Devotionalienhandel Ermittlungen eingeleitet wegen angeblicher Hitler-Kunst

In Ohio wechselte dieses Blumenbild für 15.000 Dollar den Besitzer.
Wien Die Beschlagnahme dreier angeblich von Adolf Hitler gemalter Aquarelle in Berlin Ende Januar war nur der Auftakt. Die für Februar in Nürnberg anberaumte „Sonderauktion Adolf Hitler“ sollte eine Welle internationaler Berichterstattung auslösen.
Im Mittelpunkt stand weniger der fragwürdige Kult um einen Massenmörder als die Zweifel an der Echtheit der Werke. Genauer, ob die angebotenen Bilder einst überhaupt von Hitler gemalt wurden, ob es sich um Fälschungen handelt oder auch um Werke fremder Künstler, die um das Monogramm „A.H.“ oder die Signatur „A. Hitler“ ergänzt wurden.
Immerhin: Anders als bei den gefälschten Hitler-Tagebüchern, denen 1983 der „Stern“ aufsaß, stimmen bei den Bildern wenigstens die Initialen. Auf den Einbänden der angeblichen Tagebücher prangte statt eines altdeutschen „A“ für Adolf ein ähnlich aussehendes „F“. Abgesehen von solchen Details ist der Markt für Hitler-Aquarelle ähnlich trübe wie einst der für seine angeblichen Tagebücher.
Fund bei der Hausdurchsuchung
31 vorgeblich von Hitler geschaffene Werke wollte das in Nürnberg ansässige Auktionshaus Weidler, das seit Jahren solche Werke in Verkehr bringt, am 9. Februar in seiner „Sonderauktion“ versteigern. Bei einer Hausdurchsuchung fanden sich dann deutlich mehr. Am Ende wurden 63 Bilder sichergestellt, wie Philip Engl, stellvertretender Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Nürnberg, auf Anfrage bestätigt. Es geht um den Verdacht des Betrugs und der Urkundenfälschung. Das wollte das Auktionshaus nicht kommentieren. Die Sonderauktion fand mit Hitlers Hausrat statt.
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Es hieß, die Bilder seien vor Hitlers politischer Laufbahn entstanden, vor allem in Wien, wo sich Hitler zweimal vergeblich um die Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste bemüht hatte. Mit Aquarellen bekannter Bauten verdiente er sich damals den Lebensunterhalt.
Das entspricht weitgehend der historischen Realität, allerdings nicht in den Dimensionen, die ein 1983 veröffentlichter Werkkatalog glauben machen will, der sich nun als Teil des aktuellen Problems entpuppt. Denn die Autoren des Katalogs, autodidaktische Historiker und Sammler, fantasierten von bis zu 3.000 Hitler-Werken und veröffentlichten viele Bilder, die sich längst als Fälschungen herausstellten. Darunter zahlreiche von Konrad Kujau, der auch schon die angeblichen Tagebücher mit dem falschen Initial fabrizierte.

Eine testweise von holländischen Journalisten gefälschte Hitler-Signatur wurde für echt erklärt.
Hitler-Bilder sind Devotionalien, mit denen sich Kunsthistoriker nie beschäftigt haben und die im klassischen Kunsthandel verpönt sind. Davon profitieren andere, die sich dieser durchaus lukrativen Nische angenommen haben. So wurden schon 130.000 Euro für die Ansicht des Münchener Rathauses oder 100.000 Euro für Schloss Neuschwanstein erzielt. In Ohio bezahlte ein NS-Nostalgiker jüngst 15.000 Dollar für ein Blumenstück mit einer nachweislich gefälschten Hitler-Signatur.
Die Kunde der strittigen Ware verbreitete sich bis nach Taiwan, Vietnam, Brasilien, Nigeria und Indien, auch in den USA und in Europa sowieso. Das Ausmaß der Medienberichte dokumentiert der Facebook-Account von Bart FM Droog. Der holländische Journalist und Schriftsteller hatte sowohl in Berlin als auch in Nürnberg die zuständigen Behörden informiert und die Ermittlungen in Gang gesetzt.
Nur ein Bruchteil ist echt
Droog und sein Kollege Jaap van den Born gelten als Experten für Hitler-Fakes. Ihre Auseinandersetzung mit diesem Genre, das abseits des Kunstmarktes und überwiegend online gehandelt wird, begann im Februar 2016: mit einem Gedicht, das aus der Feder Hitlers stammen sollte. Droog hatte Zweifel und begann zu recherchieren.
Das Ergebnis: Der wahre Autor war ein in Vergessenheit geratener deutscher Dichter namens Georg Runsky. Wenige Monate später gab das Niederländische Institut für Kriegs-, Holocaust- und Genozidstudien (NIOD) in Amsterdam bekannt, ein mit „A. Hitler“ signiertes Aquarell geschenkt bekommen zu haben. Droog und sein Kollege begannen, sich in forensischer Manier mit dem Bild zu beschäftigen. Ihr Schluss: Nur ein Bruchteil der über die Jahrzehnte unter der Marke „Hitler“ verkauften Werke ist echt. Bei der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um sukzessive und vom Werkkatalog begleitet in den Markt eingeschleuste Fälschungen. So auch das Bild im NIOD-Bestand.
Wer die Spreu vom Weizen trennen will, sollte sich mit den ersten Hitler-Fälschungen beschäftigten, die bereits in den 1930er-Jahren in Wien kursierten, empfiehlt Droog. Die Akten der damaligen Ermittlungen liegen im deutschen Bundesarchiv.
Ein Gutachten für 49 Dollar
Die Forschungsergebnisse der beiden Niederländer beschäftigen sich auch mit den teils dubiosen Gutachten. Etwa jenen von Frank Garo, einem amerikanischen Handschriftenspezialisten, den die beiden 2017 quasi überführten. Dazu suchte Jaap van den Born ein klassisches Wien-Motiv im Internet und fanden ein Aquarell der „Spinnerin am Kreuz“ von 1910. Auf den Farbausdruck der Aufnahme pinselte er anschließend die Signatur „A. Hitler“ und mailte Garo einen Scan.
Gegen Zahlung von 49 Dollar bekam van den Born ein Gutachten, das die vermeintliche Echtheit des Aquarells bestätigte. Garos Gutachten werden auch bei den aktuellen Ermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaft eine Rolle spielen. Es geht um die Frage, ob die beteiligten Auktionshäuser Kloss (Berlin) und Weidler (Nürnberg) an der Seriosität dieser Gutachten hätten zweifeln müssen. Beide äußern sich dazu auf Anfrage nicht.
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