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Fotografin Katharina Sieverding Beuys-Schülerin sprengt die Grenzen der Fotografie

Katharina Sieverding gilt als Pionierin der Fotokunst. Ihre Themen sind Gesellschaft, Identität und Geschlecht. Politische Statements und Großfotos sind ihr Markenzeichen.
12.04.2018 - 21:07 Uhr Kommentieren
„Projected Data Images 1“ – eine digitale Projektion aus dem Jahr 2009. Quelle: Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst Bonn 2018
Katharina Sieverding

„Projected Data Images 1“ – eine digitale Projektion aus dem Jahr 2009.

(Foto: Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst Bonn 2018)

Havanna Selbst in karibischer Hitze ist sie von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt. Katharina Sieverding ist im November in Havanna, um in der Fototeca de Cuba eine Einzelausstellung zu zeigen. Beim Aufbau der speziell für Kuba konzipierten Schau muss improvisiert werden: Am Abend vor der Eröffnung sind die vorbereiteten Rahmen für die kleineren Fotoarbeiten aus der Museumswerkstatt verschwunden.

Doch Sieverding lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: „Dann hängen wir eben ohne Rahmen“, beschließt sie knapp, und nun muss der Düsseldorfer Galerist Till Breckner, der die Ausstellung organisiert hat, selbst ran und mit dem Zollstock auf die Leiter. Dann fällt auch noch das Licht aus, und Smartphone-Taschenlampen müssen herhalten, um rechtzeitig fertig zu werden.

Mit stoischer Gelassenheit reagiert Sieverding auf die widrigen Umstände, die manchen Künstler wohl in die Flucht getrieben hätten. Vor der Kuba-Erfahrung ehrte sie in der Bundeskunsthalle eine große Retrospektive mit dem Titel „Kunst und Kapital“, im Sommer wurde ihr der bedeutende Käthe-Kollwitz-Preis zugesprochen, momentan bereitet sie die Teilnahme an der Manifesta 12 in Palermo und ein Großprojekt im öffentlichen Raum in Düsseldorf vor.

„Global Desire – Bahnhofsviertel Düsseldorf“, ein Projektentwurf für Juni 2018. Quelle: Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst Bonn 2018
Katharina Sieverding

„Global Desire – Bahnhofsviertel Düsseldorf“, ein Projektentwurf für Juni 2018.

(Foto: Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst Bonn 2018)

Die Kuba-Schau ist dagegen vergleichsweise klein dimensioniert. Kein Grund für die international begehrte Foto-Pionierin, Havanna nur als kurzen Exotik-Trip zu behandeln.

Im Gegenteil, drei Wochen nimmt sie sich dort Zeit, ihr Partner – der Fotokünstler Klaus Mettig, dem in Havanna eine zweite Schau in der Casa-Guayasamin gewidmet ist – bleibt sogar sieben Wochen, denn: „Wir haben im Rahmen des Noviembre Fotografico diverse Eröffnungen besucht und sind mit den Künstlern ins Gespräch gekommen. Durch unsere Kuratorin Tereza de Arruda haben wir die Direktorinnen des Wilfredo-Lam-Centers kennen gelernt, beide sind künstlerisch verantwortlich für die Havanna Biennale, die 2019 zum 13. Mal stattfindet. Die Gespräche waren sehr interessant, und es war auffällig, wie gut alle generell über die internationale Kunstszene informiert sind.“

Sieverding ist auf Kuba wie immer stets mit ihrer kleinen Leica C-3 unterwegs: „Ich dokumentiere und protokolliere analytisch, analog und schwarz-weiß. Dabei handelt es sich aber nicht um eine kubanische Ausbeute, sondern eine sensible Berührung. Die Armut der Lebensbedingungen hinter der verfallenden Pracht ist erschütternd.“

Katharina Sieverding gilt als Pionierin der Fotokunst. Seit den frühen 1970er-Jahren arbeitet sie mit Großformaten und setzt, häufig in seriellen Arbeiten, ihr extrem vergrößertes und auf vielfältigste Weise manipuliertes Selbstporträt ein. Auch die Auseinandersetzung mit den Medien, speziell auch Film und Kino, spielen eine zentrale Rolle in ihrem Werk.

Die Künstlerin ist immer mit Sonnenbrille und in Schwarz gekleidet. Quelle: picture alliance/dpa
Katharina Sieverding

Die Künstlerin ist immer mit Sonnenbrille und in Schwarz gekleidet.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ursprünglich kommt sie jedoch von der analogen Bühnenkunst. Ihre künstlerischen Anfänge liegen in der Zusammenarbeit mit Theater-Giganten wie Fritz Kortner, Gustaf Gründgens, Bohumil Herlischka und Werner Düggelin, der Realisierung der Bühnenbildentwürfe von Teo Otto und eigenen Kostümbildern.

Mit den Salzburger Festspielen 1967 endete diese Karriere abrupt, als bei der Hauptprobe zu Mozarts „Zauberflöte“ eine Tür knarrte und der darob unmäßig erboste Dirigent Sieverding zum Umdenken brachte: „Ich bin erst mal ins Café Tomaselli gegangen, las dort die Tagespresse und dachte: Verdammt! Denn es wurde über die Studentendemonstrationen gegen den Schah-Besuch und den Mord an Benno Ohnesorg berichtet. Da habe ich mir gesagt: Jetzt ist Schluss mit High Culture. Jetzt gehe ich zu Beuys, jetzt möchte ich meine eigenen Statements formulieren.“

Bis heute sind die politischen Statements ein immer wiederkehrender Themenkomplex. „Es geht nicht um politische Stoßrichtung oder eigene Positionierung, sondern um den Multilayering–Prozess, um beispielsweise die „Achse des Bösen“ zu erforschen wie in den Arbeiten zum Irak-Krieg, den ‚Visual Studies 2002–2004‘.“ Berühmt wurde etwa ihre Arbeit „Deutschland wird deutscher“ von 1992, als in Rostock Flüchtlingsheime brannten und Sieverding visionär brisante heutige Probleme antizipierte und damit damals schon extrem polarisierte. Ihr Umgang mit Text ist lakonisch und treffsicher.

Die Handelsblatt-Edition „MATON SOLARISATION 1969-72“ gibt es in einer Auflage von 25 + 5. Quelle: Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Foto: © Klaus Mettig, VG Bild-Kunst
Katharina Sieverding

Die Handelsblatt-Edition „MATON SOLARISATION 1969-72“ gibt es in einer Auflage von 25 + 5.

(Foto: Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Foto: © Klaus Mettig, VG Bild-Kunst)

Eine weitere ästhetische Grundkonstante ihres Werks ist das Foto-Großformat, dabei geht es ihr um die unmittelbare Auseinandersetzung: „Der oder die Betrachter/in können sich Life-Size in den Bildraum imaginieren und mobilisieren. Somit ermöglicht das Format eine Auseinandersetzung von Kopf bis Fuß mit dem den Menschen bedrohenden technologischen, nuklearen und logarithmischen Fortschritt in die Zukunft.“

Ihre nah herangezoomten Selbstporträts sind als permanente Selbstbefragungen zu verstehen, aber zugleich wirken sie auch depersonalisiert. „Das Ausgangsmaterial für alle Porträt-Arbeiten sind Passfotos der 60er- und 70er-Jahre. Es geht um Reproduktion, Transformation, Transfiguration der individuellen, dividuellen (teilbaren, d. R.) und multilateralen Identität.“

Sieverdings irritierend vieldeutige Selbstporträts spielten von Anfang an konsequent mit den Geschlechteridentitäten, als noch niemand das Wort Gender in den Mund nahm. Ein feministischer Impuls? „Es handelte sich immer um eine Erweiterung des Differenzfeminismus. Der feministische Impuls war aber in der Installation der großformatigen Porträts im Raum wirksam. Diese Anwesenheit als Künstlerin wurde als Provokation empfunden.“

Bei der Manifesta 12 werden von Juni bis November vierzehn großformatige Digitaldruck-Arbeiten im Haus der Kunst im Cantieri Culturali Alla Zisa auf die Wände plakatiert, außerdem sind vier bis fünf Monumentalbilder im Stadtraum Palermo zum Thema „Stadt und die Stadtentwicklung“ geplant.

Der öffentliche Großstadt-Raum ist auch das Thema des kommenden Düsseldorfer Projekts „Von fremden Ländern in eigenen Städten“, wo Sieverding das „problematische wie interessante“ Bahnhofsviertel bespielen wird und seine „radikal aus dem menschlichen Maß fallenden Bauten der 80er-Jahre. Die haben hier einen Raum geschaffen, der gänzlich dem Verkehr gewidmet scheint.“

Geplant ist eine 200 Meter lange und vier Meter hohe Bild- und Textstrecke als Fries aus etwa 40 Bildkonstruktionen, die das Verhältnis von Kunst, Gesellschaft, Politik und Urbanität thematisieren sollen. „Verhandelt wird assoziativ wie konkret der Zustand des Realen vor dem Hintergrund aktueller politischer und sozioökonomischer Entwicklung. Ausgehend von einem ephemeren Bild entwickelt sich in einer kinematografischen Bildfolge die Frage nach komplexen gesellschaftlichen Diskursen.“

Bei diesem Projekt arbeitet Katharina Sieverding mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus zusammen, das derzeit in der Interimsspielstätte Central im Bahnhofsviertel residiert. Sozusagen eine Rückkehr zu den Wurzeln, zum Theater.
Aktuell ist in Düsseldorf ihre große Fotoarbeit „Maton Solarisation“ in der Ausstellung „Black & White“ im Museum Kunstpalast zu sehen.

Für Felix Krämer, Generaldirektor des Museums Kunstpalast hat „Katharina Sieverding die Grenzen der Fotografie radikal gesprengt. Die gesellschaftliche und politische Bedeutung von Kunst wird durch ihr medial vielseitiges Werk unterstrichen und gestärkt. Nicht mehr wegzudenken aus der Kunstgeschichte sind ihre Untersuchungen zu den Themenfeldern Identität und Geschlecht. Für mich ist Sieverding nicht nur eine der wichtigsten deutschen Künstlerinnen, sondern auch eine der spannendsten.“

Handelsblatt Edition
„MATON SOLARISATION 1969-72“, Katharina Sieverding, Edition 2018, signiert, nummeriert, Auflage : 25 + 5, Archival Print auf Hahnemühle-Fine-Art-Papier – William Turner 310 g/m; Blattmaß: 42 x 59,4 – Bildmaß: 38 x 53,7 cm
Der Preis liegt bei 1 250 Euro (inkl. Mwst.). Dies ist ein Angebot der Handelsblatt GmbH in Kooperation mit der Galerie Breckner, Düsseldorf.
Zu bestellen: https://kaufhaus.handelsblatt.com/katharina-sieverding

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