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Interview Uffizien-Direktor Eike Schmidt: „Die Aura wächst durch die Digitalisierung“

Mit dem Handelsblatt spricht der Leiter der Uffizien über den Hype um in der Blockchain zertifizierte Bilddateien (NFT) und die Chancen der Virtualisierung für Museen.
28.10.2021 - 13:42 Uhr Kommentieren
„Je präsenter ein Werk im Digitalen ist, desto stärker ist die Nachfrage nach dem physischen Original.“ Quelle: Uffizien
Eike Schmidt, Leiter der Uffizien in Florenz

„Je präsenter ein Werk im Digitalen ist, desto stärker ist die Nachfrage nach dem physischen Original.“

(Foto: Uffizien)

Berlin In seiner Wahlheimat Florenz gilt er als „Direttore Pop“, in der Museumsszene genießt er mitunter den Ruf eines „Enfant terrible“. Seit 2015 leitet der gebürtige Freiburger Eike Schmidt (53) die Uffizien in Florenz, eines der berühmtesten Museen der Welt. Das wird in normalen Jahren von über vier Millionen Menschen besucht, die allermeisten von ihnen Touristen. Mit einer Social Media-Initiative unter anderem bei Instagram und der bei Jugendlichen besonders beliebten Video-Plattform TikTok gelang es Schmidt jedoch, das Museum auch für junge Menschen attraktiv zu machen. Den aufsehenerregendsten Coup landete er in diesem Frühjahr, als die Uffizien ein NFT (Non Fungible Token) von Michelangelos Rundbild der Heiligen Familie, dem sogenannten „Doni-Tondo“, anfertigen ließen und für 140.000 Euro verkauften.

Sind teure JPGs ein nachhaltiges Geschäftsmodell?
Eike Schmidt: Es kommt darauf an, für wen. Wenn wir an Reproduktionen und sekundäre Bildrechte denken, dann bedingt. Wenn wir an künstlerische Werke denken, die eigens für das Digitale geschaffen sind, bieten natürlich die Limitierung und die Authentifizierung durch die Blockchain Möglichkeiten, diese endlich sammelbar, handelbar und auch verleihbar zu machen. Daraus sind schon jetzt nachhaltige Geschäftsmodelle entstanden, was einzelne Künstler und Galerien angeht.

Argumentieren Sie jetzt nicht gerade gegen das Doni-Tondo von Michelangelo, zu dem die Uffizien gerade ein NFT in einer 9er-Auflage zum Preis von jeweils 140.000 Euro aufgelegt haben?
Nein, weil ich glaube, dass wir hier eine Einnahmequelle haben, die eine zusätzliche Nische versorgt. So wenig wie kein Museum sich je aus dem Verkauf von Postkarten oder Gipsabgüssen finanzieren konnte, so ist es genauso unmöglich, sich heute digitale Reproduktionen als eine der Haupteinkunftsquellen vorzustellen. Das ist ein Spezialsegment, das seine Kunden und Interessenten hat. Aber da es sich um etwas Reproduktives handelt und nicht um etwas neu Kreiertes, gibt es immer die Billig-Varianten für diejenigen, die eigentlich nur das Abbild haben wollen und nicht irgendwelche damit verbundenen Rechte oder eben Exklusivität.

In diesem Frühjahr ließen die Uffizien ein NFT (Non Fungible Token) von Michelangelos Rundbild der Heiligen Familie, dem sogenannten „Doni-Tondo“ (li.), anfertigen und für 140.000 Euro verkaufen. Quelle: Uffizien
Michelangelo- und Raffael-Saal

In diesem Frühjahr ließen die Uffizien ein NFT (Non Fungible Token) von Michelangelos Rundbild der Heiligen Familie, dem sogenannten „Doni-Tondo“ (li.), anfertigen und für 140.000 Euro verkaufen.

(Foto: Uffizien)

Was halten Sie von Modellen, bei denen Blockchain-basierte Minderheitenanteile an physischen Kunstwerken auch aus Museen verkauft werden und dann mit partizipatorischen Elementen verbunden werden können? Beispiele wären ein Dinner unter dem Bild oder spezielle Führungen oder Mitbestimmung über Ausstellungen. Ist das eine Option für Sie?
Ja, ich halte das schon für eine interessante Möglichkeit, aber da kommt es wirklich – wie immer in solchen Fällen –darauf an, wer die originellste Idee hat, und wer sie zuerst hat. Hier muss ja alles, vor allem die partizipatorischen Rechte, noch definiert werden. Zum Vergleich: Wenn man Aktien hält, dann hat man eben einen Stimmanteil und dann braucht man schon besonders viele Aktien, um ein wirkliches Mitspracherecht zu haben. Ansonsten ist das Stimmrecht ja völlig überflüssig; die meisten Aktionäre haben überhaupt nichts davon. Genauso verhält es sich mit der digitalen Reproduktion eines Bildes. Wenn sie hundert Leuten gehört, könnten bestimmte Rechte, die mit der Nutzung des physischen Originalwerks zu tun haben, durchaus damit verbunden werden. Wenn es aber 4000 oder 400.000 Menschen gehört, wäre es undenkbar, all diese Eigentümer etwa zu einem Dinner vor dem Originalbild zusammenzubringen.

Das wäre überhaupt nicht praktikabel.
Ich meine, dass solche Modelle weitgehend symbolischen Wert haben und etwa im Bereich der Freundes- und Förderkreise von Museen durchaus auch konkrete Anwendungen finden können. Vor allem muss man aber einen originellen Nutzungsvorschlag haben, denn das ist ja frei definierbar und alles ist im Prinzip mit allem kombinierbar. Es ist eine Frage des Marketings. Aber es ist eben auch denkbar, dass man außer seinem Anteil überhaupt keine weiterreichenden Rechte bekommt, außer dem Recht, seinen eigenen Anteil zu verkaufen, zu vererben, und vielleicht auch Optionen, darauf zu handeln.

Ist es erstrebenswert mithilfe digitaler Präsentation – in welcher Form auch immer – touristisch überrannte Städte wie Florenz oder Venedig zu entlasten?
Das funktioniert überhaupt nicht. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass genau das Umgekehrte passiert. In den ganz seltenen Fällen, in denen eine rein digitale Ausstellung Geld einspielt und Publikum anzieht, entsteht immer der Wunsch, die Originale zu sehen. Das gleiche gilt für das Web und die sozialen Medien. Es ist schon jetzt abzusehen, dass das Metaverse die Sehnsucht nach dem Original noch einmal deutlich weiter verstärken wird. Je präsenter ein Werk im Digitalen ist, desto stärker ist die Nachfrage nach dem physischen Original. Was Walter Benjamin – auf die Fotografie bezogen – annahm, hat sich nur zum Teil bewahrheitet. Die Aura eines digital reproduzierten Kunstwerks schrumpft nicht etwa, sie verfliegt schon gar nicht voll und ganz: Die Aura wächst durch die Digitalisierung. Benjamin hatte aber insofern vollkommen Recht, dass dadurch eine Demokratisierung stattfindet. Also je mehr Bildkopien wir haben, je weniger orts- und zeitgebunden sie sind, umso leichter sind sie für jeden in irgendeiner Weise zugänglich. Das führt in der Tat zu einer Demokratisierung. Es führt aber nicht zu einer De-Auratisierung.

Sind auch in den offiziellen Ausstellungen NFTs denkbar oder geplant, also auch im Dialog mit dem Bestand?
Klar, wobei wir uns allerdings bewusst sein müssen, dass dann, wenn das Original ein Algorithmus ist, in einer Ausstellung immer nur eine eher partielle Visualisierung des Werkes angeboten werden kann. Das ist ebenso unbefriedigend wie die erstaunlich primitiven Plattformen, die heute den Handel mit Digitalkunst noch dominieren. Vor allem, wenn wir an Gegenüberstellungen von genuin digitalen Kunstwerken mit historischen, also eigentlich physischen Werken, Räumen und Sammlungen denken, gehe ich jede Wette ein, dass sich schon sehr bald die weitaus interessanteren Dialoge nicht in Museen oder Galerien, sondern im Metaverse abspielen werden.

Herr Schmidt, Danke für das Gespräch.

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