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HalbjahresbilanzFranzösische Auktionshäuser profitieren vom Brexit

Der Umsatz steigt bei den meisten französischen Versteigerern sanft an, bei Christie’s sogar stark. Internationale Sammler lieben es, in Frankreichs Hauptstadt einzukaufen.Aurélie Tanaqui 25.07.2024 - 17:23 Uhr
Jean-Simon Chardins „Melon entamé“ wurde mit 27 Millionen Euro zum teuersten je in Paris versteigerten Altmeister-Gemälde. Foto: Christie's Images Ltd.

Paris. So fragil das wirtschaftliche Umfeld ist, so ausgeprägt die politische Instabilität, so überraschend sind in diesem Kontext die Halbjahresergebnisse der Auktionshäuser in Paris. Der Kunstmarkt ist dank internationaler Käufer einer der wenigen Wirtschaftssektoren, die von den Krisen nicht oder nur leicht betroffen sind.

Auch wenn der französische Versteigerungsrat die absoluten Zahlen erst im September bekannt gibt, sagt Arnaud Dubois, Mitbegründer von Matis, einer jungen Kunstinvestmentgesellschaft: „In Krisenzeiten ist der französische Kunstmarkt besonders widerstandsfähig.“ Paris profitiert vom Brexit. Die Verkäufe von Kunst aus Afrika und Ozeanien, Design, Fotografie, Zeichnungen Alter Meister und Luxusobjekten konzentrieren sich nun auf Paris und New York. Auch die angewandten Künste werden hier noch geschätzt. Sitzen doch die großen Inneneinrichter seit jeher in Paris.

Christie’s verzeichnet, wie berichtet, weltweit einen Umsatz von 2,1 Milliarden Dollar gegenüber 2,7 Milliarden Dollar in der ersten Hälfte des Jahres 2023. Doch 38 Prozent Umsatz entfallen auf Europa und den Nahen Osten. Neun der zehn höchsten Zuschläge in Frankreich gehen auf das Konto von Christie’s. Mit 203 Millionen Euro Umsatz liegt Christie’s in Paris auf Platz eins der Einzelgesellschaften. Das ist entschieden besser als im Vorjahreszeitraum, wo 114 Millionen Euro gemeldet wurden.

Bereits vor zwei Jahren war Jean-Siméon Chardins „Korb mit Walderdbeeren“ beim Mitbewerber Artcurial für den damaligen Weltrekordpreis von 24,3 Millionen Euro versteigert worden. 2022 machte der Louvre von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch. So überraschte es nicht, dass Christie’s jetzt für Chardins Melonenstillleben aus Rothschild-Besitz einen neuen Rekord aufstellen konnte. „Le melon entamé“ kaufte ein europäischer Privatmann für 27 Millionen Euro. Es ist das teuerste je in Paris versteigerte Altmeister-Gemälde.

„Ich bin stolz darauf, dass es ein Werk von Chardin war, das in diesem Jahr an der Spitze stand. Wenn man ein qualitativ hochwertiges Stück hat, egal aus welchem Bereich, verkauft es sich gut. Ein hochwertiges altes Gemälde kann sogar einen höheren Preis erzielen als ein zeitgenössisches“, erklärt Cécile Verdier, Generaldirektorin von Christie’s Frankreich. Paris sei der Ort, an dem man oft Gegenstände mit bedeutender Geschichte wiederentdeckt. „Den Chardin in Paris zu verkaufen bedeutete auch, eine Geschichte zu verkaufen. In Paris zu kaufen ist nicht dasselbe wie in London oder New York. Es hat eine andere Farbe, einen besonderen Geschmack.“

Rembrandt Bugattis Skulptur „Trois panthères marchant“ erzielte mit 3,6 Millionen Euro bei Bonhams einen Auktionsweltrekord. Foto: Bonhams

Hohe Ergebnisse erzielte Christie’s auch mit den Sammlungen Crémieux, Renault und Barbier-Mueller. Die Genfer Kollektion mit Top-Kunstwerken aus Stammesgesellschaften war mit einem Gesamtwert von 73 Millionen Euro die umsatzstärkste Sammlung, nicht nur in Frankreich, sondern weltweit im ersten Halbjahr.

Ein afrikanischer Fang-Kopf ließ sich für 14,8 Millionen Euro verkaufen – auch das ein Weltrekord für eine derartige Skulptur. Andere millionenschwere Zuschläge waren ein Affe von Lalanne und Werke von Dubuffet.

Konkurrent Sotheby’s versteigerte in der ersten Jahreshälfte sieben bedeutende Sammlungen. Der Umsatz beträgt 133 Millionen Euro, etwas weniger als die 153 Millionen Euro im Vorjahr. Aus Privatverkäufen kommen nochmals 39 Millionen Euro dazu. Der Anteil der Neukunden betrug 20,6 Prozent.

Artcurial liegt mit einem Umsatz von 121 Millionen Euro auf Platz drei. Gefolgt von Bonhams. Das englische Auktionshaus verzeichnete 74 Millionen Euro mit 53 Versteigerungen, die sich auf Paris, Brüssel und Monaco verteilten. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr fünf Millionenauktionen. So erzielte die Sammlung Speelman in Paris mit nur 28 Losen 15,2 Millionen Euro, darunter eine „Vajradhara“-Statuette des 14. Jahrhunderts für 4,1 Millionen Euro. Eine Tierskulptur aus Bronze von Rembrandt Bugatti, „Trois panthères marchant“, wurde für 3,6 Millionen Euro weitergereicht – ein Auktionsweltrekord.Mit dem Themenschwerpunkt „Les 100 ans du Surréalisme“ nahm Bonhams fast eine Million Euro ein.

Das Hôtel Drouot mit seinen 110 unabhängigen Auktionatoren und die Plattform drouot.com präsentierten im ersten Halbjahr 2024 nicht weniger als 1,7 Millionen Lose. In diesem Zeitraum verbuchte Drouot eine Gewinnsteigerung von 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zwölf Auktionen lagen über 500.000 Euro Umsatz.

Zur Bilanzsumme von 353 Millionen Euro trugen 73 Auktionatoren bei – rein numerisch die Topposition im Ranking. Die siebte Ausgabe des „Asiatischen Frühlings“ spielte in einer Woche 11,6 Millionen Euro ein. Die zwei Werke, die im Drouot die Millionengrenze überschritten, sind ein Ölgemälde von Kazuo Shiraga für 1.170.000 Euro und das Sofa „Boule“ mit dem Spitznamen „Eisbär“ von Jean Royère. Für das gekurvte Sitzmöbel bot ein amerikanischer Privatmann 1.012.500 Euro.

53 Mal machten französische Museen, darunter fünf Mal der Louvre, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Das Auktionshaus Piasa gibt einen Zuwachs von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr zu Protokoll. Bei einem Gesamtumsatz von 37 Millionen Euro entfallen allein 18.800.000 Euro auf den Bereich Design. In diesem Sammelgebiet ist Piasa eindeutig Marktführer. 15.400.000 Euro erlösten Werke der modernen und zeitgenössischen Kunst. Dazu trugen zwei Privatsammlungen wesentlich bei: „Pablo Picasso und seine Freunde“ und „Geneviève und Jean-Paul Kahn“.

Das Haus Ader weist eine Bilanz von 26 Millionen Euro für rund hundert Verkäufe aus. „Das zweite Halbjahr kündigt einige schöne Überraschungen an, darunter ein Gemälde von Poussin und andere Sammlungen“, sagt Auktionator David Nordmann auf Anfrage des Handelsblatts.

Die einzige wirkliche Krise ist das völlige Verschwinden der russischen Käufer
Alexandre Giquello
Auktionator Hôtel Drouot

Für Marktbeobachter ist eine steigende oder fallende Halbjahresbilanz nicht unbedingt aussagekräftig. Manchmal ergibt es sich aus strategischen Gründen, wichtige Werke für die zweite Jahreshälfte zurückzuhalten.

Das Versteigerungshaus Tajan weist eine Bilanz von 14,5 Millionen Euro aus. Aguttes gibt seine Geschäftszahlen erst im September bekannt. „In Frankreich haben wir das Glück, dass es noch sehr viele Objekte aus bedeutenden Sammlungen gibt, namentlich auch aus französischem Adelsbesitz“, sagt Alexandre Giquello, leitender Auktionator im Hôtel Drouot.

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„Die einzige wirkliche Krise, die auf makroökonomischer Ebene zu spüren ist“, beobachtet der Insider Giquello, „ist das völlige Verschwinden der russischen Käufer, das sich seit 2010 abzeichnete, und das Verschwinden der reichen chinesischen Sammler. Sie sind durch strenge Devisenkontrollen stark eingeschränkt. Das hat internationale Auswirkungen, nicht nur in Frankreich.“

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