Gutachten zur Documenta 15: Experten plädieren für ein Recht, einzugreifen

Blick auf nicht beanstandete farbige Pappfiguren auf der Documenta fifteen in Kassel.
Düsseldorf. Diese Woche hat ein Gremium unter der Leitung der Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff seinen Bericht über die Documenta fifteen vorgelegt. Sieben internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bei vier Werken antisemitische visuelle Codes ausgemacht. Unter ihnen findet sich das Banner „People‘s Justice“ von Taring Padi und eine Zeichnung aus den Archives des Luttes des Femmes en Algérie.
Der 133 Seiten starke Abschlussbericht stellt eindeutig die Freiheit der Kunst heraus. Ihr Schutz „umfasst die gesamte künstlerische Arbeit, also die kuratorische Konzeption, die Programmgestaltung, die Einladungspolitik, in die einzugreifen grundsätzlich niemand berechtigt ist“. Die Grenzen der Kunstfreiheit sind aber dann erreicht, wenn „eine Äußerung den Verlust anderer Rechtsgüter bewirkt, wie es beispielsweise im Fall einer beleidigenden Herabwürdigung der Fall ist“.
Dass das Leitungskollektiv Ruangrupa diese Grenzen nicht erkannte und die Geschäftsführerin sie nicht vermittelte, habe die „Organisation im Ganzen beschädigt“.
Damit die Documenta gGmbH zukünftig nicht mehr in einen Skandal wie in 2022 gerät, empfiehlt das Gremium strukturelle Veränderungen: Dazu zählen Interventionsrechte für die Geschäftsführung bei grobem Fehlverhalten und eine Ombudsstelle zur Konfliktbearbeitung.
Künftig müssen „die Grenzen kuratorischer Verantwortlichkeit vertraglich besser geklärt werden“. Kollektive sollen einen Ansprechpartner benennen. „Wann immer politisch sensible Aspekte gezeigt werden, die ohne Einordnung Anlass zu Missverständnissen bieten“, plädiert das Gremium für eine Kontextualisierung von Exponaten und ein internes Review-System.
Abschließend fordert der Bericht, jüdische Perspektiven ernst zu nehmen und die Sensibilität für Antisemitismus in allen deutschen Institutionen zu steigern.
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