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Kunst im XXL-Format Jeff Koons in München: „Ich möchte, dass mein Publikum seine eigenen Emotionen wahrnimmt.“

Der amerikanischer Künstler spricht am Rande einer Geschäftsreise über seinen Antrieb, seine Haltung und die jüngste millionenschwere Krypto-Kunst.
02.04.2021 - 10:22 Uhr Kommentieren
„Tiefe Selbsterkenntnis für Macher und Betrachter“. Quelle: Boris Roessler dpa/lhe
Jeff Koons „Balloon Venus“ im Frankfurter Liebighaus

„Tiefe Selbsterkenntnis für Macher und Betrachter“.

(Foto: Boris Roessler dpa/lhe)

München Skandale braucht Jeff Koons schon lange nicht mehr. Seine provokanten Beischlaf-Skulpturen der Serie „Made in Heaven“ mit ihm und Ex-Ehefrau, dem Ex-Pornostar Ilona Staller, als Hauptfiguren sind ein abgeschlossenes Kapitel. Weltruhm brachten ihm zwei spiegelglatte Stahlskulpturen, die wie die XXL-Version von Kinderspielzeug aussehen.

Der „Balloon Dog“ hat heute wegen seines Höchstpreises von 58 Millionen Dollar und als preislich abgespeckte, verkleinerte Auflagenkunst einen Bekanntheitsgrad wie die „Mona Lisa“. Und das 2019 bei Christie’s für 91 Millionen Dollar versteigerte silberglänzende Kaninchen „Rabbit“ aus dem Jahr 1986 machte Koons zum zweiten Mal zum teuersten lebenden Künstler auf dem globalen Auktionsparkett.

„Hohe Preise funktionieren wie ein Schutz für das Kunstwerk. Wenn jemand viel Geld in Kunst investiert hat, will er grundsätzlich sicher sein, dass das auch in Zukunft so bleibt“, sagt Jeff Koons im exklusiven Gespräch mit dem Handelsblatt. Höchstpreise seien eben Gesprächsstoff und brächten Menschen zur Kunst, meint er bei einem Abendessen.

Vier Tage war Jeff Koons gerade in München zu einem Arbeitstreffen beim Automobilhersteller BMW. Berührungsängste zur Modewelt und zur Industrie hatte der New Yorker Megakünstler noch nie. Bei ihm werden Alltagsgegenstände zur Kunst. Und mit Kunst adelt er die banalen Dinge unseres Lebens: aufblasbare Plastikblumen, Comicfiguren oder die abgegossene Barockbüste von König Ludwig XIV.

Bescheiden, fast unscheinbar, aber mit einem Strahlen in den blauen Augen betritt er die menschenleere Lobby des Nobelhotels Bayerischer Hof. Das Wort, das in der nächsten Stunde am häufigsten fallen wird, heißt Kommunikation. „Ich versuche, mit meinen Arbeiten niemanden zu kritisieren oder zu verurteilen. Ich möchte, dass mein Publikum seine eigenen Emotionen wahrnimmt“, formuliert Koons sein Credo.

Wenn Menschen die Kommunikation mit seinem Werk genießen, ist das für ihn der Beweis, dass es Bedeutung hat. „Kunst braucht Ideen, und die beziehe ich aus Gefühlen“, sagt er und beschreibt damit kurz und knapp die Grundlage seines Tuns.

Ein Exemplar dieser Stahlskulptur erzielte mit knapp 91,1 Millionen Dollar einen Preisrekord. Quelle: Steve Parsons/PA Wire/dpa
Jeff Koons vor zwei Jahren neben seinem „Rabbit“

Ein Exemplar dieser Stahlskulptur erzielte mit knapp 91,1 Millionen Dollar einen Preisrekord.

(Foto: Steve Parsons/PA Wire/dpa)

Koons hatte nie so großen Erfolg wie mit seiner Werkgruppe „Celebration“. Das fast drei Meter hohe „Hanging Heart“, das schon 2007 mit einem Erlös von 23 Millionen Dollar für Aufsehen sorgte, und das zwei Meter lange „Egg with Bow“ sind ein Teil dieser Serie.

Das Überdimensionale ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Koons. Er ist sich sicher, was Marcel Duchamp, der Vater des Readymades und Koons“ künstlerische Leitfigur, dazu sagen würde: „Es ist der überwältigende Weg, Dinge neu zu sehen.“ Koons ist auch ein Mann schnörkelloser Analysen. Wenn eine Serie gut läuft, kann sie sehr lange erweitert werden.

Für viele Kritiker war die edle, hochpolierte Oberfläche der pinken und türkisblauen Stahlskulpturen Koons“ Ticket in die Premiumklasse der Kunstwelt. Aber es ging ihm nie um Perfektion als Ausdruck von Wohlstand oder Luxus: „Ich habe mit Readymades von Staubsaugern im Sinne Duchamps angefangen. Dann kaufte ich Spielzeug und Souvenirfiguren. All diese Dinge waren in meinen Augen perfekt, obwohl sie Massenprodukte waren.“

Und dann schiebt der durchtrainierte Amerikaner die Erklärung nach, warum das Banale in seinem Werk so großen Raum einnimmt: „Das Vollkommene und das Unvollkommene sind in meinen Kunstwerken konzeptuell miteinander verbunden. Die Haltung, die mich leitet, ist Akzeptanz. Ich glaube, dass jedes Ding in sich selbst perfekt ist. Nur durch Akzeptanz kann man für alles offen sein und sein Bewusstsein erweitern.“

Mit 66 Jahren schaut der New Yorker auf eine lange Karriere. Er startete in den späten 1970er-Jahren mit Sportbällen, die in wassergefüllten Vitrinen schwimmen. Den Durchbruch leiteten zehn Jahre später zeitgleich die vorausschauende Galeristin Ileana Sonnabend in New York und Max Hetzler, damals noch in Köln, ein.

Das Riesenformat überwältigt. Es lasse uns Banales neu sehen, meint der Künstler, der zu den teuersten der Welt zählt. Quelle: Palazzo Grassi Spa, ph: ORCH orsenigo_chemollo
Jeff Koons „Hanging Heart“

Das Riesenformat überwältigt. Es lasse uns Banales neu sehen, meint der Künstler, der zu den teuersten der Welt zählt.

(Foto: Palazzo Grassi Spa, ph: ORCH orsenigo_chemollo)

Die Serie „Banality“ von 1988 sorgte für heftige Diskussionen. In einige ihrer Arbeiten sind ganz offensichtlich Eindrücke aus Koons“ Münchener Jahren unmittelbar davor eingeflossen. Er erzählt von seinen Streifzügen durch paradiesische Spielzeugläden, aber auch von der Atmosphäre in barocken bayerischen Kirchen.

Vergoldete Engel, geschnitzte Heiligenfiguren und blumengeschmückte Altäre hätten ihn fasziniert. In Oberammergau, wo die berühmtesten Herrgottschnitzer des nördlichen Alpenraums zu finden sind, ließ er dann 1990 für die darauffolgende Serie die monumentale Holzfigur „Jeff and Ilona“ fertigen. Jede neue Serie hat ihm Horizonte eröffnet: „Kunst ist für mich ein Akt des Experimentierens und bringt das Erlebnis einer größeren Wahrnehmung hervor.“

Vom Readymade-Fan über den erotischen Provokateur zum Perfektionisten aufgeblasener Geschenkartikel ist es kein gerader Weg gewesen. Eine Zeit lang hat Jeff Koons an der Wall Street mit Rohstoffen gehandelt, um Geld für seine aufwendigen Kunstprojekte zu erwirtschaften. Auch die Finanzierung der technisch herausfordernden und Geld verschlingenden „Celebration“-Serie stand lange auf der Kippe. Sein Antrieb in harten Momenten: „Ich habe in jeder Phase die Energie von Kunst genossen.“

So simpel seine Werke wie die XXL-Planschbecken-Schwäne, die prallen „Balloon Venus“-Versionen erscheinen, Jeff Koons sieht in ihnen auch eine spirituelle und transzendente Seite. Sie seien verlockend, einnehmend, surreal. „Sie sind ein Dialog der tiefen Selbsterkenntnis für den Macher wie für den Betrachter“, ist er überzeugt.

Der Midas des Kunstmarktes

Für manche ist Koons der Midas des Kunstmarktes. Was er berührt, wird zu Gold. Diesen Ruf hat ihm die „Celebration“-Serie eingebracht. Aber im Handelsblatt-Gespräch gesteht er auch, dass es unverkaufte Kunstwerke gibt. Manche davon hat er selbstverständlich für sich selbst behalten.

Die neueste Werkgruppe trägt den schlichten Titel „Porcelain“. Wie in seiner Serie „Gazing Ball“, in der er Altmeistergemälde und Abgüsse von Antiken mit einbezog, taucht er wieder in die Kunstgeschichte ein. Inspiration liefern ihm europäische Porzellanfiguren vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert.

Koons spricht schon jetzt von Metaphysik. Eine 2,5 Meter hohe Venus ist eine der bereits realisierten Arbeiten dieser Serie. Fast nackt steigt sie aus einem antiken Streitwagen und berührt mit einer Zehe irdischen Boden.

Der Kunstmarkt hat in den letzten Jahren vor allem Koons“ Hochglanzskulpturen gefeiert. Seine Gemälde gelangten indes kaum in Auktionen. Sowenig wie er seine Skulpturen persönlich zusammenschweißt und poliert, so wenig darf man ihn sich malend vor einer Leinwand denken.

„Ich entwickele die Kompositionen für meine Gemälde am Computer“, erzählt der Künstler, der einer großen Werkstatt vorsteht. Er kompiliert Fotoausschnitte, Versatzstücke aus Werbung oder Kunstgeschichte und bearbeitet sie digital. Erst seine Assistenten übertragen die Motive auf Leinwand. „Ich verfolge den Entstehungsprozess auf jeder Ebene. Ich kreiere, generiere und kontrolliere jeden Schritt. Die Distanz versetzt mich in die Lage, meine ursprüngliche Vision beizubehalten.“

Eine andere Art der Kommunikation

Noch lässt Koons sein Studio wandfüllende Leinwände produzieren. Das Ende der gemalten Fantasien sieht er durch den Kunstmarkt-Einstieg des gerade für 69 Millionen Dollar versteigerten Kryptogemäldes „Die ersten 5000 Tage“ von Beeple noch nicht gekommen.

„Der Kunstmarkt hat uns gezeigt, welche Visionen Menschen entwickeln, um mit der Welt um uns herum verbunden zu sein. Die NFTs sind lediglich eine andere Art der Kommunikation. Schließlich befinden wir uns im digitalen Zeitalter“, stellt er nachdenklich fest und wendet sich wieder seinem Generalthema zu: „Kunst wird immer unsere Leidenschaft für das Relevante im Leben reflektieren. Das ist für mich der entscheidende Faktor.“

Mehr: Maler und Macher: Die Kunst-Industrie - Wie Werke zu Werten werden

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