Künstlerzeitschriften Drucksachen mit Sprengkraft

Vor mehr als 30 Jahren gab Gisela Oswald die Nummer 1 des Journals "Ecco" heraus. Quelle: Archive Artist Publication (Norbert Hahn, Michael Heintschel, Gisela Oswald, Iris Ruml, Sabine Sommer)
Manche Titel haben preislich Quantensprünge gemacht, meint Kretschmer. Umgerechnet vielleicht vier bis fünf Euro habe man für das gestalterisch sehr ambitionierte „toi et moi pour toujours“ aus Paris bezahlt. Heute wird es zwischen 250 und 400 Euro gehandelt. Klaus-Peter Feldmanns um die Jahrtausendwende publizierte „Cahiers d´ Image“ kosteten einst ein paar Euro, derzeit gibt es sie kaum unter 1.000 Euro.
Selten landet ein Konvolut von vier Uecker-Zeitungen auf Auktionen wie unlängst bei Ketterer. Es brachte inklusive Aufgeld 168 Euro. Doch das sind die einsamen Spitzen eines Sammelgebietes, das sich ein paar Insider teilen. Über das wahre quantitative und qualitative Ausmaß kann nur spekuliert werden. Hubert Kretzschmer jedenfalls hütet noch einige unverkäufliche Restauflagen aus den letzten Jahrzehnten. Und er ist sicher, auch in den Kellern vieler Galerien lagern noch Kisten voller Material.
Populär wie Comics
Angesichts dieser Situation erscheinen einem die Ausstellungsstücke im Zentralinstitut wie Wasserrosen. Sie sind die Blüten auf einem großen dunklen, undurchschaubaren Teich. Mag sein, dass der Bibliotheksdirektor Rüdiger Hoyer das Gemunkel um einen Ankauf der Sammlung im Gespräch mit dem Handelsblatt genau aus diesen Gründen zurückwies. Aber dass das Thema Bibliotheken heute reizt, steht außer Frage.

Titel der "Instant", Nr 16 aus dem Jahr 1986, herausgegeben vom Verlag Trust in Frankfurt am Main. Quelle: Archive Artist Pubication (Franz Aumüller, Thomas Feicht, Hubert Kretschmer, James Nitsch)
Innerhalb des ZI-Projekts „Studienzentrum der Moderne“ hat das Institut unlängst eine umfangreiche Pariser Sammlung französischer Graph-Zines erworben. Diese vor allem in Frankreich populären, an Comics angelehnten, aber stark das Graphisch-Künstlerische betonende Werke der unabhängigen Szene haben auf Auktionen unseres Nachbarlandes schon lange ihren festen Platz.
Bislang hat das ZI nur eine Auswahl ihrer neu erworbenen Graph-Zines digital zugänglich gemacht, der Rest stapelt sich noch im Büro von Rüdiger Hoyer. Er zieht ein kleines punkig, poppig gestaltetes Heft hervor, das wie ein Leporello gemacht ist. „Das gibt es nur noch ein weiteres Mal in der französischen Nationalbibliothek.“, so Hoyer. Handelswert ca. 800 Euro. Und wieder einmal bestätigt sich: Erst der Markt schafft Werte.
„Zines#3 – die frühen 80er. Künstlerzeitschriften aus der Sammlung Hubert Kretschmer, München“, im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München, bis 31. März 2015, Mo bis Fr. 10 bis 20 Uhr. Zur Ausstellung erscheint eine kostenfreie Katalogzeitung mit Beiträgen von Hubert Kretschmer, Rüdiger Hoyer und Daniel Stöppel, icon Verlag München, ISBN 978-3-928804-72-1.
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