Gemälde und Zeichnungen Deutsche Bank verkauft Teile ihrer Kunstsammlung – still und leise

Das dreiteilige Meisterwerk von knapp sieben Metern Länge gehört nicht mehr der Deutschen Bank.
Berlin Kürzlich hat die Deutsche Bank ihren Verlust auf 5,7 Milliarden Euro beziffert. Voraussichtlich 18.000 Stellen werden gestrichen. Der Bonustopf für das Topmanagement schrumpfte auf 13 Millionen Euro, ein Jahr zuvor war es noch doppelt so viel. Jetzt ist auch die Kunst dran, wie das Handelsblatt erfuhr.
Mit 59.000 Werken von Künstlern aus dem 20. und 21. Jahrhundert ist die Kunstsammlung der Deutschen Bank größer als so manche Museumssammlung. Sie umfasst überwiegend Zeichnungen, ergänzt um Gemälde.
Seit einiger Zeit wird die Sammlung still und leise aufgelöst. Schon 4.000 Arbeiten sind zu Geld gemacht worden, darunter Gemälde von Emil Nolde, Alexej von Jawlensky und Piet Mondrian. Ein Werk des abstrakten Malers Hans Hartung war zuletzt im internationalen Handel zu haben. Für Gemälde von Expressionisten wie Erich Heckel, Max Pechstein und Gabriele Münter macht sich die Münchener Galerie Thomas stark. Preisgünstigere Grafik wird schubweise in Onlineauktionen vermarktet.
Absolutes Prunkstück der Kunstsammlung der Deutschen Bank war ein dreiteiliges Gemälde von Gerhard Richter. Jüngst hingen die Abstraktionen mit dem gemeinsamen Titel „Faust“ von 1980 noch in der Lobby des Wall-Street-Turms der Bank in New York. Unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden sie bereits im vergangenen Jahr in einem Privatverkauf einem amerikanischen Sammler überlassen.
Die Begründung: Die Bank werde kleiner, brauche weniger Platz und gehe an einen neuen Standort. „Der Richter hätte im neuen Gebäude wegen des außergewöhnlichen Formats nicht gehängt werden können“, sagt Friedhelm Hütte, Sammlungsleiter der Bank seit den 1980er-Jahren, dem Handelsblatt.
Für die Bank, die seit Donnerstag mit Capital Group einen neuen Großaktionär besitzt, soll das kein Ausverkauf sein. „Die Deutsche Bank hält an ihrer Kunstsammlung fest, fördert und sammelt auch künftig zeitgenössische Kunst, wenn auch in geringerem Umfang als bisher“, sagt Hütte.

Sammlungsleiter bei der Deutschen Bank seit den 1980er-Jahren.
Die Deutsche Bank ist kein Einzelfall. Immer wieder mussten in letzter Zeit Unternehmen Schätze ihrer Firmensammlungen veräußern. Mal laut, mal leise gingen Kunstwerke teils auf der öffentliche Auktionsbühne oder diskret durch Händler und Kunstberater vermittelt in neue Hände über. So geschehen bei Kaufhof, Hypo Vereinsbank, Nord-LB sowie NRW‘s Casino-Betreiber Westspiel mit zwei Warhol-Gemälden, die 2014 für 120 Millionen Euro in London zugeschlagen wurden.
Zuletzt kam die „SØR Rusche Sammlung“ des Textilunternehmers Thomas Rusche bei Van Ham in Köln unter den Hammer. Das Ziel: das Familienunternehmen zu retten. Ebenfalls bei Van Ham wurde jüngst für die Deutsche Bank ein Gemälde des großen deutschen Malers Ernst Wilhelm Nay verkauft.
Als die „Faust“-Bilder 1980 aus Gerhard Richters Atelier kamen, war für die Deutsche Bank die Welt noch in Ordnung. Für die Aktionäre lief es vor 40 Jahren alles andere als enttäuschend. Ihre von einer auf zehn D-Mark aufgestockte Dividende als Beteiligung an dem Rekordergebnis des Jahres 1980 ließ auch die Vorstände aus dem Vollen schöpfen.
Verlust für die Öffentlichkeit
„Faust“ wurde im Frühjahr 1981 erstmals in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt in einer Museumsausstellung mit zeitgenössischer Kunst aus Deutschland. Wenige Jahre später fiel in der Galerie von Max Hetzler in Stuttgart die Kaufentscheidung. Die drei leuchtend gelb-roten Gemälde legten den Grundstein für eine der weltweit größten Unternehmens-Sammlungen.
„Es gibt nur zwei herausragende der insgesamt vier Richter-Triptychen“, schätzt Dietmar Elger das Gemälde ein. Der heutige Leiter des Gerhard Richter Archivs in Dresden zählt „Faust“ dazu und „Atelier“ von 1985, ein Gemälde, das in der Berliner Nationalgalerie hängt.
„Bei ‚Faust‘ handelt es sich um das Abschlusswerk der Werkgruppe von Richters seltenen ‚Weichen Abstraktionen‘ aus den Jahren 1978 bis 1981. Sie nehmen einen besonderen Stellenwert im Schaffen des Malers ein. Der Verkauf an eine Privatsammlung ist ein großer Verlust für die Öffentlichkeit.“
Warum aber trennt sich die Bank von einem ihrer beiden bedeutenden Gerhard Richter-Gemälde? In einer Geste gesellschaftlicher Verantwortung hatte das Bankhaus 2009 das Gemälde „Kahnfahrt“ von 1965 langfristig dem Frankfurter Städel geliehen. Verfügbar für schnellen Cash war also nur „Faust“ in New York. Denn die Veräußerung von Graphik-Editionen und Doubletten – wie sie Friedhelm Hütte gerne anführt – bringen im derzeit flauen Grafik-Markt keine Millionen-Einnahmen.
Kasse machen hat bei Banken Tradition. Just vor zehn Jahren, als die ersten Verkäufe aus der Sammlung der Deutschen Bank getätigt wurden, erzielte die lebensgroße Bronzeskulptur eines schreitenden Mannes von Alberto Giacometti aus der Sammlung der Dresdner Bank bei Sotheby‘s in London rund 65 Millionen Pfund oder 104 Millionen Dollar – einen Weltrekordpreis.
Eingebracht hatte Sotheby‘s damaliger Deutschlandchef Philipp Herzog von Württemberg die Großskulptur. So flossen der Commerzbank viele Millionen als Morgengabe für die Übernahme der Dresdner Bank in die Finanzausstattung ihrer Stiftung.
Kronjuwel privat verkauft
Zurück zum Kronjuwel der Deutschen Bank: Auf die Frage, welche Werke denn am gefragtesten sind bei Sammlern, antwortet Richter-Experte Elger: „Rot und Gelb geht besser als Blau und Grau.“ Somit dürfte das Schlüsselwerk „Faust“ der Deutschen Bank beste Voraussetzungen gehabt haben für einen Spitzenpreis.
Wer hat „Faust“ gekauft? Zu welchen Preis? Wir wissen es nicht. Aber eines lässt sich sicher sagen: Die Deutsche Bank ist ihren Aktionären verpflichtet und auch zu Sorgfalt. Was auch immer der Privatsammler für das im Stillen erworbene Jahrhundert-Werk bezahlt hat, es war wahrscheinlich zu wenig. Denn nur ein offener Bieterwettbewerb in einem öffentlichen Auktionssaal hätte den aktuell gültigen, besten Preis ermitteln können.
Ein Triptychon als Schlüsselwerk
Dietmar Elger hat die dreiteilige Gemäldefolge auf 40 Millionen Euro geschätzt. Aus diesem sehr moderaten Ansatz dürfte eher der Akademiker gesprochen haben. Diese Summe hätte immerhin zur Refinanzierung der Vorstands-Boni aus den vergangenen zwei Jahren gereicht.
Marktkenner aber würden als Referenzbild eine gleichfalls heiter-helle Abstraktion von 1986 wählen. Das Einzelbild mit der Werknummer 599 war in der Frühjahrsauktion von Sotheby‘s in London für rund 41 Millionen Euro versteigert worden.
Branchenkenner gehen jedoch angesichts der drei Teile von „Faust“ von einem erzielbaren Preis jenseits der 100-Milllionen-Euro-Marke aus. Denn nur wenige Werke besitzen den Nimbus eines solchen Schlüsselwerks und so eine Herkunftsgeschichte. Oder wie es Goethes Held Faust zusammenfassen würde: „Das also war des Pudels Kern!“
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