Status genießen. Während beide Malerinnen die Form der Farbe unterwerfen, funkeln Münters Landschaften juwelhaft in trotziger Zweidimensionalität. Werefkin hingegen hält an der Illusion von Raum fest, taucht ihre Bilderzählungen zuweilen in Surreales.
Verrückte Ganzkörper-Masken
Eine Wiederentdeckung sind u.a. die mannshohen Eisendraht-Kostüme von Lavinia Schulz. In keinem Entwurf tritt Schulz‘ Interesse an Tanz, Ton und Maskengestaltung so deutlich hervor, wie in „Springvieh“, einer witzigen Kreuzung aus Michelin-Männchen und Sprungfedern.
Nur Kennern vertraut, ist die eher neusachlich inspirierte Emmy Klinker, die hier u.a. eine Stadtgeschichte und Industriegeschichte verschränkende Ansicht von Wuppertal beisteuert. Auch die kesse Schönheit mit Hut und Mantel, fedrig duftig erfasst von Sigrid Hjerten, lohnt das genaue Hinsehen.