India Art Fair Indische Sammler zeigen sich offen für internationale Kunst

Die Eisenskulptur "Martin" sieht aus wie eine überdimensionale, verblühte Blüte. Sie ist dreieinhalb Meter lang.
New Delhi Wer sich in Indien nicht gut auskennt, dem schwirrten beim Schlendern über die weiten Korridore der am Sonntag beendeten “12. India Art Fair“ in Delhi die Augen. Nicht nur wegen der Vielfalt der ausgestellten Kunst, sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Orte, aus denen die vor allem indischen Aussteller kommen. Neben Galerien aus Delhi und Mumbai gibt es Galerien aus Kalkutta, Ahmedabad, Chennai, Gurugram, Vadodara, oder Aligaug.
Wenn man bedenkt, dass Indien mit circa 1,3 Milliarden Einwohnern nur wenig kleiner ist als China, dann bekommt auf einmal die Idee einer regionalen Kunstmesse eine ganz andere Bedeutung. Peter Nagy von der international etablierten Galerie Nature Morte begrüßt, dass so viele Galerien aus den Provinzen auf der Messe in Delhi ausstellen. Sie leisten vor Ort Bildungsarbeit, sind aber nur selten in Delhi präsent.
Messedirektorin Jagdip Jagpal beschreibt die Messe mit Stolz als regional. Das ist aus Besuchersicht eine zu begrüßende Abkehr von dem dominierenden Anspruch, immer alles international und damit oftmals gleichförmig auszurichten. Die britisch-indische Kuratorin leitet seit zwei Jahren die Messe. Diesmal hat sie die Kunst Südasiens in den Blick genommen. Mindestens 70 Prozent der Aussteller müssen aus Südasien stammen.
Vermittlung liegt ihr am Herzen. Es gibt Programme mit lokalen Schulen. Eine Tageskarte kostet umgerechnet 9 Euro für Erwachsene und 6 Euro für Studenten. Der Erfolg zeigt sich, als Schüler, Studenten und Familien die Messe besuchen und interessierter Trubel auf den Ständen herrscht. Die Galeristen scheint das wenig zu stören. Sie wissen, wie wichtig Kunsterziehung in diesem Land ist und übernehmen selbst oftmals die Rolle von Institutionen, die es von staatlicher Seite nicht gibt.
Die Messe zeigt über 80 Aussteller mit moderner und zeitgenössischer Kunst, die weit über das hinausgeht, was man in Europa an indischer Kunst kennt. Die meisten Kunstwerke sind zweidimensional. Nur wenig Skulptur und fast keine Installationen oder Videokunst ist zu sehen. Gleichwohl ist die Qualität der Arbeiten durchweg hoch, und das nicht nur bei den Galerien, die man von dem internationalen Messezirkus kennt.

Betrachtungen auf dem Stand der Rukshaan Art Gallery
Die Akar Prakar Galerie, mit Filialen in Mumbai und Delhi, hat sowohl moderne wie zeitgenössische Kunst im Angebot. Sie besteht seit 15 Jahren und wurde von Sammlern gegründet. Auf der Messe wie in der Galerie zeigt sie Arbeiten von Ganesh Haloi.
Der 84-jährige Künstler ist in Europa vor allem seit seiner Teilnahme an der Documenta 14 bekannt. Neuere Papierarbeiten kosten zwischen 15.000 und 25.000 US-Dollar. Auch Jayashree Chakravarty, eine Künstlerin aus Kalkutta, hat hier einen Auftritt. Ihre Papierarbeiten und Installationen rücken die fragile Beziehung zwischen Natur und Mensch ins Bild, ein Thema, das auf der Messe viele Künstler beschäftigt. Großformatige Papierarbeit liegen bei umgerechnet 12.000 Euro.
Auf niedrigerem Preisniveau versucht Shrine Empire aus Delhi seit einigen Jahren junge experimentelle Kunst dem lokalen Publikum zu vermitteln. Die Galerie ist eine der wenigen, die auch Filmarbeiten und Objekte ausstellt zu moderaten Preisen zwischen 1.500 und 10.000 US-Dollar. Auf dem Stand überzeugt vor allem die Installation von übermalten Buchrücken der in New York lebenden Samanta Batra Mehta.
Sammler sind genügend da
An international bekannteren Galerien aus Indien präsentieren auch Chatterjee & Lal, Experimenter, Chemould Prescott Road, Gallery Ske, Vadhera und Jhaveri Contemporary ihr Programm. Die ausgestellten Künstler beschäftigen sich oft auch mit politischen Themen. Viele Arbeiten hinterfragen Grenzziehungen, ein Thema, das auch schon lange auf internationalen Biennalen sichtbar ist.
Experimenter zeigt auf dem Stand Arbeiten, die die Beziehung des Menschen zum bebauten Kontext hinterfragen. Arbeiten des jungen Prabhakar Pachpute, der aus einer Familie von Bergbauern stammt, reflektiert in Zeichnungen und Bildern mit Kohle auf Holz die Arbeitsbedingungen der Werkleute. Hier liegen die Preise allerdings oftmals höher und der Sammlerzirkel für diese auf internationalem Niveau agierenden Galerien ist sicherlich kleiner. Dennoch ist es ein wichtiges Signal, dass diese Galerien ihre Heimatmesse wieder unterstützen.

Der Maler gehört zu den in Indien angesagten Künstlern. Sein gerade erst entstandenes Ölgemälde "Dancing Girl" bietet die Galerie Mirchandani + Steinrücke an.
Dass es genügend Sammlerpotential gibt, zeigt auch die Teilnahme von zwei internationalen Galerien. David Zwirner ließ den Maler und Zeichner Marcel Dzama eine Installation auf dem Stand anfertigen. Die Berliner Galerie Neugerriemschneider präsentierte Elizabeth Peyton, Olafur Eliasson und Ai Weiwei.
Burkhard Riemschneider betont das langfristige Interesse, das sie am indischen Markt haben, und die guten Erfahrungen im letzten Jahr. Mit ihrem Stand wollen sie keine Kompromisse eingehen. Er will sich das Vertrauen der Inder erarbeiten. „Die Qualität soll so sein, dass wir den Stand auf jeder Messe, auch in Miami oder Basel, zeigen könnten.“ Den Galeristen ist es wichtig, Künstler zu zeigen, die die Besucher kennen, aber eventuell noch nicht im Original gesehen haben. Über Verkäufe schweigt er sich aus.
Stabiles politisches Klima
Die zweite Galerie PSM aus Berlin zeigt sich da viel offener zufrieden. Sie verkaufte Arbeiten von den beiden präsentierten Künstlern, Daniel Lergon und Nathan Peter. Die Offenheit und das Interesse der Inder überraschten die Galerie, die zum ersten Mal hier ausstellte. Der indische Markt ist also durchaus auch empfänglich für internationale Kunst. Im Augenblick ist das politische Klima stabil. Das könnte in dem Maß, in dem Hongkong wegen seiner Konflikte mit Mainlandchina und wegen des Coronavirus an Attraktion einbüßt, mehr Galerien und Sammler aus dem Ausland anziehen.
Wer gerne mehr indische Kunst sehen möchte, kann dies ab Juni in St. Petersburg tun. Die Tretjakow-Galerie zeigt in Zusammenarbeit mit dem privaten Kiran Nadar Museum of Art in Delhi über 60 Werke indischer Künstler mit vielen weiteren Veranstaltungen in der Stadt.
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