Hongkong und London Christie's Auktionen: Weltweite Gebote am laufenden Band

Das Gemälde wurde mit 30,2 Millionen Pfund das teuerste westlich Werk, das je in Asien versteigert wurde (Ausschnitt).
London Die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie haben die Auktionslandschaft wohl für immer verändert. Versteigerungen sind mittlerweile so eng mit Videoübertragungen und Online-Geboten vernetzt, dass man sich am Computerbildschirm fragt, ob man sich eine Reality-Show ansieht oder wirklich an einer Kunstauktion teilnimmt. Die Digitalisierung des Geschäfts, in dem der Austragungsort der Auktion immer weniger wichtig ist, bedient allerdings erfolgreich einen globalen Käufermarkt.
Davon konnte zum Auftakt der Frühjahrsauktionen in London Christie’s profitieren. Das Haus bot über mehrere Auktionen hinweg Kunst des 20. Jahrhunderts an und erzielte dabei an einem Tag mit gleich drei Auktionen an zwei Orten ein Gesamtergebnis von 199 Millionen Pfund bei 93 Prozent verkaufter Lose.
Jean-Michel Basquiats Bildnis eines Kriegers von 1982 wurde in Hongkong eine eigene Auktion gewidmet. Der dem Markt vertraute „Warrior“ erzielte innerhalb der Schätzung 30,2 Millionen Pfund brutto. Bei weitem kein ungewöhnlicher Preis für Basquiat. Doch damit wurde das Bild zur teuersten Arbeit aus dem Westen, die je in Asien verkauft wurde, wie Christie’s in der Pressekonferenz betonte.
Die sich direkt daran in London anschließende Abendauktionen mit Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zogen sich bei konstantem Interesse für die verbleibenden 81 angebotenen Lose über fast vier Stunden hin. Gebote kamen telefonisch und online aus der ganzen Welt, und die den Abend beschließende Auktion mit Surrealisten konnte sogar ihr zweitbestes Ergebnis in diesem Marktsegment verzeichnen.
Der positive Saisonauftakt wurde von dem italienischen Berater Mattia Pozzoni begrüßt: „Was für eine ungewöhnliche Mischung von Künstlern. Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Auktion sehen würde, wo Arbeiten von Joy Labinjo und Pierre-August Renoir nebeneinander angeboten werden – was für eine Energie!“
Pozzoni spielt auf die junge Londonerin an, deren Arbeit „No Wahala“ die Schätzung von 30.000 bis 40.000 Pfund vervierfachte und 150.000 Pfund erzielte, ein Auktionsweltrekord. Das erst 2019 entstandene Bild bestätigt mit weiteren Auktionsdebuts das anhaltende, spekulative Interesse an Arbeiten junger Künstler und Künstlerinnen mit afrikanischen Wurzeln.
Was Labinjos Porträts mit einer Frauenansicht von Renoir von 1890 verbindet, ist das mittlerweile globale Interesse an der menschlichen Figur als Bildmotiv. Renoir verdoppelte seine Taxe auf 1,8 Millionen Pfund. Und es überrascht nicht, dass die Bilder zweier Musen von Pablo Picasso auf reges Interesse stießen, wie immer sowohl in Amerika als auch in Asien. „Femme nue couchée au collier (Marie-Thérèse)“, spielte 14,6 Millionen Pfund ein, „Femme assise dans un fauteuil noir (Jacqueline)“, brachte 10 Millionen.
Stark war auch das Interesse an einem der letzten Selbstporträts von Basquiat von 1988. Das auf 3,5 bis 5,5 Millionen Pfund geschätzte Bildnis erzielte 9 Millionen Pfund. „Ich erinnere mich so gut an das Bild, da es Teil der letzten Ausstellung war, die ich mit Arbeiten von Basquiat zu seinen Lebzeiten organisierte. Die Arbeit wurde an einen deutschen Sammler verkauft, wo sie bis jetzt war,“ sagt der Galerist Thaddaeus Ropac dem Handelsblatt.

Die Holzskulptur au der Sammlung der Deutschen Bank erwarb ein europäisches Museum.
Zum teuersten Los der Auktion wurde nach 14 Minuten Bieterwettstreit das dem englischen „National Health Service“ gewidmete Bild von Banksy „Game Changer“, das dieser letztes Jahr einem Krankenhaus stiftete: Sein Erlös von 16,8 Millionen Pfund kommt karitativen Zwecken zugute.
Von der drei Einlieferungen aus der Sammlung der Deutschen Bank schlug sich Barlachs unikate Holzskulptur „Schwangere“ am besten. Sie kam über den Schätzpreis auf 622.500 Pfund. Feinigers prismatische Stadtansicht „Kirche über Stadt“ von 1927, 1977 bei Achim Moeller erworben, verkaufte sich bei geringer Nachfrage schon für 1,5 Millionen Pfund in der Mitte der Schätzwerte. Oskar Kokoschkas „Exodus“ erlöste nur 437.500 Euro.
Das Interesse an Figuration schließt manchmal auch Landschaften ein; davon konnten wiederum die Surrealisten profitieren. Unter dem hochqualitativen Angebot vor allem von Bildern von René Magritte, Joan Miró und Max Ernst, konnten sich auch weitere Arbeiten deutscher Künstler profilieren.
Hannah Höchs seltenes Motiv „Der Berg“ von 1939 wurde auf 150.000 bis 250.000 Pfund geschätzt, doch der Endpreis betrug 500.000 Pfund. Die bewegende Mappe mit Radierungen von Otto Dix „Der Krieg“ hatte bereits vor einer Woche einen Weltrekord für eine Grafikmappe des Künstlers erzielt. Bei einer Schätzung von 200.000 bis 300.000 Pfund erbrachten die 50 Blätter 353.000 Pfund.
Ähnlich erfolgreich verkaufte sich am Tag darauf in der Tagesauktion ein Konvolut von 15 Werken aus den 1920er-Jahren, die aus einer diskreten Hamburger Privatsammlung stammen. Bilder von Künstlern wie Otto Freundlich, Conrad Felixmüller, Otto Dix, Walter Dexel und auch Hannah Höch kamen seit mehr als 50 Jahren zum ersten Mal auf den Markt.
Hoch begehrte Manifeste der Avantgarde
Die Raritäten waren hochbegehrt und brachten anstatt der erwarteten 1,4 Millionen Pfund zusammen 2,4 Millionen Pfund ein. Allesamt mit exquisiten Ausstellungsgeschichten versehen, fanden diese Manifeste deutscher Avantgarde 100 Jahre nach ihrem Entstehen Interesse aus Amerika, Asien, aber auch Europa und natürlich aus Deutschland, wie Christie’s Experte Keith Gill betont.
Felixmüllers markantes „Selbstbild (Kopf)“ von 1922 vervierfachte seine untere Taxe auf über 700.000 Pfund. Aktiv dabei ein Kunde der japanischen Kundenberaterin des Hauses Sumiko Roberts. Eine Collage von Kurt Schwitters von 1920, „Mz 170. Leere im Raum“, geschätzt auf 70.000 bis 100.000 Pfund, erhielt erst bei 350.000 Pfund den Zuschlag. Diese Sammlung ist ein Zeugnis dafür, dass sich intensives Sammeln aus Leidenschaft für die Kunst auch im globalen, von Medien popularisierten Markt weiterhin behaupten kann.
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