Kunst als Wertanlage Wege zur Kunstsammlung: Chancen und Fallstricke für vermögende Novizen

Robert Ketterer und Nicola Gräfin Keglevich präsentieren Alexej von Jawlenskys um 1913 entstandenen Frauenkopf, Top-Los der kommenden Auktion am 10. Dezember.
Düsseldorf Kunst sei eine gute Geldanalage, hört und liest man allenthalben. Tatsächlich übertreffen verblüffende Renditen immer wieder die anderer Anlageformen bei Weitem. Als etwa Pablo Picassos Gemälde „Les femmes d'Alger. Version O“ vor einigen Jahren zum Rekordpreis von brutto 179,4 Millionen Dollar beim Auktionshaus Christie’s versteigert wurde, hatte das Bild seinen zwanzig Jahre zuvor erzielten Auktionspreis von 32 Millionen Dollar mehr als verfünffacht.
Zum Vergleich: Der deutsche Aktienindex Dax legte von Oktober 2001 bis Oktober 2021 gerade um knapp 250 Prozent zu. Und solch stupende Wertentwicklungen lassen sich aber nicht nur im Hochpreisbereich ausmachen. So konnte das Auktionshaus Van Ham 2019 28.500 Euro einklopfen für die Gemeinschaftsarbeit von Jonathan Meese und Daniel Richter „Dani + Ich“. Schätzpreis: 800 Euro. Verkäufer war der Modeunternehmer und Sammler Thomas Rusche.
Doch wer selbst in Kunst investieren will, bekommt es mit einer Szene zu tun, die Einsteigern bisweilen hermetisch geschlossen vorkommt. Eisern halten sich Galeristen und Händler an die branchenübliche Diskretion. Preise sind zwar in Auktionen transparent, im Handel aber nur zum Teil. Käufer- und Verkäufernamen werden nur dann kommuniziert, wenn es dem Marketing dient. Marktteilnehmer verständigen sich über Codes. Die schließen Neulinge meist aus.
Das Handelsblatt skizziert im Folgenden Wege, die eine vermögende Einsteigerin einschlagen kann, wenn sie werthaltig in Kunst im oberen Preissektor investieren möchte. Und warnt vor möglichen Fallstricken, die dem Novizen drohen.
Grundsätzlich bieten sich zwei sichere Wege an für Auswahl und Erwerb von Kunst. Der eine führt über erstklassige Galerien, der andere über renommierte Auktionshäuser.
Wir fragen nach bei Dominique Lévy, einer der führenden Galeristinnen weltweit aktiv im High-End-Bereich. Die Schweizerin mit Galerien in New York, London, Paris und Hongkong, reagiert wie fast alle in der Branche allergisch auf das Wort investieren: „Wer nur investiert, fährt finanzielle Verluste ein.“ Ein einziges Werk zu kaufen und mit Renditehoffnungen zu überfrachten, führt leicht zu Enttäuschung, weiß sie. „Es geht ums Sammeln und nicht ums Investieren.“ Zu einem exzellenten Investment werde Kunst für denjenigen, der eine Kollektion aufbaue.

Der ehemalige Galerist hat kürzlich in München angeheuert.
Die 54-Jährige rät zu „Leidenschaft, Liebe, Wissen und Zeit“. Wer dafür keine Zeit habe, mag ein Team beauftragen, ihre Galerie Lévy Gorvy, die künftig LGDR heißen wird, oder eine andere. Entscheidend ist, „eine qualitätvolle Sammlung aufzubauen und auf verschiedene Pferde zu setzen.“ Ihre Erfahrung: Angesichts der unzähligen Teilmärkte kämen auf drei Kunstwerke, deren Wert steige, zehn, bei denen sich dieser Erfolg nicht einstelle, sagt Lévy. Deshalb ihr Rat: „Eier in verschiedene Körbe legen“.
Eine andere Empfehlung lautet: Weg von unbekannten, nur regional geschätzten Künstlerinnen und Künstlern, hin zu Kunstschaffenden, deren Werk so vielteilig ist, dass es international und auch auf Auktionen gehandelt wird. Zu den sogenannten Blue Chips des Kunstmarktes zählen Pablo Picasso und Alexej Jawlensky, Jeff Koons, Joan Mitchell, Willem de Kooning, Lucio Fontana und viele andere Etablierte mehr.
Der Vorteil für den Kaufwilligen: In diesem Segement gibt es einen getesteten und analysierten Markt. Verkaufspreise lassen sich auf Basis von Auktionsergebnissen gut nachvollziehen. Dabei sollte die Preisentwicklung stetig, aber "nicht steil und schnell verlaufen“, mahnt Dominique Lévy.
Wer antizyklisch kauf, zahlt weniger
Die Kehrseite der vergleichsweise sicheren Strategie, nur das Beste zu kaufen: „Es gibt wenig Auswahl. Und der Kunstfreund muss mit mehr Geld einsteigen“, räumt Lévy ein.
Wer allerdings antizyklisch kauft, zahlt weniger. Jüngst sind italienischen Künstler wie Piero Manzoni, Alberto Burri oder Lucio Fontana im Preis etwa um 20 Prozent im Vergleich zu 2019 gefallen, sagt Lévy. In diesem Herbst gibt es daher gute Gelegenheiten, einzusteigen.
Wer hingegen jetzt afro-amerikanische Kunst kaufen möchte, muss tief in die Taschen greifen und oft Summen von mehr als einer Million Dollar aufbringen. Denn dieses Sammelgebiet erlebt im Zuge von Black Lives Matter einen Nachfrage-Hype.
Bleiben wir beim Geld und schauen auf die Kosten.
Selbst ein Listenpreis ist in einer Galerie oft kein Endpreis. Das ist vielen Einsteigern nicht bewusst. Mal rechnet der Galerist die Mehrwertsteuer ein, mal nicht. Die fällige Steuer richtet sich nach dem Zielland der Lieferung. Hinzu kommt das Folgerecht. Bis 70 Jahre nach dem Tod einer Künstlerin oder eines Künstlers werden bis zu 4 Prozent des Nettoverkaufswertes als Urheberechtsabgabe auf den Verkaufspreis geschlagen. Zusätzlich entstehen der Käuferin noch Handlingkosten für Transport, Verpackung und eine Versicherung.

28.500 Euro nahm Van Ham für die Gemeinschaftsarbeit der beiden Künstler ein. Geschätzt war das Ölgemälde „Dani + Ich“ auf 800 Euro.
Was, wenn sich der investitionswillige Novize von seiner beratenden Galeristin emanzipieren möchte? Wenn er über deren Stammkünstler hinaus Kunst kennenlernen und erwerben möchte? Dann wird er international aufgestellte Auktionshäuser aufsuchen.
Wir wenden uns an Ketterer, aktuell Deutschlands umsatzstärkstes Auktionshaus und sprechen mit Sebastian Neußer und Nicola Gräfin Keglevich. Der ehemalige Galerist und die ehemalige Sotheby’s Direktorin haben kürzlich in München angeheuert. Beide gehören nun Ketterers sechsköpfigem Geschäftsführerkreis an.
Keglevich betont: „Der Vorteil eines größeren Versteigerungshauses ist, dass das Angebot wesentlich breiter ist als in einer Galerie.“ Wer noch keine Markterfahrung habe, könne mit den Experten viele Fragen klären. Nicht nur was Ästhetik und Werthaltigkeit betrifft, sondern auch Praktisches: „Wo soll das Kunstwerk hängen? In den eigenen vier Wänden? Oder soll es bis zu einem potenziellen Wiederverkauf professionell gelagert werden? Soll es versichert werden?“
Bei Ketterer wählt der Kunde, wie in den meisten deutschen Auktionshäusern, wo er Kunst erwerben will: in einer Versteigerung oder durch einem vom Auktionshaus gestifteten Privatverkauf oder gar in einer der zwischendurch veranstalteten Ausstellungen. Bei jeder Verkaufsform lohnt es sich, präzise nach sämtlichen Preiskomponenten zu fragen.
Nicht nur, dass sich der Bietende in der Auktion mit ihrem ganz speziellen Flair aus Kunstliebe, Lust und Leidenschaft hinreißen lässt, sein persönliches Preislimit zu überschreiten. Hier kommen ein Aufgeld, Umsatzsteuer und gegebenenfalls Folgerecht zum Hammerpreis hinzu. Das darf sich der Kunde auch vorrechnen lassen. „Ein seriöses Auktionshaus wird von Beginn an offen mit diesen Kosten umgehen. Sobald man das Gefühl hat, dass der wahre Endpreis irgendwie verschleiert wird, ist von einem Kauf abzuraten,“ meint Sebastian Neußer.
Jede Auktion lebt von guten Kontakten zu verkaufswilligen Einlieferern. Hauptgrund für den Verkauf von Hochpreisobjekten oder ganzen Sammlungen sind - wie es im angelsächsischen Bereich heißt - die „Three D: Death, Debt and Divorce“. Was durch Schulden, Tod oder Scheidung eingeliefert wird, schätzt der Versteigerer anhand von Marktdaten und Insiderwissen.
Ketterer setzt die Schätzpreise bewusst tief an, um möglichst viele Interessierte zum Mitbieten anzuregen. Was ein Kunstwerk aber wirklich wert ist, ermittelt erst die Auktion durch die Nachfrage. Die kann, wie eingangs erwähnt, für eine Vervielfachung von Taxen und Einstandspreisen sorgen. Mangelt es an Mitbewerbern, kann der Novize aber auch relativ günstig zu seinem Wunschobjekt gelangen. Für Auktionatoren ist der faire, offen ausgetragene Wettstreit um ein Kunstwerk das beste Messinstrument für den aktuellen Marktpreis.
Wer sich für höher wertige Kunst interessiert, den bittet Ketterer um eine Bankauskunft. Die wird „mit viel Luft nach oben ausgestellt“, erzählt Keglevich. Der Kunde soll schließlich frei bieten können, wenn er Konkurrenz spürt.
Wer in Kunst investieren möchte, kann seine Augen schulen durch Besuche von Museen und Messen, Galerien, Ausstellungen und Auktionen. Mit der Zeit wird sich ein persönlicher Geschmack herausbilden. Wem das zu lange dauert, sucht sich eine Kunstexpertin für die Beratung: einen freien Art Consultant, eine Galeristin oder die Vertrauensperson in einem Auktionshaus.
Bis Sonntagabend bietet die Art Cologne, die älteste Messe für zeitgenössische und moderne Kunst, noch einen hervorragenden Überblick auf etablierte Künstlerinnen und Künstler. Bis in den Dezember hinein versteigern deutsche und internationale Auktionshäuser hochwertige, durch die Kunstgeschichte abgesicherte Kunstwerke. Wer sein Lieblingskunstwerk noch nicht gefunden hat, sollte das Gespräch mit den Experten sofort aufnehmen.
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