Kinostar im Portrait Mythos Romy Schneider – Der Star und der Haifisch

Die Schauspieler Marie Bäumer und Charly Hübner verkörpern im Film Romy Schneider und den Fotografen Robert Lebeck.
München In diesen Tagen arbeitet Deutschland seine jüngere Geschichte anhand zweier Frauenschicksale auf. Beide sind, auf ihre Art, Ikonen gewesen, zwei bürgerliche Unbürgerliche, die in der Wirtschaftswunderrepublik Dissidenten waren. Die eine, Ulrike Meinhof, verirrte sich im politischen Kampf, wurde zur Terroristin und Mörderin. Die andere, Romy Schneider, scheiterte sehr öffentlich an den Widersprüchen ihres Egos, an ihren Selbstzweifeln und Zwängen.
Im Fall Meinhof sind es die Jubiläumsfeuilletonarbeiten zum 50. der 1968er Bewegung, die noch einmal alles gegenwärtig machen, vorneweg eine biografische Mutter-Kind-Arbeit ihrer Tochter Bettina Röhl („Die RAF hat Euch alle lieb“). Bei Romy Schneider ist es ein Film, der den größten Filmstar des Landes zurück in die Diskussion bringt, und mit ihr eine Ergründung von Sein und Schein in der modernen Mediengesellschaft, von News und Fake News, wofür hier Regisseurin Emily Atef sorgt.
Ihr Schwarz-Weiß-Werk „3 Tage in Quiberon“ geht mit gleich zehn Nominierungen in die Verleihung des Deutschen Filmpreises Ende des Monats, „Romy“ ist wieder ein deutsches Gesamtereignis, ein Mythos 36 Jahre nach ihrem Tod. Und das alles wegen der Rekonstruktion eines Interviews mit der Zeitschrift „Stern“ 1981 in einem Kurhotel an der bretonischen Atlantikküste, in dem die alkohol- und tablettensüchtige Schauspielerin wieder „nüchtern“ werden will, wie sie sagt. Es war das letzte Interview ihres Lebens.
Es ist auch die Geschichte des Journalisten Michael Jürgs, 72, der damals die Fragen stellte, und der nun anlässlich den Films selbst in vielen Interviews Auskunft gibt. Über die drei Tage damals, und über die zerrissene Persönlichkeit der Romy Schneider, die 20 Jahre von der Presse gejagt worden war, weil sie nicht mehr „Sisi“ sein wollte, lieber in Frankreich anspruchsvolle Filme machte. Einen Vertrauten namens Alain Delon hatte und ihre Freiheit suchte. Jürgs erzählt an diesem Romy-Schneider-Montagabend in einem Hamburger Kino, wie es damals wirklich war, wie ihr Anwalt Heinrich Senfft, der auch den „Stern“ vertrat, das Gespräch arrangierte, weil sie all die hässlichen Gerüchte um sie und ihre Süchte und ihre Krise korrigieren wollte.
Einzige Bedingung sei gewesen, dass sie den Text absegnen könne, und als es soweit war, strich sie nur die Passagen über ihre Mutter Magda Schneider, den Ufa-Star im Dritten Reich, der Romy Schneider zusammen mit dem Stiefvater zum Marketingerfolg gemacht und davon in höchstem Maße profitiert hatte.
„Sie war eine unglückliche Frau von 42 Jahren“, sagt Michael Jürgs im Kinosaal, „die alles einmal loswerden wollte.“ Das Cover mit ihr hat der „Stern“ dann in Farbe gebracht und von der Ausgabe noch mal 70.000 Exemplare nachgedruckt. Für das Befindlichkeitsheftchen, das heute so fast jenseits jeglicher Relevanz steht, sind das Fabelgeschichten aus Tausendundeiner Nacht.
Quiberon, das ist auch die Geschichte des Kampfes um Deutungshoheit, ein Kammerspiel über einen journalistischen Deal im Hotelzimmer: Nähe gegen Auflage, Intimität gegen Scoop, Geheimnis gegen positiven „Spin“. Ihr haut mich doch nicht in die Pfanne? Der Reporter wird in dem Stück als Blutsauger vorgeführt, während sein Fotograf Robert Lebeck den Freund und Helfer gibt und eine Freundin von Romy Schneider als moralische Instanz scheitert. Und alle leben, ganz auf eigene Weise, von ihrem Objekt der Zuwendung und Zuneigung, das wiederum Angst vor der Selbstentblößung des Schauspielens hat, wirtschaftlich pleite ist und sich nach ihren beiden Kindern sehnt.
Sie ist das Opfer, das noch Reichweite bringt. „Haifische“ sind sie neben Romy alle irgendwie in diesem Arrangement, nur der Journalist sticht penetrant heraus, weil er das Blut am stärksten riecht. Schon kurz nach der Veröffentlichung im „Stern“ schrieb Haug von Kuenheim in der „Zeit“, da habe jemand auf freudianische Art wohl ganz tief bohren wollen: „Peinlich, peinlich.´“
Es ist Jürgs verständlicherweise wichtig, den dramaturgischen Eingriff, ihn als „Kotzbrocken“ zu schildern, in der Realität zu widerlegen. Nein, er habe zum Interview um 10.30 Uhr nicht den Chablis bestellt, wie im Film gezeigt, sondern das sei schon sie selbst gewesen. Im Übrigen sei man sich in diesen drei Tagen menschlich sehr nahe gekommen. Man redete über Willy Brandt, die gefallene Heldenfigur jener wilden Tage.
Weshalb er Romy Schneider später, nach dem Tod ihres Sohnes David, noch einmal persönlich getroffen hat, daraus aber keine Illustriertengeschichte machte. Die „Stern“-Chefredaktion wiederum verlangte dies durchaus heftig von ihrem Unterhaltungschef, weshalb Jürgs später eine Abmahnung in seiner Personalakte fand, wie er auf der Bühne offenbart. „Feige“ seien sie also auch gewesen, so der Journalist, der dann auch über die Beerdigung nichts schrieb und schließlich 1991, nachdem er als „Stern“-Chefredakteur gefeuert worden war, recht schnell eine Romy-Schneider-Biografie verfasste. Als Therapie.
Also kein Kotzbrocken. Wer das nicht kapiere, habe „Fact und Fiction“ dieses Films nicht verstanden, sagt Jürgs noch ganz vorn im Kinosaal. Die Regisseurin habe ihm erklärt, dass sie genau diese Figur „böser Journalist“ so brauche, brillant gespielt im Übrigen von Robert Gwisdek als Gegenpart von Marie Bäumler, die Romy Schneider in diesen zwei Quiberon-Stunden sehr ähnlich wird.
Als „Zwangsjacke" hat der Star ihr Leben empfunden, als langer Versuch, dem Bild der Märchenprinzessin zu entweichen, das man ihr in der spießigen Republik früh aufgepappt hatte, als einziger Schrei nach Anerkennung eines Menschen, der nicht „Sisi“ sein wollte. Dafür brauchte sie Journalisten, die von ihr im richtigen Leben aber nur Skandalstorys abpressen wollten, am besten mit kompromittierenden Fotos.
Im falschen Leben, also im Film, rät ihr der Reporter Jürgs, doch die Journalisten einfach selbst zu benutzen, um ihre Sicht der Dinge zu verbreiten (also in etwa so, wie das Prinzessin Diana gemacht hat). Ulrike Meinhof wiederum war Journalistin, sie arbeitete für „Konkret“, und glaubte irgendwann nicht mehr an diesen Aufklärungsmechanismus, sondern nur noch an Wandel durch Waffengewalt. Auch Romy Schneider hat letztlich Gewalt gegen sich selbst ausgeübt, durch den fortgesetzten Konsum von Optalidon.
Das Glück – im Film der nächtliche Tanz in einer Kneipe mit einem Fischerpoeten – ist nur Minutensache. Wir werden Zeuge einer Tragödie, die auch unsere ist.
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