Deutscher Kulturförderpreis Otto Group bringt 10.000 Kinder ans Instrument

Die Ensembles treten sogar in der Elbphilharmonie auf.
Hamburg Beim Finale des Jahreskonzerts in der ehrwürdigen Hamburger Laeiszhalle geht es ziemlich rockig zu: Über 500 junge Musikerinnen und Musiker sind ganz und gar im rhythmischen Groove des Queen-Klassikers „Don‘t stop me now!“ als wäre das ihrer aller entschiedenes Lebensmotto. Ganz am Schluss des für großen Chor, Solisten und klassisches Orchester sämig arrangierten Queen-Medleys schwenkt das Riesen-Ensemble um auf den Superhit: „We will rock you!“ Dann bricht Jubel aus.
Das Jahreskonzert ist Teil des Musikprojekts „The Young ClassX“, das in den vergangenen neun Jahren etwa 10.000 Kinder und Jugendliche an über 100 Schulen in Hamburg für Musik begeistert hat und in diesem Jahr den Deutschen Kulturförderpreis für große Unternehmen erhält.
Das Projekt, mittlerweile aus dem Hamburger Musikleben nicht mehr wegzudenken, geht zurück auf eine gemeinsame Idee Alexander Birkens, CEO der Otto Group, und des kammermusikalischen Frauenquartetts Salut Salon, das bei der Gelegenheit aufspielte, als Michael Otto in den Aufsichtsrat wechselte.
Birken und Alexandra Bachmann von Salut Salon entwickelten daraufhin ein Grobkonzept für ein Projekt zur musikalischen Förderung von Kindern und Jugendlichen. Ausarbeitung des Konzepts und Aufbau und Organisation des Projekts wurde Tobias Wollermann überlassen, der davor lange an der Popakademie Baden-Württemberg als Studiengangsmanager den künstlerischen Studiengang Popmusikdesign leitete.
„The Young ClassX“ will Kinder und Jugendliche spielerisch an Musik heranführen, die aus weniger privilegierten Verhältnissen stammen. Aber: Wollermann will das Projekt nicht nur auf soziale Brennpunkte fokussieren.

Der Geschäftsführer von The YoungClassX studierte Musik und Physik.
Man habe „gleich zu Beginn des Projekts gemerkt und entschieden“, dass man „so vielen wie möglich eine Chance geben möchte, darunter auch Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Gegenden“. Aber eben nicht nur. „Das würde das Projekt stigmatisieren. Und alle blieben wieder nur unter sich. Man muss die Gesellschaft zusammenbringen“, so Wollermann.
Jeder Projektlehrgang besteht aus verschiedenen Modulen: Die Kinder und Jugendlichen können in einem Schulchor singen, mithilfe eines Stipendiums ein Instrument erlernen, im Orchester spielen oder über das Musikmobil einfach zuhören oder ausprobieren.
Enges Netzwerk
Wollermann hat zur Organisation der Module ein enges Netzwerk mit Hamburger Institutionen und Partnern geknüpft: „Die Schulbehörde unterstützt von Anfang an den Chorbereich, indem sie Lehrer freistellt für das Chorprojekt. Wir haben über 50 Chorleiter an 35 Schulen. Die Schulen müssen voll dahinterstehen, das ist die Grundvoraussetzung“, so der Geschäftsführer von „The Young ClassX“.
Die Kinder und Jugendlichen können entscheiden, ob sie in einen der Chöre gehen möchten oder lieber Instrumentalunterricht hätten. Wollermann hält nichts von „Zwangsbespaßung“ und sagt: „Wenn ein Kind sagt, ich spiele lieber Fußball, dann ist das wunderbar. Sie müssen ja auch dranbleiben wollen.“
Also nicht nur Spaß, sondern auch Disziplin ist gefragt bei Young ClassX. Zumal das Projekt besonders Begabte auch besonders fördert und Erfolgserlebnisse belohnt. Es gibt Unter-, Mittel- und Oberstufenchöre. Begabte Stimmen können sich für das Solistenensemble qualifizieren.
Instrumentalunterricht wird über rund 50 Stipendien vermittelt, und die Kinder und Jugendlichen werden zugleich ermuntert, sich an dem Orchestermodul zu beteiligen, das für Fortgeschrittene in dem angesehenen Felix Mendelssohn Jugendsinfonieorchester mündet.
Für weniger aktive Kids und solche, die vielleicht noch etwas Berührungsangst beim Thema Musik haben, bietet „The Young ClassX“ das sogenannte Musikmobil als Erstkontakt für Kinder und Jugendliche an: „Mit dem Musikmobil erreichen wir die meisten, allein in Hamburg machen wir 35 Fahrten“, sagt Projektchef Wollermann. Das Musikmobil steuert musikalische Ziele an wie die Staatsoper, das Ballett, aber auch Ziele wie die Steinway-Pianofabrik.
Keine Gebühren und Barrieren
Institutionen wie die Staatsoper unterhalten zwar ihre eigenen Bildungsprogramme, aber Wollmann weiß – da kommen sowieso nur „die Kinder aus der Stadtmitte, die einen Musikleistungskurs belegt haben. Wir holen die Kids mit dem Bus ab in ihrem Viertel.“
Das niedrigschwellige Musikmobil-Angebot kommt inzwischen so gut an, dass auch Otto-Tochterfirmen in Dresden und Karlsruhe ein eigenes Musikmobil eingerichtet haben, das die Kinder nicht nur abholt, sondern während der Fahrt vorbereitet und auf der Rückfahrt Feedback ermöglicht.
Zur Grundidee, die Wollermann beschreibt mit „frei von Gebühren und Barrieren“, gehört auch, dass klassische Musik bei „The Young ClassX“ sehr weit gefasst wird. Eine entschlackte Version von Beethovens Neunter gehört ebenso dazu wie die Arrangements von Queen, süffige Filmmusik, Hiphop und Beatboxen. Wollermann ist das Spielerische wichtig, die positiven Kollektiverlebnisse. Sein Angebot will nur „ein Appetizer sein, der Lust machen soll auf mehr Musik“.
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