Glossar: Wie man kompetent Kunst kauft
Düsseldorf. Werkverzeichnis: Das Werkverzeichnis ermöglicht die Zuordnung eines Werks zum Œuvre des Künstlers. Der Idealfall ist das vom Künstler zu Lebzeiten akribisch dokumentierte Werk oder ein von ihm zumindest kontrolliertes Werkverzeichnis. Beispiele liefern Gerhard Richter, Günter Uecker und Pablo Picasso. Paul Klees Werkverzeichnis wurde erst nach seinem Tod öffentlich zugänglich gemacht. Das machte es nahezu unmöglich, einen falschen Klee in den Markt zu bringen.
Im Übrigen ist kein Werkverzeichnis sakrosankt. Es gibt diverse Beispiele, die auch Fälschungen enthalten. Auch ist die Aufnahme in ein Werkverzeichnis keine Echtheitsgarantie, denn die Entscheidung für eine Aufnahme basiert in der Regel nur auf einem stilkritischen Urteil und auf Provenienzforschungen. Infolgedessen taugen Werkverzeichnisse auch nur bei einer den Stil nachahmenden Fälschung oder einer kopierenden Fälschung. Sie sind außerdem genau wie die Expertise abhängig vom Stand der Forschung. Die bloße Bestätigung, das Werk werde ins Werkverzeichnis aufgenommen, ist nicht mehr als ein Versprechen zu werten.
Experte: Was ein Künstler zu Lebzeiten versäumt, hat später der Experte zu leisten: das künstlerische Œuvre aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Wenn diese Dokumentation – zumeist nach Jahren oder gar Jahrzehnten – vollständig ist, der Experte das Leben und Schaffen des Künstlers gleichsam durchlebt und „nachgelebt“ hat, kann im Idealfall die Gesamtheit des künstlerischen Werks nachvollzogen werden. Damit wird der Experte zum Werkverzeichnisautor. Je nach Schaffenskraft des Künstlers entsteht so ein schmaler Band oder ein mehrbändiger Katalog. Weder der Begriff Experte noch Werkverzeichnisautor ist (zumindest in Deutschland) rechtlich geschützt. Deshalb liegt es allein in der Verantwortung des Experten bzw. Werkverzeichnisautors, die Korrektheit des von ihm dargestellten Sachverhalts zu „verbürgen“. Gut beraten scheinen dabei jene Experten, die nicht allein ihrem eigenen Verstand trauen, sondern – wie z.B. Vivian Endicott Barnett mit der Societé Kandinsky – auf ein „Expertengremium“ zurückgreifen können. Auf diese Weise konnten Fehlgriffe bislang vermieden werden. Allerdings hat auch Kandinsky zumindest die Bilder eigenhändig weitgehend dokumentiert.
Expertise (Echtheitsgutachten): Eine Expertise bescheinigt die Authentizität des Kunstwerks. Sie ist das Ergebnis eingehender Recherchen und Untersuchungen am Original. Als methodengerecht gilt es, den technischen Zustand zu beurteilen, die Provenienz zu überprüfen, das Werk stilkritisch, eventuell auch naturwissenschaftlich zu untersuchen und Zweifel zu benennen. Die Aussagekraft einer Expertise hängt davon ab, wie sich der Experte seine Meinung zum fraglichen Werk gebildet hat, welche Form der Untersuchung und Nachforschung gewählt wurde und welches Handwerkszeug er genutzt hat. Die Entwicklung eines allgemeinverbindlichen Kriterienkatalogs für eine vorbildliche Expertise steht noch aus. Das Expertengremium Société Kandinsky gibt statt einer Expertise lediglich eine Stellungnahme ab, weil sie sich vor den überhand nehmenden juristischen Anfechtungen schützen will. Sie beinhaltet, dass das im Original begutachtete Werk ins Werkverzeichnis aufgenommen wird oder auch nicht. Vergleichbar gehen die Expertengremien vor, die sich um die Nachlässe und Werkverzeichnisse etwa von Franz Marc und Gabriele Münter kümmern.
Fotoexpertise: Der Begriff kann zweierlei bedeuten: 1. Die Expertise wird nur nach einem Foto der fraglichen Arbeit angefertigt, ohne das Original gesehen zu haben. Das gilt als vollkommen unseriös. Dennoch kommt es häufiger vor, dass etwa Auktionshäuser ihre Katalogangaben „auf der Basis eines Fotos“ formulieren. 2. Übliche Praxis ist es, die Expertise auf der Rückseite eines Fotos des zuvor im Original begutachteten Werks auszufertigen. Die Fotoexpertise sollte neben Künstler, Titel, Jahr, Technik, Maße und Angaben zu Signatur, Datierung und sonstigen auf dem Werk angebrachten Bezeichnungen im Idealfall jene Angaben enthalten, die auch in ein Werkverzeichnis einfließen: Werk- bzw. Expertisen-Nummer sowie eine Bestätigung, dass die Arbeit a) nach Meinung des Autors ein authentisches Werk vom betreffenden Künstler oder b) in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen wird. Alles andere ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht.
Fälschungssicherheit bei Expertisen: Leider werden auch Expertisen gefälscht. Dagegen hilft nur, sie systematisch zu nummerieren oder anderweitig zu individualisieren. Maya Widmaier-Picasso stattet ihre Fotoexpertisen mit einem Fingerabdruck von ihr aus. Auf der Kopie, die in ihrem Archiv verbleibt, notiert sie, welcher ihrer zehn Finger auf dem herausgegebenen Exemplar zu sehen ist.
Echtheitszertifikat: Das Echtheitszertifikat sollte dieselben Angaben wie die Fotoexpertise enthalten. Im etablierten Kunsthandel ist das Echtheitszertifikat jedoch nicht gebräuchlich. Der Kunstsachverständige Behrend Finke hält das „Zertifikatewesen“ für eine Fehlentwicklung. Ein seriöser Kunsthändler stellt kein Zertifikat aus, sondern eine Rechnung, in der alle zugesicherten wesentlichen Eigenschaften des verkauften Gegenstandes aufgeführt sind. (Siehe Rechnung)
Mündliche Bestätigung der Echtheit: Eine mündliche Bestätigung ist nicht einklagbar und kann deshalb nicht als verbindlich angesehen werden. Manchmal gehen Auktionshäuser so vor, um die Kosten eines Gutachtens zu vermeiden. Nach Angaben eines Experten, der anonym bleiben möchte, reicht es den meisten Kunstbesitzern und Auktionshäusern bislang aus, wenn ihnen kostenlos bestätigt wird, dass ihr Gemälde ins Werkverzeichnis aufgenommen wird. „Ich hätte vermutet, dass sich diese Praxis durch den Fall Jägers verändern würde, hat sie aber nicht.“ Das Kölner Auktionshaus Lempertz formulierte als Katalogeintrag für das später als Fälschung entlarvte Pechstein-Gemälde „Liegender Weiblicher Akt mit Katze“: „Die bisher dem Pechstein-Archiv unbekannte Arbeit wurde mündlich von Max K. Pechstein, Hamburg, bestätigt.“
Wertgutachten: Für ein Wertgutachten wird das Objekt üblicherweise fotografiert, kunsthistorisch grob eingeordnet, und es werden seine Maße dokumentiert. Der Kunstsachverständige Behrend Finke wendet ein, dass eine nur grobe Einordnung letztlich unzureichend ist. Ein Wert kann nur ermittelt werden, wenn vorher die Echtheit und der Erhaltungsgrad festgestellt wurden. Im Versicherungsfall benennt ein Wertgutachten den Versicherungswert (Wiederbeschaffungswert). Als Nachweis für die Beleihung eines Objekts bei einer Bank oder als Sicherheit benennt das Wertgutachten den Verkehrswert.
Tabellarisches Wertgutachten: Nach Sachgruppen gelistete Wertgutachten, auch Inventargutachten genannt, kommen im Erb- oder Insolvenzfall und bei der Ermittlung von Versicherungswerten zum Einsatz.
Rechnung: Sie umfasst neben Angaben zu Künstler, Titel, Jahr, Technik, Maßen und den Angaben zu Signatur, Datierung sowie sonstigen Bezeichnungen und Nummerierungen (bei Auflagenobjekten) auch stets Angaben zu einem Werkverzeichniseintrag und Angaben zur Provenienz des Werkes (soweit vorhanden). Händler und Auktionshäuser sollten vor Verkauf des Werkes alle vertretbaren Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass das von ihnen verkaufte Werk frei von Rechten und Ansprüchen Dritter ist, also weder gestohlen, unterschlagen oder zu Unrecht besessen wurde. (Stichwort: Art Loss Register)
Haftung: Die Regeln des allgemeinen Kaufrechts sehen vor, dass ein Käufer den Erwerb eines nachträglich als Fälschung erkannten Werks rückgängig machen kann. Der Kaufvertrag wird wegen erheblichen Mangels aufgehoben und der Kaufpreis erstattet.

Yasmin Mahmoudis und Kerstin Verena Langes Handbuch „Rechtssicherheit im Kunstmarkt“ zufolge verjähren sämtliche Haftungsansprüche nach zwei Jahren. Verschwieg der Verkäufer den Mangel, verjähren Haftungsansprüche nach drei Jahren. Im Einzelfall kann ein Haftungsausschluss vereinbart werden. Der Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e.V. (BDKA) verpflichtet seine Mitglieder, auf die Verjährungsfrist zu verzichten.
Auktionshäuser, die eine Fälschung versteigert haben, berufen sich auf die Versteigerungsbedingungen. Demnach übernehmen sie keine Haftung für Mängel. Begründete Mängelrügen, die innerhalb einer sechsmonatigen Verjährungsfrist vorgetragen werden, macht das Auktionshaus gegenüber dem Einlieferer geltend. Der Auktionator seinerseits ist zur sorgfältigen Überprüfung der eingelieferten Objekte verpflichtet. Er haftet, wenn er seine Sorgfaltspflicht verletzt. Gerhard Pfennig gibt in seinem Buch „Kunst, Markt und Recht“ die Empfehlung, Auktionshäuser und Kunsthändler zu meiden, die in ihren Geschäftsbedingungen eine Haftung für die Veräußerung von Fälschungen bzw. eine Rücknahme von nachweislich gefälschten Auktionsgegenständen ablehnen.
Ein Experte, der mit seiner Expertise die Authentizität eines Werks bescheinigt, formuliert in der Regel nur seine „Meinung“ oder „Ansicht“ über das begutachtete Werk. So haftet er nicht, sollte sich später herausstellen, dass seine Expertise nicht zutrifft. Anders liegt der Fall, wenn er sein Gutachten mit Täuschungsabsicht anfertigte. Ausschließen lässt sich die Haftung nur bei leichter Fahrlässigkeit. In der Praxis lässt sich die Grenze zur groben Fahrlässigkeit schwer ziehen. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger muss beweisen, dass er ordnungsgemäß gearbeitet hat.





