Fälschungsfall Beltracchi Werner Spies kann jetzt wieder schlafen

Werner Spies, hier auf der Frankfurter Buchmesse 2012, muss keinen Schadenersatz für seine gutachterlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Max-Ernst-Fälschungen zahlen. Foto: Arno Burgi/dpa
Paris „Es liegt nichts mehr gegen mich vor, meine Ehre ist wieder hergestellt“, verkündet der 78-jährige Kunsthistoriker und Max Ernst Spezialist Werner Spies telefonisch dem Handelsblatt. Er könne jetzt wieder atmen und schlafen, fügt der ehemalige Direktor des Museums im Centre Georges Pompidou hinzu.
Spies war wegen sieben, irrtümlich Max Ernst zugeordneten, aber tatsächlich von Wolfgang Beltracchi gefälschten Gemälden, in die Presse gelangt und vor ein französisches Gericht gezogen worden. Spies hatte auf der Rückseite von Fotos der Gemälde notiert, er würde diese in das Werkverzeichnis von Max Ernst aufnehmen, das er ursprünglich gemeinsam mit Sigrid Metken und ihrem im Jahr 2000 verunglückten Mann Günter Metken herausgab.
Was bisher geschah
Eines der gefälschten Max Ernst Bilder, „Erdbeben“, zählt zu den 14 Gemälden, die der Fälscher Wolfgang Beltracchi vor Gericht eingestand. Die Pariser Galerie Cazeau-Béraudière verkaufte „Tremblement de Terre“ im Jahre 2004 an den holländischen Sammler Louis Reijtenbagh, der das Bild auf Grund finanzieller Schwierigkeiten bei Sotheby's einlieferte. Das Auktionshaus informierte Reijtenbaghs Firma, die seit 2005 auf den Namen Monte Carlo Art in Tortola, auf den Britischen Jungfern Inseln, eingetragen ist, dass die Auktion wegen der Fälschung annulliert wurde und verlangte die Rückzahlung von 990.000 Dollar (652.833 Euro).
Daraufhin zeigte Monte Carlo Art den Galeristen Jacques de la Béraudière gemeinsam mit dem weltweit erstrangig anerkannten Max Ernst Spezialisten Werner Spies an, dessen Versprechen zur Aufnahme ins Werkverzeichnis (per Schriftzug am Foto) die Echtheit des Bildes (bisher) absicherte.
Vertrauensverlust in das Werkverzeichnis
In erster Instanz wurden Spies und Béraudière „in solidum“ (d.h. wenn einer ausfällt, muss der andere die ganze Summe bezahlen) vom Landgericht Nanterre im Mai 2013 zur Bezahlung der Summe von 652.833 Euro plus Gerichtskosten in der Höhe von 5.000 Euro verurteilt. Das Berufungsgericht in Versailles ist der Ansicht, dass das schriftliche Versprechen von Werner Spies, das Bild ins Werkverzeichnis aufzunehmen, von einem verbindlichen Gutachten zu unterscheiden sei. Da in Frankreich Experten, die Gutachten ausstellen, für diese finanziell haftbar sind, wurde Spies in erster Instanz verurteilt.
Seine neue Anwältin, Marie Delion, argumentierte mit dem Unterschied zwischen dem Autor des Werkverzeichnisses und dem Begriff des Experten (dem Spies ihrer Meinung nach nicht entspricht), worauf die Richter in Versailles den ehemaligen Museumsdirektor von seiner finanziellen Haftung entbanden.
Der Wert von Werkverzeichnissen wird durch diesen Gerichtsentscheid total relativiert. So wie im deutschen Recht für Gutachten üblich, sollten Werkverzeichnisse ab nun nur noch als stilistische Analyse eines profunden Werkkenners gelten, nicht mehr als absolut zuverlässig.