Kulturpolitik Zögerliche Politik gefährdet das nationale Fotoinstitut

Beide vom Bund beauftragte Gutachten erachten Essen als idealen Standort für das geplante Institut, das sich um die Bewahrung des visuellen nationalen Erbes kümmern kann.
Düsseldorf Ob das vor zwei Jahren ins Auge gefasste „Bundesinstitut für Fotografie“ jemals Realität wird, steht mehr denn je in den Sternen. Am 16. August hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zu einem Runden Tisch ins Kanzleramt eingeladen, um noch einmal „alle Beteiligten für die gemeinsame Sache zu gewinnen und einzubinden“. Doch das Ergebnis ist ernüchternd, denn Grütters ließ sich von ihrem bislang zügig vorangebrachten Vorhaben durch eine Absage der Düsseldorfer Delegation ausbremsen.
„Wir wollen vor allem die fachlichen Planungen voranbringen“, ließ die Staatskulturministerin anschließend über ihre Pressestelle kleinlaut verbreiten. In enger Abstimmung mit der nordrhein-westfälischen Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen wolle sie sich daher dafür einsetzen, dass nach der Bundestagswahl zügig die Planungen für ein Bundesinstitut für Fotografie weiter vorangetrieben werden und der Deutsche Bundestag dafür die erforderlichen Mittel bereitstellt.
Das geplante Bundesinstitut für Fotografie soll als zentrale Einrichtung das fotografische Erbe der Nation sichern und zugänglich machen. Zwei Gutachten gab Grütters in Auftrag, und beide favorisierten die Zeche Zollverein in Essen als Standort: zuerst das Konzept des Expertengremiums unter der Leitung des Kurators Thomas Weski, das im März 2020 vorgelegt wurde, vor vier Monaten dann die obligatorische Machbarkeitsstudie von unabhängiger Seite.
Doch Grütters traut sich nicht, gemeinsam mit der NRW-Landeskulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen eine Entscheidung herbeizuführen und das Institut endlich zu gründen. Weski wollte sich auf Nachfrage bis Redaktionsschluss nicht zur jüngsten Entwicklung äußern.
Unterdessen sieht sich die Düsseldorfer Delegation weiterhin im Wettbewerb. In der insgesamt 18-köpfigen Berliner Gesprächsrunde wären sie zu Dritt gewesen, vertreten durch den Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU), den Fotokünstler Andreas Gursky, Initiator des privaten „Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts“ am Standort Düsseldorf, und den Unternehmensberater Markus Klimmer.

Die Politikerin hat die weitere Planung für das Bundesinstitut für Fotografie auf die Zeit nach der Wahl verschoben.
Doch mit drei Vertretern am Gespräch teilzunehmen erschien den Düsseldorfern zu wenig, wie aus einer vierseitigen Presseerklärung der Landeshauptstadt hervorgeht. Darin moniert OB Keller gemeinsam mit dem privaten Verein, dass ihr Konzept nicht als Grundlage der Gespräche akzeptiert und ihre Bitte um eine Verschiebung und Neuorganisation des Treffens von Grütters abgelehnt worden wäre.
„Aus unserer Sicht muss ein gemeinsames Gespräch die Anforderung erfüllen, dass beide Konzepte gleichwertig behandelt werden, inhaltliche Überschneidungen ausgelotet werden und so ein Weg für eine Verbindung beider Konzepte geschaffen wird“, formuliert der Oberbürgermeister.
Zudem erinnert Keller daran, dass Ende 2019 bereits zwei Parlamente 83 Millionen Euro für die Realisierung ihres Plans am Standort Düsseldorf versprochen hatten: der Haushaltsbereinigungsausschuss des Bundestages und das Land NRW. Dass so ein Beschluss des Deutschen Bundestages einfach nicht umgesetzt werde, sei ein wohl einmaliger und mehr als zweifelhafter Vorgang, klagt OB Keller.
Ende 2019 war das vom BKM eingesetzte Expertengremium noch mitten in der Arbeit an seinem Gutachten, und Grütters unangenehm überrascht über das Vorgehen hinter ihrem Rücken. Sie freue sich zwar über die „unerwartet schnelle Schützenhilfe“ durch den Bundestag, quittierte sie damals die Volte diplomatisch, monierte jedoch die voreilige Festlegung auf den Standort Düsseldorf.
Grütters hatte sich vorgestellt, in einem klärenden Gespräch die unterschiedlichen Ansätze der Debatte zusammenzuführen. Immerhin muss sie den Haushältern des Bundestags ja noch 125 Millionen Euro für einen Neubau in Essen aus der Tasche locken; gesetzt den Fall, sie ist nach der Wahl noch im Amt und kann die Gründung vorantreiben. Aber die Agenda für das Treffen wollte sie sich offenbar nicht vorschreiben lassen.
Kompromisslösungen hatten ansonsten genügend im Raum gestanden. Zum Beispiel hätte sich Düsseldorf mit einem Schwerpunkt als Kompetenzzentrum für Restaurierung und Reproduktionsverfahren angeboten und Essen die wissenschaftliche Bewertung, Forschung und Vernetzung mit bestehenden Institutionen übernehmen können. Denkbar wäre schließlich auch immer noch eine Art Kompetenzzentrum in Essen als strategischer Partner in einem Netzwerk bereits bestehender Institutionen.
Das Geldversprechen von Bundestag und NRW-Parlament hatte sich auf das erste Konzept des privaten Gursky-Vereins bezogen. Und das legte den Schwerpunkt auf die kunsttechnologische Erforschung der fotografischen Materialien. Das Institut sollte Dialogpartner für Forschung und Industrie sein. Anders das später fertig gewordene Gutachten des Expertengremiums um Thomas Weski. Hier geht es um die Fotografie in der ganzen Bandbreite ihrer Anwendungen und ihre kulturhistorische Bedeutung. Der Gursky-Verein legte daraufhin noch einmal ein erweitertes und modifiziertes Konzept vor, in dem er sich für eine multifunktionale Einrichtung stark machte.
Nun bringt die zögerliche Politik das ganze Projekt in Gefahr. Wer weiß, ob für das Institut demnächst überhaupt noch Geld übrig ist, wenn die Folgen der Flutkatastrophe und eine neuerliche Flüchtlingswelle ihren Tribut fordern.
Mehr: Bundesinstitut für Fotografie: Auch die Machbarkeitsstudie empfiehlt Essen als Standort
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.